Narrenfreiheit für Volksinitianten?

Eine Gruppe von 15 Westschweizer Weinbauern hat vor einiger Zeit eine eidgenössische Volksinitiative «Für eine Wirtschaft zum Nutzen aller» angestossen. Das Grundmotiv ist die Wiedereinführung eines (Agrar-)Protektionismus, der erstens völlig anachronistisch und zweitens volkswirtschaftlich extrem schädlich wäre. Eine unpassendere Etikettierung einer Volksinitiative ist schwer vorstellbar, aber daran hat man sich ja nachgerade gewöhnt, seit Volksinitiativen immer mehr für die populistische Mobilisierung schlecht informierter Bürger missbraucht werden. Da die Sammelfrist für Unterschriften am 1. Mai abläuft, werden jetzt Mails herumgeschickt, und das tönt so:

Sehr geehrter Mail Nutzer
Wir unterstützen eine Volksinitiative, die uns sehr am Herzen liegt. Es geht um den Schutz der Schweizer Wirtschaft gegenüber ausländischen, zum Teil unethischen Produktion. Weitere Infos:
http://www.economie-utile-a-tous.ch/index.php?langue=de

Wir bitten euch dieses Mail weiterzugeben, um eine breite Information zu erreichen. Wir danken für euer Verständnis.
Familie Müller
Trutigen
6203 Sempach Station

Meine Antwort:

Sehr geehrte Familie Müller
Leider kann ich Ihre unzeitgemässe Initiative nicht unterstützen, da eine Agrarpolitik in einer „Wirtschaft für alle“ (wobei sich „alle“ auf die ganze Welt beziehen muss) für mich ganz anders aussieht als für Sie und Ihre Gesinnungsfreunde. Was ich damit meine, können Sie in den Büchern „Der befreite Bauer“ und „Agrarpolitische Mythen“ nachlesen. Ich bin zuversichtlich, dass diese Initiative keinen Erfolg haben wird. Die Leute in der Schweiz sind nicht so bescheuert, dass sie mit solchen volkswirtschaftlichen Eigentoren ihren Wohlstand riskieren. Denn würde so etwas angenommen, müssten wir wohl aus der WTO austreten, was Sie und Ihre Gesinnungsfreunde sicher begrüssen würden. Nur verträgt sich eine „Wirtschaft für alle“ gar nicht mit dem Verzicht auf die Mitgliedschaft in einer Organisation, die unter dem Gebot der Nicht-Diskriminierung dafür sorgt, dass der internationale Handel allen Teilnehmenden möglichst gleiche Chancen bietet. Dass Handel über die nationalen Grenzen die Welt reicher macht, ist längst erwiesen. Mehr Wohlstand bedeutet immer auch, dass soziale Rechte und Umweltfragen ein grösseres Gewicht erhalten. 

Freundliche Grüsse
Hans Rentsch

„Ein Bier auf Maggie…“

«Ich glaube es ist nicht zynisch, heute ein Bier auf Maggies besten Tag zu trinken», schrieb David Roth, Vizepräsident der SP Schweiz und Präsident der Jungsozialisten auf Facebook am Tag, als Baroness Margaret Thatcher starb.

Pietätlosigkeit ist das eine, aber mindestens so schlimm ist der totale Mangel an wirtschaftshistorischem Bewusstsein von politischen Grünschnäbeln wie Roth. Leider können sie darauf zählen, dass es auch in weiten Teilen der Bevölkerung daran fehlt. Nicht nur in der Schweiz: Wenn in London Jugendliche Thatcher-Bilder verbrennen, kann man nur den Kopf schütteln oder in politischen Zynismus verfallen angesichts der Tatsache, dass gewisse Kreise die Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre fordern.

Fakt ist: Grossbritannien stand bei der Amtsübernahme von Thatcher wegen einem jahrelangen Ausbau des Wohlfahrtsstaats auf Pump und dank verantwortungslosen übermächtigen Gewerkschaften vor dem wirtschaftlichen Abgrund (zweitstellige Inflation, hohe und wachsende Arbeitslosigkeit, defizitäre hoch subventionierte Staatsbetriebe, wachsende Staatsverschuldung). Das sind genau die Zustände, die mit einem Juso-Programm auch in der Schweiz drohen würden.

Wenn marode Industrien (Bergbau etc.) und hoch subventionierte Staatsbetriebe geschlossen oder privatisiert wurden und dabei Stellen verloren gingen, sollte man die Schuldigen unter jenen Politikern vor der Thatcher-Ära suchen, die für diese Verhältnisse verantwortlich waren. Die Reformwiderstände, die Thatcher zu überwinden hatte, waren enorm, aber sie schaffte es dank ihrer klaren liberalen Linie und unglaublichem Durchstehvermögen. Wo gibt es heute noch solche Politiker(innen)?

Die Illusion objektiver Staatsmedien

In ihrer Ausgabe vom 4. April kritisierte die Wochenzeitschrift „Die Weltwoche“ eine Sendung des Schweizer Fernsehens über den „golden rice“ des ehemaligen ETH-Professors Ingo Potrykus. Dieser Goldreis ist gentechnisch mit Vitamin A angereichert und verspricht Millionen von Menschen Hilfe gegen die Mangelernährung mit Vitamin A. „Die Weltwoche“ stiess sich daran, dass das Schweizer Fernsehen SRF es nicht dabei bewenden liess, über diesen grossen Erfolg der grünen Gentechnik zu berichten. Vielmehr sei der Beitrag mit zum Teil fragwürdigen Stimmen und Bildern gegen Gentech-Nahrung ergänzt worden.

Dies ist durchaus kein Einzelfall, sondern solche Ergänzungen entsprechen einem gängigen Muster der Berichterstattung in den staatlich organisierten Medien. Damit soll jene Art von politischer Ausgewogenheit erreicht werden, die von den SRF-Sendern gefordert wird. Bekanntlich ist die Mehrheit der schweizerischen Bevölkerung gegen GVO-Nahrungsmittel. Ganz auf dieser Linie, nahe beim Volk, stimmte im September 2012 der Nationalrat mit grossem Mehr der Verlängerung des GVO-Moratoriums um weitere drei Jahre zu. Allerdings waren ausgerechnet zwei Wochen vor der Abstimmung die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprojekts NFP 59 zu Nutzen und Risiken der grünen Gentechnik veröffentlicht worden. Das NFP 59, das über 1’000 weltweit verfügbare Studien auswertete, bestätigte, was bereits bekannt war: Der Nutzen der grünen Gentechnik ist sowohl generell wie auch für die schweizerische Landwirtschaft erwiesen, und die Risiken sind nicht grösser als bei konventioneller Züchtung, im Gegenteil.

Das vom Parlament selbst in Auftrag gegebene NFP 59 mit Kosten von rund 13 Mio. CHF hatte nicht die geringste Wirkung: Die Mehrheit im Nationalrat war dieses Mal noch deutlicher als bei der ersten Moratoriumsverlängerung drei Jahre zuvor. Anne Glover, Chief Scientific Advisor der Europäischen Kommission, sagte einmal an die Adresse der Politik: „Mir ist bekannt, dass es schwierig ist, politische Entscheidungen immer auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Aber wenn wissenschaftliche Erkenntnisse nicht genutzt werden, ist es die Pflicht der Politiker, zu erklären, warum diese Erkenntnisse keine Berücksichtigung finden.” Dem wäre anzufügen: Wenn die Politiker dieser Pflicht nicht nachkommen, könnten die Staatsmedien einspringen. Davon sind wir jedoch weit entfernt. Denn die öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen haben unter dem Zwang zur politischen Ausgewogenheit den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen Rechnung zu tragen, auch zum Schaden wissenschaftlicher Objektivität.

Bereits im letzten September gab es am auf Radio SRF1 (damals noch DRS1) aus aktuellem Anlass eine interaktive Sendung zur grünen Gentechnik. Der Moderator verwies einleitend auf den Graben zwischen den Erkenntnissen des NFP 59 und den anhaltenden Ängsten in der breiten Bevölkerung. Eine Hörerin rief an und forderte, man müsse auch die GVO-kritischen Studien berücksichtigen. Dieser Vorwurf verriet bloss pure Ignoranz. Dass im NFP 59 alle wissenschaftlich ernst zu nehmenden Studien einbezogen worden waren, war der emotional engagierten GVO-Gegnerin nicht geläufig. Dem Moderator vielleicht auch nicht, sonst hätte er die Hörerin freundlich aufklären können. Man merkte aber gut, wie er peinlich bestrebt war, ja nicht den Eindruck zu erwecken, er nehme Partei für die eine oder die andere Seite. Nun ist es jedoch schlicht absurd, den laienhaften Meinungen von uninformierten Leuten den gleichen Stellenwert zuzugestehen wie den Erkenntnissen der aufwendigen Untersuchung einer ganzen Gruppe unabhängiger Wissenschafter. Denn gelegentlich erinnern die Anti-GVO-Argumente von “Frauen und Männern auf der Strasse” oder am Radiotelefon an den Kampf bibelgläubiger Kreationisten gegen die Evolutionstheorie Darwins in den USA.

Fundamentalistische Positionen, die latent im Konflikt mit anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen, belasten immer mehr den politischen Alltag. Dabei werden im Volk verbreitete Ängste bewirtschaftet. Die stark emotional bestimmte Ablehnung der grünen Gentechnik oder der Kernenergie sind nur zwei von mehreren Beispielen. Zu erwähnen wäre auch der Streit um die Aufnahme von Naturheilverfahren ohne wissenschaftlichen Wirkungsnachweis in den Leistungskatalog der Grundversicherung. Wenn dann die Staatsmedien unter dem Diktat zur politischen Ausgewogenheit einfach nur das generelle Meinungsspektrum abzubilden versuchen, verletzen sie in einer aufgeklärten Gesellschaft ihre Informationspflicht. Mit der Gleichstellung aller Meinungen, unabhängig von ihrer Quelle und der erfahrungsmässigen und methodischen Fundierung, fördern sie einen Relativismus, der die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse abwertet und schlechter Politik Vorschub leistet.

(Leicht redigiert erschienen in der WELTWOCHE Nr.17/2013)

 

Die Romands sind sauer

Groteskes föderalistisches Gerangel um Gripen-Gegengeschäfte
Sogenannt bürgerliche welsche Parlamentarier schliessen die Reihen: Sie protestieren gegen die unterproportionale Berücksichtigung von Westschweizer Firmen bei der Vergabe von Gegengeschäften durch SAAB, den Hersteller des Gripen-Kampfflugzeugs. Sie drohen mit dem Entzug der Unterstützung für die Beschaffung des Gripen im Parlament. Die Gegengeschäfte sind schon generell für ein Land wie die Schweiz mit ihren riesigen Handelsbilanzüberschüssen ein volkswirtschaftlicher Schwachsinn. Natürlich verteuern diese Gegengeschäfte die Beschaffung, und zwar um rund 10 Prozent, wie eine parlamentarische Kommission selbst dargelegt hatte. Die regional korrekte Verteilung steigert das Ganze nun vollends zur Groteske. Wie wenn die für Gegengeschäfte in Frage kommenden Unternehmen gleichmässig über das Land verteilt wären! Man fragt sich angesichts des endlosen Gerangels um die Erneuerung der Luftwaffe langsam, ob es sich dabei wirklich um ein Rüstungsgeschäft handelt oder ob wir damit eher vor allem regional korrekt verteilte Industriepolitik machen. Was ist das für eine schwache Gemeinschaft von Bürgern, denen man sicherheitspolitische Notwendigkeiten nur mithilfe von solchen Ködern schmackhaft machen kann!