Armee und Schuldenbremse zum Dritten

Warum die ausserordentliche Aufrüstung der Armee nicht unter die Schuldenbremse gehört

Lohnt es sich, nochmals auf diesem Thema herumzureiten? Ich hatte mich ja angesichts des endlosen Gerangels um höhere Militärausgaben schon vor Monaten in den Medien dazu geäussert, so in der NZZ im Dezember 2023 und in der Weltwoche im Februar 2024. Die jüngste Debatte im Parlament um die Erhöhung der Verteidigungsausgaben bzw. der Rüstungskredite im Budget 2025 um gut eine halbe Milliarde Franken veranlasst mich aber, nochmals nachzulegen.

Die Armee erst unter dem Druck eines unerwarteten Ereignisses im Krisenmodus wieder funktionstüchtig machen zu wollen, ist an Kurzsichtigkeit kaum zu überbieten. Es ist bestimmt nicht sinnvoll, die Ausrüstung und den Unterhalt der Armee von den Launen kurzfristiger Veränderungen abhängig zu machen. Kurzfristig heisst hier, in historischen Dimensionen gedacht. Wenn die grossen Widersacher der westlichen Kulturwelt in geschichtlichen Zeiträumen denken, tun wir gut daran, wenn wir es auch tun. Allerdings fällt dies den demokratischen Ländern schwer, weil die Bevölkerungen durch die wohlfahrtstaatliche Milderung von Härten aller Art nicht auf Verzicht konditioniert sind.

Kostenloser NATO-Schutzschild
Es ist keine Kunst, die Schuldenquote des Bundes abzubauen, wenn man die Armee verkommen lässt und die teuersten notwendigen Grossreformen (Altersvorsorge, Gesundheitswesen, Verkehr, Energie etc.) einfach in die Zukunft verschiebt. Und das Abwracken der Armee ist nicht nur ein Binnenthema. Ein US-amerikanischer Botschafter in Bern hat uns mit seinem Pfannkuchen-Vergleich – die Schweiz als Loch im NATO-Donut – klar signalisiert, was man an den wichtigen Orten im Ausland über die „Verteidungsanstrengungen“ der Schweiz denkt.

All jene, die sich auf Verteidigungsministerin Amherd eingeschossen haben und ihr unterstellen, sie wolle die Schweiz in die NATO führen, sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Schweiz, freiwillig und bequem unter dem für uns kostenlosen Schutzschild der NATO, eine x Milliarden schwere Friedensdividende eingestrichen hat. Nach meinen Berechnungen hätte die Schweiz, um die Zielgrösse von einem Prozent des BIP zu erreichen, seit 2003 zusätzlich mehr als CHF 30 Mrd. für die Armee ausgeben müssen.

Zahlenmässig ist das Abwracken der Armee in der Begründung der Motion der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates vom März 2022 so dargestellt: „Seit 1990 sind die Armeeausgaben kontinuierlich von jährlich 15,7 Prozent auf 6,8 Prozent der Bundesausgaben im 2019 gesenkt worden. 1990 wurde 1.34 Prozent des BIP in die Armee investiert 2019 waren es 0.67 Prozent des BIP.“

97 Milliarden Abwrackkosten
Wir haben seit 2003, als die Schuldenbremse erstmals bei der Budgetierung des Bundeshaushalts angewendet wurde, bis 2023 über CHF 90 Mrd. für die Armee ausgegeben (Tabelle unten). Da die Verteidigungsfähigkeit in diesen zwei Jahrzehnten abgenommen hat, kann man daraus schliessen, dass allein der Unterhalt einer nicht verteidigungsfähigen Armee mit veralteter Ausrüstung jährlich zwischen CHF 5 und 6 Mrd. kostet.

Die vom Parlament beschlossene Erhöhung der Militärausgaben gelang für 2025 im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Die von nicht-linker Seite geforderten weiteren starken Steigerungen der Militärausgaben ab 2026 (Ziel ein Prozent des BIP bis 2031) sind aber unmöglich ohne Verletzung der Schuldenbremse möglich, ausser mit Steuererhöhungen. Gemäss NZZ geht es um einen Betrag von CHF 13 Mrd., den Amherd und ihr VBS in einer ersten Phase bis 2031 in eine grosse Zahl von Projekten investieren will, damit die Schweizer Armee wieder verteidigungsfähig wird. Das sind aber weitgehend Zusatzausgaben zu den „Standkosten“ der Armee wie sie in der Tabelle oben dargestellt sind.

Kompensierende Einsparungen in anderen Bereichen sind in der notwendigen Höhe nicht zu erzielen, denn viele Ausgaben sind gesetzlich gebunden. Die zum Fetisch entartete Schuldenbremse führt bei Erhöhungen in einer Ausgabenkategorie fast zwingend zu einem Spardruck in anderen Bereichen, unabhängig davon, ob es sich um konsumtive oder investive Ausgaben handelt. Organisierter Widerstand bleibt nicht aus. Resultat ist dann stets ein fragwürdiger Kompromiss, der sich nicht am sachlich wirklich Notwendigen orientiert.

Verpasste Gelegenheit zum gratis Schuldenmachen?
Die Anstrengungen der Schweiz, wieder eine glaubwürdig verteidigungsfähige Armee aufzubauen, sind im Vergleich zu anderen Ländern bescheiden. Dabei war die Schweiz, zumindest bis zum Übergang zu sozialpolitischen Eskapaden in nicht nachhaltig konstruierten Systemen sowie zu kostspieligen energie- und klimapolitischen Luftschlössern, durchaus in der Lage, für die militärische Sicherheit viel mehr zu tun.

Die Schweiz hat bis heute eine der tiefsten staatlichen Schuldenquoten. Über mehrere Jahre brachten Bundesobligationen einen Negativzins. Der Bund hätte sich nicht nur gratis verschulden können, sondern die Gläubiger hätten für das Halten der Papiere sogar noch bezahlt. Man hätte die Situation „auf Vorrat“ ausnützen und sehr langfristige Bundesobligationen zu Negativzinsen im Markt platzieren können, um damit wohlfahrtssteigernde Investitionen, zum Beispiel in Bildung und Forschung oder in kritische Infrastrukturen zu tätigen. Oder eben in die vernachlässigte militärische Sicherheit, die als klassischer Bereich staatlicher Zuständigkeit gilt.

Österreich dagegen emittierte in den letzten Jahren eine ganze Reihe von 100-jährigen Bundesobligationen zu sehr tiefen Zinssätzen. Wenn die Schweiz künftig unter dem Druck der Schuldenbremse bei wachsenden Staatsdefiziten die Steuern erhöhen muss, ist dies im Vergleich zu einer zusätzlichen Verschuldung bei tiefster Verzinsung fast sicher wachstumschädlicher.

Ein konjunkturpolitisches Instrument
Auf der Webseite des EFD wir die Schuldenbremse als Instrument beschrieben, das konjunkturell gesteuert wird: „Die konjunkturellen Defizite stützen die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage und leisten damit einen Beitrag zu einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung…. Gleichzeitig gewährleistet sie (die Schuldenbremse) eine antizyklische Fiskalpolitik, in dem sie in Abschwungphasen begrenzte konjunkturelle Defizite zulässt und in Phasen der Hochkonjunktur Rechnungsüberschüsse verlangt. Die Schuldenbremse adressiert somit zwei klassische Ziele der Finanzpolitik: Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sowie den Ausgleich von Konjunktur- und Wachstumsschwankungen.

Die starre schweizerische Schuldenbremse übersteuert mit ihrer Abhängigkeit von Konjunkturschwankungen die sachlichen Begründungen von Staatsausgaben für investive Zwecke. Dazu gehören auch die Armeebudgets. Die Schuldenbremse wird denn auch jeweils nur für das kommende Budgetjahr angewendet. Den notwendigen Aufbau der Armee vernünftig planen zu können, scheint unter solchen Bedingungen nur schwer möglich zu sein. Die geheiligte unverrückbare Schuldenbremse, der das Stimmvolk mit überwältigender Mehrheit zugestimmt hat, verhindert ökonomisch vernünftiges Handeln.

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