Symbolische Signale grüner Politik

In Deutschland protestieren grüne Politiker gerade gegen den Ausbau von Autobahnen im Rahmen der geplanten umfassenden Erneuerung der Infrastruktur. Autobahnen sind in der politischen Theologie der Grünen Symbole der Klimaschädigung. Und sie sollen es wohl auch bleiben, obwohl ganz zuvorderst die Grünen der e-Mobilität das Wort reden.

Mit einer landesweiten Aufrüstung mit e-Autos wäre eigentlich der Ruf der Autobahnen als „Klimakiller“ immer weniger berechtigt. Trotzdem halten die deutschen Grünen an der Ablehnung des Autobahnausbaus fest – aus zwei Gründen. Erstens wissen auch sie, dass der deutsche oder auch der europäische Strommix noch auf Jahre hinaus fossile Produktionsanteile enthält. Man ist noch weit entfernt von einer klimaneutralen bzw. CO2-freien Stromversorgung. Und dann ist da auch noch der französische „Atomstrom“, der den deutschen Strommix für die fundamentalen grünen Kernenergiegegner gelegentlich verunreinigt.

Der zweite Grund hat mit den Eigenheiten der politischen Kommunikation zu tun. Die meisten Menschen haben andere Interessen als sich eingehend und sachgerecht über die Fakten und Zusammenhänge zu informieren, die klima- und energiepolitisch wichtig sind. Darauf bauen die Grünen sehr geschickt, denn sie wissen: zur Mobilisierung von Menschen braucht es eingespielte Signale, die bei den Empfängern kein langes Nachdenken erfordern, jedoch Plausibilität vorgaukeln und an das gute Gewissen appellieren.

Genau diesen Rückgriff auf symbolische Signale sieht man auch bei den militanten Klimaaktivisten, die es bei Protestaktionen in Städten auf SUVs abgesehen haben. Völlig unabhängig von tatsächlichen Verbrauchs- und Emissionsvergleichen sowie von denkbaren ökologischen Vorteilen solcher Autos im praktischen Einsatz, gilt in der grünen Welt der SUV als Symbol der Klimazerstörung.

12 Sekunden grün

Zu den menschengemachten Staus vor den Portalen des Gotthard-Strassentunnels

Am Donnerstag, 29. September, meldete Radio SRF1 vor den Mittagsnachrichten je 4 km Stau vor dem Süd- und dem Nordportal des Gotthard-Tunnels – eine Meldung, die inzwischen wie alltägliche Normalität zur Kenntnis genommen wird. Dabei kamen noch vor wenigen Jahren solche Staus an normalen Werktagen nur ausnahmsweise bei Unfällen oder Pannen vor. Mein intuitiv-statistisches Urteil dazu basiert auf einer 12-jährigen Erfahrung. Ich bin zwischen Juli 2010 und September 2022 jedes Jahr gegen zehn Mal in mein Ferienhaus im Piemont gefahren. Die Dynamik des Stauwachstums am Gotthard habe ich gleichsam am lebendigen Leib erfahren.

Dass die gesamtschweizerische Staudynamik von den Verfechtern einer gesteuerten Zuwanderung aufgegriffen wird, kann nicht überraschen. Wie gross der Beitrag des zunehmenden Dichtestresses am Gotthard ist, dürfte schwierig abzuschätzen sein. Studien dazu sind mir nicht bekannt. Nun habe ich aber bei meiner jüngsten Fahrt zurück aus dem Piemont meine eigene Studie gemacht. Sie war ganz einfach aus dem im Stau stehenden Auto zu erledigen. Ich mass mit meinem Handy die Grün- und die Rotphase vor der ersten Tropfenzähler-Ampel vor der Tunneleinfahrt am Südportal.

Die Ampeln blieben genau 12 Sekunden auf grün. Und nach der kurzen Orangephase wartete man bei Rot fast eine halbe Minute – genau waren es 29 Sekunden – auf den Wechsel zu grün. Man kann sich leicht vorstellen, wie wenige Autos in der Grünphase Richtung Tunneleinfahrt passieren konnten, von Lastwagen mit ihrer trägen Beschleunigung ganz zu schweigen. Meine Grobschätzung: zwei Lastwagen und sechs Personenwagen pro Grün-Rotphase (ca. 45 Sekunden). Eine zweite Grobschätzung: Mit einer derart restriktiven Tropfenzähler-Einstellung wird die mögliche Kapazität des Tunnels höchstens zu einem Drittel, wahrscheinlich sogar weniger, genutzt.

Natürlich haben die Tessiner und die Urner Polizei (oder wer immer diese Grün-Rot-Phasen bestimmt) das unangreifbare Argument der Verkehrssicherheit stets auf ihrer Seite. Allerdings stellt sich beim Gotthard-Paradox die Trade-off Frage immer akuter. Wenn bei zunehmendem Verkehr der Tropfenzähler immer restriktiver eingestellt wird (Paradox) und die Staus wachsen und zum alltäglichen Ärgernis werden, verändert sich auch der Trade-off zwischen Verkehrssicherheit im Tunnel und den zunehmenden Staukosten. Irgendwann kippt die Rechnung, und die Staukosten (inklusive Mehrausstoss an CO2 und psychischem Stress) werden schlicht so hoch, dass die Tunnelkapazität aus einer übergeordneten Perspektive wieder erhöht werden muss.

Fazit: Den Dosierungs-Entscheid am Gotthard kann man nicht einfach einer Stelle überlassen, für die die Verkehrssicherheit im Tunnel das einzige Kriterium darstellt. Eine solche Stelle nimmt extrem hohe Staukosten in Kauf, um bei schlimmen Unfällen im Tunnel dem Vorwurf zu entgehen, sie habe für die Verkehrssicherheit zu wenig unternommen.

Dieser Text erschien, minim redigiert, in der Weltwoche, Ausgabe 41/2022 vom 13. Oktober 2022

Nachgeplapperte Abstimmungspropaganda

Zur VOTO-Nachbefragung zum Referendum gegen das CO2-Gesetz

In der VOTO-Nachbefragung zur Volksabstimmung vom 13. Juni über das CO2-Gesetz haben viele Befragte als Grund für ihr Nein die Sorge vor höheren Benzinpreisen angegeben. Damit wiederholten sie einfach wörtlich das simpelste Argument, das ihnen die Abstimmungspropaganda der Gegner des Gesetzes in nervtötender Wiederholung geliefert hatte. Das ist natürlich Schwachsinn, wenn man denkt, dass es um maximal 12 Rappen/l ging.

Hat vielleicht jemand von denen auch daran gedacht wie stark der ohnehin volatile Benzinpreis in den letzten Monaten und Jahren angestiegen ist? Letztes Jahr lag der Durchschnittspreis für Bleifrei 98 bei gut CHF 1.50. Heute sind wir bei rund 1.80. Hat jemand protestiert? Nicht dass ich wüsste. Die Schweiz hatte früher im europäischen Vergleich klar unterdurchschnittliche Benzinpreise (Phänomen Tankstellen-Tourismus). Heute liegt der schweizerische Preis bereits auf dem Niveau von Italien und Deutschland, für Diesel darüber.

Wir haben mit staatlichen Abgaben von über 80 Rappen pro Liter längst Lenkungssteuern auf Benzin, nur heissen sie halt Mineralölsteuer, Mineralölsteuerzuschlag und Mehrwertsteuer. Wenn die staatlichen Abgaben fast die Hälfte des Preises betragen, kann man sicher sein, dass sie eine Lenkungswirkung erzielen. Ökonomisch gesehen ist es egal, mit was für einer politischen Zweckbindung sie versehen sind.

Was von den NEAT-Versprechungen übrig bleibt

Vom Segen der Vergesslichkeit des Stimmvolks

Hier ein aktuelles SBB-Plakat zur Eröffnung des Ceneri-Basistunnels:

Die Strecke Zürich-Lugano misst etwas weniger als 200 km. Die durchschnittliche Geschwindigkeit beträgt also rund 100 km/h. Das hat mit Hochgeschwindigkeit nicht einmal in einem kleinen Land wie der Schweiz viel zu tun.

Das ursprüngliche NEAT-Konzept war nicht als Teil einer Art nationaler S-Bahn für die Rentnergesellschaft mit GA gedacht, welche auf wichtigen Strecken die Züge für den Berufsverkehr verstopft. Sondern als Teil des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes und als Projekt der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Dass dieses zweite Ziel nicht erreicht wurde, ist nicht nur Deutschland und Italien wegen dem verzögerten Ausbau der Anschlüsse an den Grenzen anzulasten. Die Schweiz trägt ebenso Verantwortung mit der Amputation bzw. Verzögerung von Teilen des Gesamtkonzepts.

Ein Grundthema bei solchen Grossprojekten, speziell wenn sie Volksabstimmungen unterliegen, sind immer wieder beschönigende Kostenschätzungen, die später dazu zwingen, Teilprojekte zu streichen oder um x Jahre zu verschieben, auch wenn sie den ursprünglichen Zweck des ganzen Projekts untergraben. Dazu gibt es vom Bahnexperten Dr. Hanspeter Vogel eine ausführliche Analyse auf dem Blog des Carnot-Cournot-Netzwerks.

Fliegen wie früher?

Spekulationen über Corona-Effekte für Flugreisen

In einer der Sonntagszeitungen spekulierte ein Journalist über die wahrscheinlichen Folgen der COVID19-Krise auf die Fliegerei. So einfach wie halt in den Medien immer wieder mal über ökonomische Phänomene geschrieben wird, meinte der Autor des Beitrags, wenn die Flugzeuge künftig viel weniger dicht mit Sitzreihen belegt werden könnten, dann hätten vielleicht nur noch halb so viele Personen Platz. Das würde heissen, dass sich die Flugtarife wohl ungefähr verdoppeln müssten. Weitere Überlegungen über die möglichen Anpassungsprozesse aller Art fehlten.

Die erste logische Frage, die sich sofort stellt, betrifft die Reaktion der Nachfrage auf den Versuch von Fluggesellschaften, ihre Preise massiv zu verteuern. Der Effekt auf die Nachfrage nach Geschäftsflügen wäre wohl dank tieferer Preiselastizität weniger ausgeprägt als bei Ferienreisenden. Selbstverständlich könnten sich bei verdoppelten Preisen viele Leute Ferienreisen mit Flug nicht mehr leisten. Denkbar wären dann Preissenkungen bei nicht mehr ausgelasteten Hotels, die auf Flugreisende angewiesen sind, um Kombiangebote genügend attraktiv zu halten. Auch die Flughafengebühren dürften bei weniger Verkehr sinken.

Die zweite Frage stellt sich auf der Angebotsseite: Sind doppelte bzw. massiv höhere Preise durchsetzbar? Angesichts der bereits bestehenden und absehbar stark wachsenden Überkapazitäten im internationalen Flugreisegeschäft bezweifle ich stark, dass unter den Anbietern eine Art konkludentes Verhalten über die Preisgestaltung erzielt werden kann. Gerade haben wir als Muster einen gescheiterten Versuch der Ölpreisstützung erlebt. Viel wahrscheinlicher ist ein ruinöser Wettbewerb mit zunehmender Beanspruchung von Staatsgeldern für die „nationalen Fluggesellschaften“. Wie sehr die weltweiten Strukturen der Branche politisiert sind, zeigt das endlose Theater um die Rettung der maroden Alitalia. Trotz Subventionsverbot in der EU wurde die Alitalia seit Jahren mit inzwischen rund 10 Mrd. Euro Staatshilfe über Wasser gehalten. Und zu guter letzt wird Alitalia nun vom Staat übernommen, um die Arbeitsplätze zu retten und eine nationale Fluglinie um jeden Preis auf Kosten eines bereits massiv überschuldeten Staates zu erhalten.

Fliegen wie früher – zu höheren Preisen und mit viel mehr Platz – bedeutete allerdings eine massive Aufwertung der Reisequalität. In einem heutigen 11-stündigen Swiss-Langstreckenflug, zum Beispiel nach oder von Tokio, sollte man, in der Economy-Klasse eingeklemmt, sehr gut aufpassen, dass einem nichts zu Boden fällt. Es ist in den engen Sitzreihen beinahe unmöglich, das Ding wieder aufzuheben.

Ob dieser klaustrophobisch gewordenen Fliegerei erinnert sich der ältere Flugreisende an frühere paradiesische Zustände. In den 1970er-Jahren untersuchte ich als Mitarbeiter von Swissair die Streckenwirtschaftlichkeit von Europaflügen. Die damaligen Tarife (eine Mischung zwischen IATA-Kartell-Tarifen und Absegnung durch das geradezu Swissair-hörige Eidg. Luftamt) waren so hoch, dass eine DC9 mit 110 Sitzen für einen Flug nach Salzburg nur zu einem Viertel ausgelastet sein musste, um die variablen Kosten zu decken. Auf meinen regelmässigen Geschäftsflügen nach Salzburg zu Beginn der 1980er-Jahre war der Flieger bei weitem nie voll, und man konnte sich seinen Sitzplatz praktisch jedes Mal aussuchen. Aber dieser Kurzstreckenflug kostete ab Zürich rund 700 Franken – damalige Franken, versteht sich.

Die Massen-Billigfliegerei hat inzwischen die Erwartungen des Publikums so konditioniert, dass eine Rückkehr zu früheren Flugtarifen als unsozial und inakzeptabel verurteilt würde. Dabei könnte man dann auf eine CO2-Besteuerung verzichten. Allerdings ist eine Verteuerung von Flugreisen mit dem Argument des Klimaschutzes im breiten Publikum wohl am ehesten durchsetzbar.

Nächster Akt im Trauerspiel SBB Cargo

Eine politisierte SBB Cargo, so wie sie heute besteht, wird auf Dauer nicht in der Lage sein, im harten Wettbewerb des liberalisierten internationalen Güterverkehrs zu bestehen. Gemäss „Handelszeitung“ belief sich der Verlust von SBB Cargo 2017 auf sage und schreibe CHF 245 Mio. Und das ist kein einmaliger Ausrutscher, sondern SBB Cargo schrieb schon in früheren Jahren rote Zahlen. Ob die Jahresabschlüsse zudem die wahren Verhältnisse spiegeln, darf bezweifelt werden. Zu eng sind die Beziehungen zwischen SBB und der Division SBB Cargo. Und zu gross ist der politische Druck, um der Versuchung zu widerstehen, die Dinge eher zu beschönigen.

Gegen linken gewerkschaftlichen Widerstand, zum Teil noch typisch schweizerisch garniert mit föderalistischen Rücksichtnahmen, war die Politik nicht bereit, die SBB-Division in die wirtschaftliche Eigenständigkeit zu entlassen, als der Eisenbahn-Güterverkehr international liberalisiert wurde. Es ist bezeichnend, dass SBB Cargo immer noch als Division der SBB, und nicht als Tochter, geführt wird. Einen solch kleinen Schritt zu mehr Selbständigkeit, sei es im öffentlichen Verkehr oder bei Spitälern im Gesundheitswesen , bekämpft die Linke jeweils sofort mit dem Schlagwort „Privatisierung“. Fakt ist, dass der Ballast der „Service-Public“-Ideologie und gewerkschaftliche Widerstände gegen strukturoptimierendes striktes Kostenmanagement bisher das politisch gesetzte Ziel der Eigenwirtschaftlichkeit von SBB Cargo zu einer „mission impossible“ machten.

Schon vor Jahren warnte der damalige SBB-Präsident Ulrich Gygi, SBB Cargo werde ohne mehr unternehmerische Freiheit nie nachhaltig eigenwirtschaftlich operieren und forderte vergeblich eine Teilprivatisierung von SBB Cargo. Die Politik wollte es weiterhin anders. Es brauchte nochmals tiefrote Zahlen und Warnungen von früheren SBB Cargo-Leitern. Diese sagten gemäss „Handelszeitung“, SBB Cargo werde ohne eine klar privatwirtschaftliche Ausrichtung nie nachhaltige Gewinne erzielen können.

Die Politik diskutiert jetzt eine typisch eidgenössische halbherzige Lösung wie bei der Swisscom, nämlich eine nicht ganz halbe Privatisierung durch Beteiligung privater Aktionäre. 51 Prozent der Aktien sollen bei den 100-prozentig staaltichen SBB verbleiben. Im Gespräch sind „Ankerkunden“ wie der Zementkonzern Holcim und die orangen Detailhandelsriesen Coop und Migros. Aktionäre, die gleichzeitig die grössten Kunden sind –  das ist ja wohl kaum die beste Lösung. Sicher nicht, um andere Aktionäre für eine Beteiligung zu gewinnen.

Fazit: Die anhaltende Politisierung wichtiger Branchen (Verkehr, Strom, Post, Telekom, Medien…) unter linkem und föderalistischem Druck kommt Steuerzahler und Konsumenten teuer zu stehen. Weil alles so intransparent ist, merken sie nicht viel davon. Oder sie finden es gut, oft nach dem Motto „Geld bleibt hier“. Auf jeden Fall kriegen sie im Gegenzug viel „idée suisse“ und die Gewissheit, dass sich in diesen Branchen keine „Abzocker“ auf unsere Kosten bereichern können…

Verkehrte Verkehrspolitik

Der Dresdner Verkehrswissenschaftler Prof. Matthias Klingner forderte jüngst in einem Interview in der Zeitung „Dresdner Neueste Nachrichten“ eine ideologiefreie Debatte über Schadstoffe wie Feinstaub und Stickoxyde durch den Autoverkehr. Was Klingner für Deutschland fordert, gilt auch für die Schweiz, wo die Verkehrspolitik ebenso ideologisch aufgeladen ist wie in Deutschland. Das Interview müsste eigentlich für unsere verkehrspolitischen Entscheidungsträger Pflichtlektüre sein, das rot-grün eingefärbte Stimmvolk in den grösseren Städten eingeschlossen.

Eine Stelle im Interview zu einer vernünftigen, mit empirischen Erkenntnissen kompatiblen Politik zur Senkung der Schadstoffe aus dem Autoverkehr in Städten ist besonders interessant:

„Verkehrsverflüssigung bringt beispielsweise sehr viel. Dagegen würde ein generelles 30 km/h-Tempolimit in der Stadt sehr viel mehr Schadstoffe verursachen. Die optimale Auslegung der Motoren liegt an den Arbeitspunkten 50 und 120 km/h.“

Und was tun unsere rot-grün regierten grösseren Städte, Zürich ganz besonders? Genau das Gegenteil. Mit vielen Hindernissen  –  dazu gehören auch die unzähligen Fussgängerstreifen, wo die Leute oft tröpfchenweise hinüberspazieren  –  wird der Verkehrsfluss dauernd unterbrochen. Und die Tempo 30-Zonen werden sukzessive ausgeweitet. Gemäss Klingner ist die offizielle Schadstoff-Politik wirkungslos bis kontraproduktiv, weil sie wissenschaftliche Erkenntnisse missachtet. Die Debatte ist inzwischen derart moralisch-ideologisch aufgeladen, dass sich nicht einmal mehr die Autoindustrie gegen diese Grenzwert-Politik wehrt. Offenbar fürchtet man dort das Reputationsrisiko, umso mehr nach all den Abgas-Manipulationen..

SP-Wermuths Wohltaten: Gratis-ÖV

Nach dem üblichen Muster linker Politik fordert der Wortführer der SP Aargau, „Polit-Star“ Cédric Wermuth, im Kanton Aargau den Gratis-ÖV, finanziert durch Steuergelder „von den Reichen“, von Unternehmen und aus der Strassenkasse (Bericht im „Blick am Abend“ vom 7. März 2016). Dies ist nur eine der zündenden Ideen aus dem langen Forderungs-Katalog der SP, mit dem man hofft, bei den bevorstehenden Wahlen zu punkten. Mit dem Geld der Anderen Umwelt- und Umverteilungspolitik zu machen, gehört seit eh und je zur Strategie linker Parteien. Deren Kader und Anhänger führen sich als eine Art Intermediäre der Umverteilung auf  –  zwischen denen oben und den unteren Schichten oder zwischen Strassenbenützern und ÖV-Kunden. Nicht selten gehören sie selbst zu den Profiteuren solcher Umverteilung, zum Beispiel als überzeugte hochsubventionierte ÖV-Nutzer (mittlerer Kostendeckungsgrad durch Billet-Preise unter 50 Prozent). Oder in der Wohnbaupolitik rot-grün regierter Städte mit deren Subventionspolitik für „bezahlbaren Wohnraum“, etwa zugunsten von genossenschaftlichen Wohnprojekten. „Sich von den Anderen die Wohnung subventionieren lassen, ist nicht sozial“, hiess es dazu kurz und bündig in der NZZ.

Ganz abgesehen von diesen seltsamen Auffassungen von sozialer Gerechtigkeit wäre ein Verzicht auf Preise für die Nutzung des ÖV im Lichte des bereits kläglichen Kostendeckungsgrades ein Schritt in die genau falsche Richtung. Kostenwahrheit im Verkehr muss auch für den ÖV gelten. Und mit 0-Preisen auch noch zu suggerieren, der ÖV sei ökologisch in jedem Falle die bessere Lösung als der motorisierte Individualverkehr, verdrängt schlicht und einfach die dynamischen Wirkung eines Gratis-Angebots im ÖV. Mobilität soll nicht noch mehr angeheizt werden, sondern im Verkehrssystem (inklusive Strassen) müsste möglichst strikt das Verursacherprinzip durchgesetzt werden, indem sich die relativen Knappheiten der Nutzung der Verkehrsträger in den Preisen spiegeln. Mit der milliardenschweren Subventionierung von Mobilität haben wir in den letzten Jahrzehnten die Zersiedelung des Landes bereits so weit vorangetrieben, dass eine föderalistisch geschwächte Raumplanung nur noch versuchen kann, die schlimmsten Auswüchse zu verhindern. Das Gebot der Stunde ist nicht der Gratis-ÖV, sondern ganz im Gegenteil die Annäherung an Verursacherprinzip und Kostenwahrheit.

„Catch-22“ vor der Gotthardröhre

Nicht immer geht es in volldaneben.ch direkt um ökonomisch Fragwürdiges bis Unsinniges. Heute gibt es eine verkehrspolitische Seldwylerei zu kommentieren, die allerdings auch einen volkswirtschaftlichen Aspekt hat, nämlich die enormen Staukosten am Gotthard (NZZ am Sonntag vom 27. Juli 2014: „Am Gotthard staut es nun schon täglich“).

Der Alpenschutz-Artikel, der 1994 aufgrund der Alpen-Initiative in die Bundesverfassung gelangt ist, verbietet einen Ausbau der Strassenkapazität am Gotthard. Das Nadelöhr der einen Tunnelröhre mit Gegenverkehr ist diesem Volksentscheid zu verdanken. Man hoffte, mithilfe der Schwerverkehrsabgabe den Schwerverkehr mehrheitlich auf die Schiene verlagern zu können, was sich inzwischen als grosse Illusion entpuppt hat.

Nun ist genau das passiert, was in einem Tunnel mit Gegenverkehr zu erwarten ist. Zahlreiche Unfälle mit mittlerweile Dutzenden von Toten haben die Warnung von Experten bestätigt: „Eine Katastrophe im Gotthard-Strassentunnel ist programmiert“. Wikipedia ist zu entnehmen: „Zwischen 1980 und Ende 2004 ereigneten sich insgesamt 875 Unfälle mit insgesamt 30 Toten, der schwerste davon am 24. Oktober 2001, als es durch den Zusammenstoss zweier Lastwagen zu einer Brandkatastrophe im Tunnel kam. Elf Menschen starben bei dem Unglück. Der Tunnel war danach zwei Monate lang wegen Sanierungsarbeiten geschlossen…“

Seitdem wird aus Sicherheitsgründen für Lastwagen und ab einer bestimmten Dichte des Verkehrs auch für Personenwagen ein Tropfenzähler-System benützt, das mit Verkehrsampeln vor den Tunnelportalen Nord und Süd den Verkehrsfluss steuert. Aufgrund einer eigenen Berechnung schätze ich, dass damit die Tunnelkapazität im Vergleich zum Zustand ohne Unterbrechung des Verkehrsflusses um zwei Drittel bis drei Viertel herabgesetzt wird.

Ein solcher Zustand war natürlich mit der Begrenzung der Tunnelkapazität gemäss Alpenschutz-Artikel nicht vorgesehen. Nicht nur in Bezug auf das Verlagerungsziel beim Schwerverkehr befindet man sich heute also im Bereich der Illusionen, sondern auch die Kapazitätsausnützung des Tunnels hat mit der ursprünglichen Idee der Kapazitätsbegrenzung nichts mehr zu tun. Nicht der Tunnel begrenzt die Kapazität, sondern der Zwang zu Sicherheitsmassnahmen in einem Tunnel mit Gegenverkehr nach den voraussehbaren schweren Unfällen.

Paradox an der Situation ist, dass man ausgerechnet dann, wenn der Verkehr dichter wird und möglichst die volle Tunnelkapazität gebraucht würde, den Tropfenzähler einschalten muss. Mit einer einzelnen Tunnelröhre bleibt man ewig in dieser „catch-22“-Falle gefangen. Dabei wäre auch mal die Frage zu stellen, wie die Ökobilanz der heutigen Zustände mit den bald endemischen Staus aussieht.

Fazit: Wie man unter solchen Umständen noch gegen den Bau einer zweiten Tunnelröhre – mit je einer Fahrspur pro Tunnel – argumentieren kann, lässt sich nur ideologisch begründen.

Velostadt Zürich? Die Trams müssen weg!

Genau heute vor zehn Jahren, am 30. Juni 2004, landete ich als regelmässiger Stadtvelofahrer beim Toblerplatz in Zürich bäuchlings auf den Tramschienen, zum Glück mit Helm auf. Eine Autofahrerin hatte meinen Vortritt missachtet und fuhr mir ins Vorderrad. Am 21. Mai landete auch die Zürcher SP-Stadträtin und Velofahrerin Claudia Nielsen jäh auf dem Pflaster und verletzte sich dabei ziemlich schwer. Offenbar spielten auch hier Tramschienen eine Rolle, jedoch als Ursache des Sturzes. Man könnte dies als warnendes Signal des Schicksals deuten, doch trotz allem will Frau Nielsen mit ihrer Partei zusammen mit den Grünen Zürich zur Velostadt umbauen. Das geht allerdings nur mit Gewalt, denn es gibt für Velofahrer kaum eine ungeeignetere grössere Stadt als Zürich. Das hat aber nur beschränkt mit den vom Stadtrat ungeliebten Autos zu tun, sondern damit, dass wesentliche Voraussetzungen für eine echte Velostadt à la Kopenhagen oder Berlin einfach fehlen:

1. Zürich ist allein schon von Natur aus, d.h. topografisch mit den vielen Steigungen, zu anspruchsvoll für zahlreiche Möchte-gern-Velofahrer(innen).

2. Zürich ist dörflich eng gebaut, also hat es einfach zu wenig Platz für alle Verkehrsteilnehmer, besonders wenn diese auch noch alle auf gleicher Ebene verkehren. Das Zürcher Stimmvolk hat vor rund 50 Jahren ein U-Bahnprojekt ein für alle Mal begraben, also hat man den Grossteil des öffentlichen Kollektivverkehrs oberirdisch. Besonders kritisch für Velofahrer sind und bleiben die Tramschienen, welche die ganze Stadt durchziehen. Bei Regen und Schnee potenziert sich das Sturzrisiko.

3. Nicht nur der Strassenraum ist eng, auch die Trottoirs sind viel schmaler als in richtigen Grossstädten. Einfach ein gelbes Velosymbol auf die Trottoirs zu pinseln, ist natürlich Unfug, weil dann die Konflikte zwischen Fussgängern und Velofahrern programmiert sind.

4. Der Strassenbauperfektionismus treibt in Zürich die üblichen schweizerischen Blüten mit all den holprigen Rändern, Rillen, Schwellen und sonstigen Behinderungen der freien Fahrt. Und es gibt kaum eine Strecke in Zürich, wo man nicht alle 50 Meter abbremsen oder anhalten muss.

All dies führt dazu, dass Velofahren in Zürich generell gefährlich ist, permanent die volle Aufmerksamkeit erfordert und einem Hindernisparcours gleicht. Man fahre mal testweise zum Beispiel vom Gebiet des Seebads Uto die völlig flache Strecke zum Technopark im Kreis 5!

Wenn nun der Stadtrat meint, man könne unter solch schlechten Voraussetzungen aus Zürich eine Velostadt dekretieren, dann geht das nur mit massiven Eingriffen und entsprechend hohen Kosten  –  allerdings mit geringer Aussicht auf Erfolg. Besonders zweifelhaft ist schliesslich die Verbreitung eines moralisierenden Klimas, das Velofahrer(innen) einen Heiligenschein aufsetzt. Diese Heiligsprechung hat dazu geführt, dass in Zürich die Mehrheit der Velofahrer(innen) fundamentale Verkehrsregeln fast immer ungestraft missachten kann. Vor einigen Tagen kontrollierte nun die Stadtpolizei wieder einmal. Innerhalb von zweieinhalb Stunden missachteten 70 Velofahrer das Rotlicht, und 13 fuhren auf dem Trottoir!

Frau Nielsen wünsche ich weiterhin gute Genesung.