Mieterschutz à la façon de Zurich

Der Mieterverband Zürich will mit einer kantonalen Volksinitiative erzwingen, dass Neumieter einer Wohnung automatisch zu informieren sind, wieviel ein Vormieter bezahlt hat. Der Tages-Anzeiger machte dazu eine Online-Umfrage. Die Zeitung lieferte gleich je eine Begründung für das Ja oder das Nein mit: „Ja, das ist transparent und wirkt mietzinsdämpfend“, bzw. „Nein, das ist unsinnige Bürokratie“. So suggestiv formuliert man eine Umfrage wohl nur, wenn man zum vornherein politische Absichten hat  –  ein Verdacht, der beim Tages-Anzeiger, linken Anliegen stets wohlwollend gesinnt, nicht unbegründet ist. 1’536 Leser antworteten, die grosse Mehrheit für das Anliegen der Initiative. 

Dass eine solche gesetzlich erzwungene Transparenz mietzinsdämpfend wirke, wird von den Initianten behauptet, weil sie den Wohnungsmarkt in einem möglichst engen Regulierungskorsett halten wollen. Dazu gehört, dass Mietzinsaufschläge nur in einem engen Bereich im Vergleich zur Vormiete zugelassen sind. Die wahre Absicht hinter der Initiative ist ja auch nicht Transparenz (diese ist angesichts der vorhandenen statistischen Daten und der leicht verfügbaren Marktinformationen schon beträchtlich), sondern ein staatliches Verbot von Mietzinsaufschlägen zur Anpassung an die Marktverhältnisse.

Angesichts der emotionalisierten Debatte (Schlagwort „Wohnungsnot“) und mit Blick auf den dürftigen ökonomischen Bildungsstand der breiten Bevölkerung ist ein Erfolg dieser Volksinitiative zu befürchten. Die online-Umfrage des Tages-Anzeigers, auch wenn nicht repräsentativ, liefert einen Vorgeschmack auf den Ausgang der Abstimmung. Faktum ist allerdings, dass die Umsetzung einer solchen Initiative für den Wohnungsmarkt sogar kontraproduktive Folgen haben wird. Wenn tatsächlich zunächst eine dämpfende Wirkung auf die Mietzinsen einträte, würde man die Kluft zwischen regulierten geschützten Mieten und Marktmiete noch vergrössern. Dies hätte zur Folge, dass die Nachfrage nach Wohnraum in Gebieten mit „Wohnungsnot“ das Angebot noch stärker übersteigen würde als zuvor – mit dem Ergebnis, dass sich Vermieter in einer noch komfortableren Position befänden. Sie könnten die Ihnen passenden Mieter aus noch mehr Interessenten aussuchen als dies heute der Fall ist.

Ob dann die bezahlte Vormiete wirklich als Richtgrösse eine Rolle spielt, ist stark zu bezweifeln. Die Hoffnung auf eine dämpfenden Preiswirkung dürfte sich als Illusion erweisen. Überregulierung stiftet stets Anreize zur Umgehung. Wohin staatliche Mietzinskontrolle führt, kann man in vielen Städten Europas eins zu eins studieren: Die knappen Wohnungen erhalten nicht die sozial Schwächeren, sondern die Zahlungskräftigen. Diese sind auch in der Lage und bereit, beträchtliche „Schlüsselgelder“ zu bezahlen, die umso grösser ausfallen, je weiter sich die regulierten Mietzinsen von den Marktzinsen entfernt haben.

Der ökonomische Widersinn populistischer „Mieterschutz“-Argumente ist leicht zu entlarven. Das wohlfeile Klagen, es gebe zu wenig „zahlbaren Wohnraum“, suggeriert, Wohnungen seien generell zu teuer. Das Gegenteil trifft zu. Weil die meisten Wohnungen unter dem Regime der Kostenmiete besonders in den grösseren Städten weit unter dem Marktpreis vermietet werden (müssen), gibt es einen enormen Nachfrageüberhang. Nicht selten melden sich auf ein Inserat für ein durchschnittliches Objekt 30, 40 oder noch mehr Interessenten. Das beklagt man dann lautstark als „Wohnungsnot“. Dabei handelt es sich weder um ein Naturereignis von höherer Gewalt, noch sind es die bösen Vermieter, die an diesem Zustand schuldig sind. Es ist bloss die logische Folge eines staatlich überregulierten Marktes.

Entscheidet sich das Zürcher Stimmvolk beim Gut Wohnen statt für mehr Markt für immer mehr staatliche Regulierung, muss es weiterhin mit der „Wohnungsnot“ und all ihren schädlichen und unsozialen Folgen leben. Doch wer die ökonomischen Zusammenhänge nicht sieht oder diese verdrängt, dem ist das völlig egal. Genau wie den Initianten, die mit der selbstverschuldeten „Wohnungsnot“ weiterhin ihr politisches Süppchen kochen. Mit Mieterschutz aus Sicht des Allgemeininteresses aller Marktteilnehmer hat das nichts zu tun.