Die neuen meinungsmächtigen Eliten ticken links

So wie in den USA, läuft es auch bei uns

Am 29. Dezember 2022 erschien in der NZZ mein Artikel mit dem Titel *Klimapolitik und der neue Moraladel“. Dort kommentierte ich Ergebnisse der Referenden über das Energiegesetz (Mai 2017) und über das CO2-Gesetz (Juni 2021). Akademisch Gebildete hatten den von links-grüner Ideologie getränkten „Energiewende-Gesetzen“ in beiden Volksabstimmungen mit dem weitaus höchsten Ja-Anteil aller Bildungskategorien zugestimmt.

Zu dieser politisch-ideologischen Verschiebung der Eliten in den Sektoren der „knowledge economy“ nach links bieten die USA harte Daten zu Parteiverschiebungen nach sozio-ökonomischen Kriterien. In der Demokratischen Partei dominieren heute ganz andere Bevölkerungsgruppen als früher. Das hat auch massive Auswirkungen auf die finanzielle Unterstützung der Parteien. Ich zitiere aus einem Artikel auf der Plattform „The Liberal Patriot“ (Hervorhebungen durch Fettschrift von mir):

Two decades ago, sociologists Jeff Manza and Clem Brooks observed that “professionals have moved from being the most Republican class in the 1950s, to the second most Democratic class by the late 1980s and the most Democratic class in 1996.” This consolidation has only grown even more pronounced in the intervening years. As professionals have increasingly clustered in the Democratic Party, moreover, they’ve grown increasingly progressive, particularly on “cultural” issues surrounding sexuality, race, gender, environmentalism—and especially when compared with blue-collar workers.

Federal Election Commission campaign contribution data provides stark insights into just how strongly knowledge economy professionals have aligned themselves with the Democratic Party in recent cycles. In 2016, roughly nine out of ten political donations from those who work as activists or in the arts, academia, and journalism were given to Democrats. Similarly, Democrats received around 80 percent of donations from workers involved in research, entertainment, non-profits, and science. They also received more than two-thirds of donations from those in information technology, law, engineering, public relations, or civil service jobs. Among industries that skewed Democratic, the party’s highest total contributions came from lawyers and law firms, environmental political action committees, non-profits, the education sector, the entertainment sector, consulting, and publishing.

Similar patterns held in 2020: the occupations and employers with the largest number of workers who donated to the Biden-Harris campaign included teachers, educators and professors, lawyers, medical and psychiatric professionals, people who work in advertising, communications and entertainment, consultants, human resources professionals and administrators, architects and designers, IT specialists and engineers. Industries that provided the highest total contributions to the Democrats included securities and investment, education, lawyers and law firms, health professionals, non-profits, electronics companies, business services, entertainment, and civil service. Geographically speaking, Democratic votes in 2020 were tightly clustered in major cities and college towns where knowledge economy professionals live and work—and outside those zones, it was largely a sea of red.

The alignment of knowledge economy professionals with the Democratic Party has also shifted the socioeconomic composition of the Democratic base. To give some perspective of how much has changed: in 1993 the richest 20 percent of congressional districts were represented by Republicans over Democrats at a ratio of less than two to one. Today, they tilt Democratic by nearly five to one. 

Diese ideologisch-politische Verschiebung der zahlenmässig wachsenden akademischen Elite nach links sieht man in der Schweiz auch in der Leichtigkeit, mit welcher linke Gruppierungen heutzutage Finanzen und Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden zusammenbringen.

Woke im Quadrat

Vor dem Berliner Polizeipräsidium weht die Regenbogen-Flagge

Bildquelle: „Achtung Reichelt“ auf Youtube

Heute zur Abwechslung mal kein Klima- oder Energiethema. Aber für volldaneben.ch auf jeden Fall passend!

Am 13. Juli hisste die Berliner Polizei vor ihrem Präsidium die Regenbogen-Flagge. Anwesend war, wen wunderts, der Berliner Queer-Beauftragte Alfonso Pantisano, der auch eine Ansprache hielt (im Bild links). Dieser verklagte den Journalisten Julian Reichelt wegen „Volksverhetzung“, weil Reichelt in den sozialen Medien die Aktion kritisiert hatte.

Die Woke-Ideologie zerfrisst unsere freiheitliche Gesellschaft, wenn wir nicht aufpassen. Der Opportunismus in Politik, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ist beängstigend – auch bei uns. Eine akademisch verbildete Minderheit zwingt der Mehrheit ihre Ideologie auf.

Und schliesslich: Möchten Sie sich von einer solchen Polizei, wie sie auf dem Bild oben in Erscheinung tritt, beschützen lassen?

Erst 50 Jahre Frauenstimmrecht!

Muss man sich als Schweizer schämen?

Foto: Otto Baumberger, Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung ZHdk /
© 2018, Prolitteris, Zurich

Dieses historische Abstimmungsplakat von 1946 zeigt immerhin die hohe Qualität schweizerischer Abstimmungswerbung der damaligen Zeit. Nicht nur besticht das Plakat durch die minimalistische Gestaltung der Botschaft, sondern auch durch die Möglichkeit unterschiedlicher Interpretationen. Der Teppichklopfer kann symbolisch als Hinweis gedeutet werden, wer denn wirklich zuhause die Hosen anhat und was den Herrn Ernährer dort erwarten könnte.

Wie dem auch sei, wir nähern uns den Feiern zur Volksabstimmung vom Februar 1971, als die stimmberechtigten Männer den Frauen nach mehreren früheren gescheiterten Anläufen endlich das Stimm- und Wahlrecht gewährten. Quer durch die Medienlandschaft herrscht jetzt schon Feierstimmung, aber immer latent oder offen mit einem begleitenden Schuld- und Schambekenntnis so nach dem Muster: Was sind doch wir Schweizer für ein knorrig-konservatives Volk, dass es so lange dauerte, bis wir als wohl letzte Demokratie das Stimm- und Wahlrecht für Frauen einführten! Bis dahin war die Schweiz doch nur eine halbe Demokratie! Was für eine Schande!

So ist nun zum Jubiläum in den Medien, in Ansprachen und sonstigen Verlautbarungen eine Flut von floskelhaften Vorwürfen und Selbstbezichtigungen zur verspäteten politischen Gleichstellung der Geschlechter zu lesen und zu hören. Aus heutiger Sicht erscheint uns wohl die Verweigerung des passiven Wahlrechts als besonders stossend, nämlich dass Frauen nicht in Parlamente und Exekutiven gewählt werden konnten. Doch gibt es ein verbreitetes Problem mit der Einschätzung vergangener Zustände und Ereignisse im Rückblick, nämlich den grassierenden Verlust an historischem Bewusstsein. Dieses Urteil trifft auch auf professionelle Medienschaffende zu. Die meisten von ihnen, die das Thema heute im Rückblick kommentieren, haben die damalige Zeit gar nicht selbst erlebt. Nur wer mindestens 65 Jahre alt ist, hat eine persönliche Erfahrung, wie der politische Prozess bis 1971 verlief. Und ist am besten in der Lage, die damaligen Ereignisse nüchtern und neutral zu bewerten.

Ich zähle zu diesen Alten und sehe keinen Grund, sich oder mich zu schämen oder gar zu empören. Schliesslich hielt man sich bei der politischen Behandlung des Anliegens strikt an die gültigen institutionellen Regeln. Zudem war die Schweiz mit ihren direkten Volksrechten schon damals das Land mit der weitaus stärksten Beteiligung des Stimmvolks an der Gestaltung der Politik. Die Schweiz war sicher auch das einzige demokratische Land der Welt, das die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen durch eine Volksabstimmung beschloss – ein Urnengang zudem, bei dem die Männer auf die Hälfte ihrer Stimmkraft verzichteten. Man darf die Anreizunterschiede in verschiedenen demokratischen Systemen nicht ausser acht lassen. Wer weiss, ob es unter denselben institutionellen Bedingungen in anderen Ländern nicht auch zu einer späten Gewährung der vollen politischen Rechte an die Frauen gekommen wäre.

Das Jubiläum „50 Jahre Frauenstimm- und -wahlrecht“ eignet sich natürlich auch hervorragend als Aufhänger für die rituelle Klage, dass die Benachteiligung der Frauen selbstverständlich bis heute andaure, vor allem in der Wirtschaft. Also gebe es in der rückständigen Schweiz noch viel Arbeit für all die Gleichstellungsbürokratien auf allen drei Staatsebenen. Leider wird bei diesem Thema zu viel moralisiert – auf Kosten empirisch gesicherter Fakten. Nehmen wir die angebliche Untervertretung der Frauen in Kaderpositionen der Wirtschaft, um an ein paar interessante Tatsachen zu erinnern.

Für viele Führungspositionen ist der männliche Kandidaten-Pool schlicht grösser als der weibliche. Drängt man unter diesen Voraussetzungen dann trotzdem auf eine möglichst ausgeglichene Vertretung der Geschlechter, riskiert man eine Diskriminierung der Männer. Hier sind auch folgende Fakten zu beachten: Frauen wählen viel häufiger als Männer „weiche“ Hochschuldisziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften, was ihren Karriereaussichten nicht unbedingt förderlich ist. (Für bessere Sichtbakeit Grafik anclicken):

Zudem unterscheidet sich die Normalverteilung des Intelligenz-Quotienten zwischen den Geschlechtern. Zwar ist der Durchschnitts-IQ von Männern und Frauen gleich, aber die Glockenkurve der Männer ist flacher. An den extremen Enden der Kurve – also bei den ganz Dummen und den Hochintelligenten – sind Männer im Vergleich in der Überzahl.

Schliesslich sind es doch eher Männer, welche die ungeheure Belastung von Führungspositionen auf hoher und höchster Ebene in Kauf zu nehmen bereit sind. Dass es diesbezüglich möglicherweise sogar biologische Unterschiede gibt, ist im Klima der heutigen extremistischen Genderismus-Ideologie natürlich eine etwas gewagte Aussage. Aber Männer sind nun einmal biologisch so programmiert, dass sie das andere Geschlecht durch Leistung – heisst, besser zu sein als die Konkurrenz – zu gewinnen suchen.

Künftig droht in der Wirtschaft unter dem Dauerdruck des vielstimmigen Gleichstellungschors eher eine umgekehrte Diskriminierung zulasten der Männer. Wenn es Führungspositionen zu besetzen gilt, haben Frauen – nicht nur bei gleichen, sondern gelegentlich sogar bei geringeren Kompetenzen – Vorteile, da Unternehmen opportunistisch auch die Imagewirkung von Stellenbesetzungen im Kader einbeziehen. So ist der hiesige Gleichstellungsaktivismus durchaus vergleichbar mit der „affirmative action“ zugunsten der Nichtweissen in den USA. Dort wird eine Benachteiligung von Weissen (oder beim Zugang zu Top-Universitäten von Asiaten) bewusst in Kauf genommen, um frühere Benachteiligungen von Farbigen zu kompensieren. Das ist nicht nur ungerecht und ethisch fragwürdig, sondern schadet auch der Gesellschaft.

Dieser Text erschien, leicht gekürzt, in der Weltwoche 03.21, Seite 48.

Nachtrag vom 24. Januar: In der heutigen NZZaS lese ich unter dem Titel „Neue Chefinnen für die Schweiz“ von einer gewissen Arianne Moser, die 2004 von einem Freund der Familie für das Amt einer Verwaltungsrätin der Drogeriekette Dropa angefragt wurde. Dieser unverhoffte Einstieg ohne jegliche Anstrengung und Konkurrenz war das Sprungbrett für weitere VR-Mandate, denn überall waren unter dem Gleichstellungsdruck Frauen gefragt. Seit nun das Parlament eine VR-Quote von 30 Prozent Frauen in grösseren Unternehmen vorgegeben hat, haben sich die Aussichten für Frauen weiter verbessert. Firmen, die die Quote nicht erreichen, fürchten negative Schlagzeilen in den Medien, sagte Martin Hilb, em. Professor für Personalmanagement an der Uni St.Gallen. Und weiter: „Frauen hatten noch nie so gute Chancen wie in den nächsten fünf Jahren, Verwaltungsrätinnen zu werden.“ Dasselbe gilt für Geschäftsleitungen. Willkommen im neuen Zeitalter der Männerdiskriminierung!

Hoffentlich werden wir von diesem Schwachsinn verschont!

An US-amerikanischen Mathematik-Fakultäten gerät die etablierte „2+2=4“-Mathematik als Ausdruck der „white supremacyunter Rassismus-Verdacht

Auf der Plattform „Campus Reform“ lese ich: „The Mathematical Association of America (MAA) stated that math inherently carries human biases and justified the propagation of Critical Race Theory in academia.“ Man diskutiert dort enrsthaft, ob nicht auch eine „2+2=5“-Mathematik gleichwertig zu vertreten sei. „Campus Reform“ berichtete im August 2020: „…professors at leading American universities took to social media in order to explain that Western mathematical constructs reek of white supremacy and patriarchy.”

Wenn man von diesem Land der verrückten Debatten einen grossen Sprung über den Pazifik macht und technologisch führende asiatische Länder wie Japan, Südkorea, Taiwan oder China betrachtet, ist doch wohl klar, dass dort unsere „2+2=4“-Mathematik die Grundlage des enormen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts bildet. Ohne diese Mathematik gäbe es keine chinesischen Roboterflüge zum Mond oder japanische zu Asteroiden. Gibt es dort eine Rassismus-Debatte um „white supremacy“? Natürlich nicht. Man bedient sich westlicher zivilisatorischer Leistungen, um selber davon zu profitieren, diese in die eigene Kultur zu integrieren und eine allfällige „white supremacy“ mit eigenen Spitzenleistungen zu brechen.

Eine Herausforderung für den Aktivismus an amerikanischen Hochschulen gegen die „white supremacy“ wird zunehmend die Frage, ob die Asiaten bzw. die asiatisch-stämmigen US-Amerikaner für den Zweck der „white supremacy“-Debatte der weissen Rasse zuzuzählen sind. Sicher ist, dass die Top-Leistungen von Asiaten an amerikanischen Hochschulen auch in einer „2+2=5“-Forschungswelt nicht verschwinden würden.

Fazit: In dieser völlig überzogenen Debatte in den USA geht es in erster Linie um Macht und Einfluss. Es handelt sich um eines der nicht zu übersehenden Signale westlicher Dekadenz. Opfer sind die Qualität der wissenschaftlichen Forschung und der technologische und gesellschaftliche Fortschritt.

Sehen wir im Zoo bald Elefantinnen, Schimpansinnen oder gar GiraffInnen?

Die SRF-Kanäle als eifrigste Missionare der Gendersprache

Auf SRF-Kanälen bin ich nur sporadisch beim Autofahren. Besonders beim Radio SRF2 Kultur pflegt man die gender-gerechte Sprache mit einer missionarischen Konsequenz, die jedes Gefühl für groteske Übertreibungen vermissen lässt. Kürzlich gab es eine Sendung zur Belastung von Grund- und Trinkwasser durch Pestizide. Dort sprach der Moderator von den Wasserversorgern und Wasserversorgerinnen. Mich nähme wunder, wo ich eine Wasserversorgerin besichtigen kann.

Muss man bald die Aufgabe des generischen Maskulinums auch im Tierreich befürchten? Gibt es dann Elefantinnen, Schimpansinnen oder gar GiraffInnen?

Von einem anderen Virus infiziert

Demonstratives Degendering an amerikanischen Hochschulen

In einem Coursera-Kurs über Spieltheorie der Stanford University und der University of British Columbia werden zu Beginn verschiedene Grundarten von strategischen Spielen erklärt.

Dort bin ich auf folgende Textpassage zum Spiel „Battle of the Sexes“ gestossen (Payoff-Matrix unten links mit den roten Kreisen):

Imagine a a couple and they want to go to a movie and they are considering two movies. One of them, a a very violent movie Battle of the Titans, and the other, a very relaxed movie about flower growing, call this B and F. The wife, of course, would prefer to go to Battle of the Titans, and the the husband would prefer to watch flower growing…..

Man beachte in dieser erzwungenen Umkehrung der Gender-Stereotypen das Detail „of course“. Die Frau will natürlich den gewaltgeladenen Film sehen, während der Gatte den Film über das Blumenzüchten vorzieht. Die Umkehrung allein genügt nicht, man stellt sie auch noch als das Normale oder Natürliche dar. Und genau mit einer solchen gesteigerten Umkehrung wirkt das ganze „virtue signalling“ einfach nur noch lächerlich. Der Opportunismus in Sachen „political correctness“ kennt gerade an amerikanischen Hochschulen kaum noch Grenzen. Man kann nur hoffen, dass sich dieser eindeutig nicht-chinesische, sondern nordamerikanische Virus nicht weiter über die ganze westliche Welt ausbreitet. Denn gegen diese infektiöse Krankheit gibt es keinen Impfstoff.

Der weise Molière

„Un sot savant est sot plus qu’un sot ignorant.“

Es ist schon bewundernswert, wie treffend frühere Genies wie der französische Dramatiker, Schauspieler und Theaterdirektor Jean-Baptiste Poquelin, alias Molière (1622-1673) luzide Einsichten in zeitlose Bonmots gegossen haben! Dabei konnte sich Molière bloss auf seine durch persönliche Erfahrung gestützte Intuition berufen. Statistische Daten und Umfragen gab es damals noch nicht. Heute ist das anders.

Hans Roslings Studenten
Der 2017 verstorbene Hans Rosling, Professor für internationale Gesundheit am Karolinska Institutet in Stockholm, trat als Aufklärer mit dem Anspruch auf „let my dataset change your mindset.“ Zu Beginn eines Vortrags auf YouTube schildert Rosling einen Vortest, den er mit seinen Erst-Semester-Studenten gemacht hatte. Er wollte herausfinden, ob er dieser künftigen geistigen Elite überhaupt noch etwas beibringen könne. Die Studenten mussten bei fünf Länderpaaren jeweils das Land mit der höheren Kindersterblichkeit angeben. Die Länderpaare waren so gewählt, dass eines der beiden Länder mindestens die doppelte Sterblichkeit hatte, um statistische Unschärfe auszuschalten. Hier das Ergebnis:

Mit bloss rund 1,8 richtigen Antworten von 5 möglichen lieferten Roslings Studenten ein überaus dürftiges Durchschnittsergebnis. Ein Rudel Schimpansen würde im Durchschnitt 2,5 richtige Antworten liefern. Seine Studenten schienen also „dümmer“ zu sein als Schimpansen. Daraus folgerte Rosling, dass sie durchaus noch etwas zusätzliche Bildung brauchten. Doch was ihm als Lehrender erst später plötzlich wie eine Erleuchtung aufging, war dies: „The problem for me is not ignorance, but preconceived ideas.“

Anders ausgedrückt: Rosling hatte es nicht mit Schimpansen zu tun, sondern mit vorurteilsbeladenen Studenten. Wenn ausgerechnet Studenten – sogar in einem Test, der thematisch ihrem gewählten Studienfach nahe steht – das Resultat von Schimpansen nicht erreichen, muss man sich fragen, ob nicht gerade unter Menschen, die sich für überdurchschnittlich informiert halten, also unter Intellektuellen, zu gewissen Themen besonders starke Vorurteile, herrührend aus unverrückbaren Welt-, Gesellschafts- und Menschenbildern, herumgereicht werden.

Vorurteile schlimmer als Ignoranz
Der Mensch ist das einzige „Tier“, das Vorurteile entwickelt. Vorurteile widerspiegeln durch Verzerrung der Perspektive oft eine zu pessimistische Weltsicht, so wie sie uns von alarmistisch gepolten Medien vermittelt wird. In der moralisch aufgerüsteten Politik von heute ist der „mindset“ wieder wichtiger als der „dataset“, und gegen fest gefügte „mindsets“ helfen auch Sachinformationen wenig.

Man hüte sich davor, zu glauben, gebildete Menschen seien besonders gut informiert. Rosling hat in zahlreichen Wissenstests nachgewiesen, dass selbst Angehörige der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Elite schlechter abschneiden als ein Rudel Schimpansen. Der prominente US-amerikanische empirisch argumentierende Moralphilosoph Jonathan Haidt sagt, intelligente bzw. gebildete Menschen, die sich selbst für besonders gut informiert hielten, seien bloss geschickter in der Begründung ihrer Vorurteile als andere. Die Verlagerung einer Debatte von der Sach- auf die Gesinnungsebene gehört zu den bevorzugten Argumentationsmustern der Intelligenzia. Bei der Moralisierung vieler Gesellschaftsfragen spielen höhere Bildungsinstitutionen eine wichtige Rolle.

So ist es auch nicht überraschend, dass die Stimmenden mit Hochschulabschluss dem Energiegesetz als Einstieg in die auf Illusionen gründende schweizerische „Energiewende“ im Mai 2017 mit dem höchsten Anteil an Ja-Stimmen (70 Prozent) aller Bildungsschichten zugestimmt hatten. Das wichtigste Motiv der Zustimmung war gemäss VOTO-Analyse der „Atomausstieg“, verschärft um ein Verbot des Baus neuer AKW. Die einseitige links-ideologische Prägung der zahlenmässig gewichtigen Geistes- und Sozialwissenschaften sowie gewisser anderer Fachrichtungen (Medizin/Pharmazie, Biologie) trug stark zu diesem Ergebnis bei.

In unserer Gesellschaft wird gerne die Sphäre der Politik, wo jede Meinung gleich viel gilt (eine Person, eine Stimme), mit der Sphäre des Wissens vermischt. In der Wissenssphäre gilt das demokratische Prinzip zum Glück eben gerade nicht. Doch diese Einsicht scheint in unserer meinungsmachenden Elite noch nicht überall angekommen zu sein. Vielleicht ist das dem direktdemokratischen „mindset“ geschuldet, weil wir über so viele Dinge als Gleichberechtigte abstimmen können.

Schon Charles-Maurice de Talleyrand (1754-1838), französischer Staatsmann, Diplomat, notorischer Zyniker und Grossmeister treffender Bonmots, beklagte: „En politique, ce qui est cru devient plus important que ce qui est vrai.“ Viel hat sich seither offenbar nicht geändert.

Mozart spielen – darf sie das?

Die Pianistin Claire Huangci ist US-Amerikanerin, aber biologisch eine Chinesin. Sie hat chinesische Eltern. Darf eine biologische Chinesin Mozart, Inbegriff europäischer klassischer Musik spielen? Ist das politisch korrekt oder haben wir es hier mit dem Vergehen der „cultural appropriation“ zu tun, also mit einer Art Diebstahl eines europäischen Kulturgutes durch eine Asiatin?

Dumme Fragen, ist wohl die spontane Reaktion. Aber das Interessante an diesen Fragen ist zunächst mal die Tatsache, dass „cultural appropriation“ nur dann als moralisch verwerflich gilt, wenn europäisch-stämmige „weisse Suprematisten“ sich Kulturgüter von historisch diskriminierten Ethnien aneignen. Pikant ist auch die Tatsache, dass „cultural appropriation“ ein Vorwurf ist, den sich progressive europäisch-stämmige Weisse, vor allem die US-amerikanische Critical-Whiteness-Bewegung, aus einer Art historischem Schuldgefühl selber machen.

In der umgekehrten Richtung stört sich niemand an der Aneignung fremder Kultur, ganz im Gegenteil. Wir Europäer sind stolz darauf, dass unsere klassische Musik auf allen Kontinenten dieser Welt von Angehörigen unterschiedlichster Ethnien gespielt wird – die einzige wahre Weltmusik. Und wie auf vielen Gebieten sind auch dabei asiatische weibliche und männliche Repräsentanten herausragend. Die asiatischen Musiker stört es überhaupt nicht, sich mit der hingebungsvollen Interpretation klassischer europäischer Musik dem Vorwurf auszusetzen, sie förderten damit die „white supremacy“.

Mein allgemeines Fazit lautet: In asiatischen Ländern misst man sich leistungsmässig an der westlich-europäischen Zivilisation. Sie dient als Massstab und Herausforderung, mehr zu leisten, um diese zu übertreffen. Deshalb gibt es in Asien keine „white supremacy“-Debatte. Man traut sich zu, die „white supremacy“ zu brechen. Auf diesem Weg sind einige asiatische Länder schon recht weit fortgeschritten.

Abstimmungssonntag in der Musterdemokratie

Ein längerer Kurzkommentar

Sind nun in der Schweiz auch Schwule und Lesben eine Rasse? Die Vorlage lief ja bekanntlich unter dem Titel „Ausweitung der Rassismusstrafnorm“, und sie fand im Volk eine Mehrheit. Dabei haben wir bereits ein Diskriminierungsverbot in der Verfassung. Doch steter Tropfen höhlt den Stein, und das wissen unsere professionellen Moralisten aus dem linken politischen Lager natürlich, wenn sie ihre progressiven Projekte unermüdlich vorantreiben. Und sie wissen auch, dass der Widerstand gegen ein solches Anliegen riskant ist. Denn es droht sofort der Vorwurf der Homophobie sowie der einer rückständigen Gesinnung. Was eine fortschrittliche Gesinnung ist, bestimmen diese professionellen Moralisten, und die meisten Medien machen bei dieser Gehirnwäsche mit.

Bei der zweiten Vorlage ging es um eine linke Volksinitiative für „mehr bezahlbaren Wohnraum“, ausgerechnet in einer Zeit, da die Leerwohnungsziffern fast überall deutlich gestiegen sind. Es sollten flächendeckend schweizweit sogenannte gemeinnützige Wohnbauprojekte, also von Wohnbaugenossenschaften, gefördert werden, um in allen Gemeinden einen Mindestanteil von 10 Prozent gemeinnützig erstellter Wohnungen zu erreichen. Das Anliegen ist unter dem linken Lieblingsslogan „Wohnraum dem Markt entziehen“ zu klassifizieren. Die kontraproduktiven Wirkungen einer Politik der Vergenossenschaftlichung des Wohnungsmarktes bzw. staatlicher und gerichtlicher Interventionen, nicht selten in extremer Auslegung der „Kostenmiete“, können in grossen Städten wie Genf oder Zürich gut beobachtet werden.

Da die Initiative immerhin knapp über 40 Prozent JA-Stimmen erzielte, behauptete der SRF-Bundeshausredaktor am Radio, die Initiative sei für die Initianten trotz der Ablehnung doch ein Erfolg. Sie habe deutlich über das linke Wählerpotenzial von rund 30 Prozent hinaus Zustimmung erhalten. Leider hat der Journalist unseres Staatsradios noch zu wenig über Abstimmungsarithmetik nachgedacht. Es ist nämlich ziemlich sicher, dass die Initiative im Lager der Initianten, also bei Rot-Grün, viel mehr mobilisierte als bei den übrigen Parteien. Mit anderen Worten: Die höhere Stimmbeteiligung im linken Lager sorgte für das Ergebnis. Ich bin überzeugt, dass die VOTO-Analyse dies betätigen wird.

Des weiteren behauptete der SRF-Radiomann, es habe einen Stadt-Land-Graben gegeben. Auf dem Land, wo es genügend Wohnungen gebe, sei die Initiative abgelehnt worden. Dagegen habe zum Beispiel Basel-Stadt deutlich zugestimmt. Ja ist das denn ein Wunder, wenn doch alle grossen Städte politisch klar rot-grün ticken! Es gibt also primär einen Links-rechts-Graben, der sich dann auch in einen Stadt-Land-Graben übersetzt.

Demokratie gleich Populismus

Von der Leyen: „Die Menschen sind auf unserer Seite

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist überzeugt, dass die Menschen in Europa hinter ihrem „Green Deal“ zur Dekarbonisierung der EU stehen. „Die Menschen sind auf unserer Seite“, sagte sie gemäss NZZ. Worauf stützt sich vor der Leyen bei dieser Aussage? Gibt es dazu EU-weite Umfragen? Oder gar Volksabstimmungen? Und selbst wenn, wüssten die Menschen dann, worauf sie sich über die nächsten 30 Jahre konkret einlassen?

Dieser Text erschien als Kolumne in der NZZ vom 14. Februar 2020.