Flankierende Massnahmen: „Unverdienter Heiligenschein“

Der prominente Berner Ökonom Ernst Baltensberger drückte sich in einem Weltwoche-Interview vor einigen Monaten klar und deutlich aus: Die flankierenden Massnahmen haben in der Öffentlichkeit und in der Politik einen unverdienten Heiligenschein. Diese Aussage machte der Wirtschaftsprofessor noch vor den aktuellen politischen Versuchen, diese Massnahmen auf dem Arbeitsmarkt weiter zu verschärfen und den Bund zu verpflichten, auch in der Wohnpolitik aktiv zu werden, um die Akzeptanz der Bilateralen in der Bevölkerung zu sichern. Pikant an diesen Bemühungen ist, dass ausgerechnet die SVP mit ihrer Masseneinwanderungsinitiative den politischen Druck zur Verschärfung der flankierenden Massnahmen erhöht hat. Dabei kritisiert die SVP genau diese marktwidrige Politik, die den Arbeitsmarkt weiter regulieren will und auch auf dem Wohnungsmarkt zusätzliche staatliche Eingriffe und Subventionen vorsieht.

Linke Parteien und Interessengruppen benützen seit je den politischen Hebel, den sie mit der Personenfreizügigkeit erhalten haben, um ihre staatsinterventionistischen Anliegen auf dem Arbeits- und jetzt auch auf dem Wohnungsmarkt durchzusetzen. Der Widerstand auf Arbeitgeberseite ist nicht allzu heftig. Das Anliegen, schweizerische Arbeitsbedingungen auch für ausländische Anbieter vorzuschreiben, erspart besonders wettbewerbsschwächeren Branchen der Binnenwirtschaft härteren Wettbewerb. Dass damit in einer Volkswirtschaft ein wesentlicher Treiber von Effizienz- und Wohlstandssteigerung ausgeschaltet wird, fällt als Argument politisch nicht ins Gewicht, weil einer ökonomisch unbedarften Bevölkerung (staatliches Bildungsversagen!) suggeriert wird, all dies sei in ihrem Interesse.

Den wirksamen populistischen Tonfall hat BDP-Nationalrat Hans Grunder vorgegeben, der sagte, die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen könne „als Instrument gegen Dumpingangebote von ausländischen Unternehmen“ nützlich sein. Der Missbrauch des klar definierten Begriffs „Dumping“ ist in der Debatte um flankierende Massnahmen heute gängige Währung. Vielleicht ein Prozent der Bevölkerung weiss, was Dumping tatsächlich ist, aber die Deutungshoheit über den Begriff haben sich Gewerkschaften und linke Parteien längst angeeignet. Inzwischen macht es sich auch in bürgerlichen Kreisen gut, wenn man gegen „Lohndumping“ auftritt.

Nun sind aber Arbeitnehmer(innen) auch Konsumenten, und als solche können sie sich, ohne über die Zusammenhänge nachzudenken, über die weltrekordverdächtigen Preise ereifern, die etwa in hiesigen Gewerbe- und Dienstleistungsbranchen ohne internationalen Wettbewerb verlangt werden. Weshalb sollte ein ausländisches Unternehmen, das eigene Leute beschäftigt, nicht zu tieferen als schweizerischen Lohnkosten anbieten können, wenn diese Mitarbeiter in Ländern leben, die ein viel tieferes Preis- und Kostenniveau aufweisen als die Schweiz? Mit Dumping hat das absolut nichts zu tun.

Und sollten schliesslich die Vorschläge der Arbeitsgruppe, die flankierende Massnahmen in der Wohnpolitik ausbrütet, umgesetzt werden, können sich die Leute auch über die kontraproduktiven Wirkungen wundern, falls sie die ökonomischen Zusammenhänge durchschauen. Der Bundesrat müsse aktiv werden, „um ein ausreichendes und erschwingliches Wohnungsangebot sicherzustellen“. Wie illusionär solche Vorstellungen sind, zeigt sich schon daran, dass eine neue, vom Volk abgesegnete Massnahme des Zürcher Mietrechts auf die Schweiz ausgedehnt werden soll: Die sogenannte Formularpflicht. Danach muss der Vermieter bei jedem Mieterwechsel den Zins des Vormieters bekannt machen, damit ein Neumieter allenfalls gegen einen „übersetzten“ Mietzins klagen kann. Davon verspricht man sich eine preisdämpfende Wirkung, ohne die ökonomisch zwingenden Folgen zu bedenken, falls der preisdämpfende Effekt tatsächlich auftreten sollte. Denn an der „Wohnungsnot“ ändert dies natürlich nichts, da es wirtschaftlich nicht interessanter wird, Wohnungen zu bauen. Was hingegen passiert, ist absehbar: Werden Mietpreise staatlich gegen die Marktkräfte gedrückt, können Vermieter für eine ausgeschriebene Stadtwohnung künftig statt aus 40 Interessenten aus deren 60 oder 70 aussuchen. Ob dann bei der Auswahl „soziale“ Kriterien eine Rolle spielen, ist stark zu bezweifeln.