Klimaaktivist Knutti

„Die Wissenschaft“ engagiert sich im Abstimmungskampf

Vor wenigen Wochen berichteten die Medien über eine Aktion des ETH-Klimaforschers Reto Knutti. Er hatte über 200 Wissenschafterinnen und Wissenschafter von Schweizer Universitäten und Forschungsanstalten für die Unterstützung des Klimaschutz-Gesetzes mobilisiert. Seine Begründung für die professorale Einmischung in die Volksabstimmung vom 18. Juni lautet so: „Gerade bei komplexen Themen wie dem Klimawandel sollten sich auch Wissenschaftler:innen mit ihrer Expertise einbringen und zur Meinungsbildung beitragen.“

Diese Aktion, die beansprucht, „die Wissenschaft“ zu vertreten, wurde in den Medien, kaum überraschend, fast nur wohlwollend kommentiert. Dabei kam das Grundsätzliche nicht zur Sprache: Diese Einmischung in einen Abstimmungskampf missachtet eigentlich selbstverständliche Governance-Prinzipien von staatlichen Hochschulen. Natürlich können alle, die die Aktion unterzeichnet haben, ihre persönliche politische Meinung haben und diese in Wahlen und Abstimmungen ausdrücken.

Es ist aber etwas völlig anderes, mithilfe der geliehenen Reputation seiner staatlich finanzierten Hochschule die Abstimmung über eine konkrete Gesetzesvorlage beeinflussen zu wollen – zudem noch eine ideologisch derart aufgeladene Vorlage, welche die Gesellschaft spaltet. Wenn man auf die Neinstimmen gegen das Energiegesetz mit dem „Atomausstieg“ und gegen die CO2-Vorlage abstellt, ist auch beim Klimaschutz-Gesetz mit rund 40 Prozent ablehnenden Stimmen zu rechnen. Die politische Aktion „der Wissenschaft“ richtet sich somit gegen eine grosse Minderheit, die – genau wie alle – Steuern für die staatliche Forschung zahlt.

Die Wissenschaft hat nie die Wahrheit, sondern sucht sie

Die Governance-Forderung gilt unabhänigig von der Frage, ob „die Wissenschaft“, welche diese politische Einmischung zu vertreten vorgibt, überhaupt die eine und einzige Wahrheit über den Klimawandel besitzt. Was man sicher sagen kann: Die Wahrheit über die richtige Klimapolitik kennt diese „Wissenschaft“ bestimmt nicht. Reto Knutti schreibt, die Aussage, dass die Schweiz ihre CO2-Emissionen rasch reduzieren müsse, sei eine logische Schlussfolgerung aus der Physik. Ist eine derart verkürzte Argumentation der „déformation professionnelle“ eines Klimamodell-Experten zuzuschreiben?

Auf SRF info3 sagte Reto Knutti, die Leute sollen auf der Grundlage von Fakten entscheiden können. Natürlich meint er die Fakten, so wie er sie interpretiert. Seine Sicht der Energie- und Klimapolitik ist nicht zuletzt durch seine persönliche Ablehnung der Kernenergie verzerrt. Deshalb unterstützt er Gesetze, die das Neubauverbot für KKW zementieren wollen. Nicht zufällig fehlt auf der Unterstützerliste die Unterschrift seiner ETH-Kollegin Annalisa Manera, Nuklearforscherin am PSI – Leuchtturm in einem Meer von Opportunismus.

Wenn die Fakten so aussehen, wie sie Reto Knuttis ETH-Kollege Anthony Patt in seinem Beitrag in der NZZ vom 21.April dargelegt hatte, müsste man der NZZ-Leserschaft dringend empfehlen, sich auch noch aus anderen Quellen über die Kosten einer rabiaten Dekarbonisierungspolitik zu informieren. Patt schrieb, dass die Solar- und Windenergie sowie Batterien für Elektrofahrzeuge so billig und zuverlässig geworden seien, dass die Gesellschaft im Vergleich zur Nutzung fossiler Brennstoffe damit Geld sparen werde. Das ist in ihrer Pauschalität eine faktenfreie Behauptung ohne datenbasierte Substanz, genau wie die folgende Aussage: „Die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C erfordert eine Halbierung der globalen Emissionen bis 2030 und ihre vollständige Beseitigung bis 2050. Das ist technisch möglich und bezahlbar, wenn alle Länder und auch die Schweiz ihren Beitrag leisten.“ Man meint, man lese aus dem Parteiprogramm der Grünen Partei.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Klimaforschung politisiert ist, dann liefert sie die Aktion von Reto Knutti. Seine selbsternannte Wahrheits-Wissenschaft solidarisiert sich mit einer bestimmten politischen Agenda. Wie die oben genannten Volksabstimmungen zeigten, gibt es in der Klima- und Enegiepolitik eine tiefe Spaltung, da sie durch das Thema Kernenergie moralisch-ideologisch aufgeladen ist. Die Aktion „der Wissenschaft“ fördert diese Spaltung, indem sie sich einseitig positioniert.

Das eiserne Gesetz der Klimapolitik

Der britische Klimatologe Mike Hulme spricht von einem neuen Klimareduktionismus, der von einer Hegemonie prognostizierender Naturwissenschaften angetrieben sei, einer Hegemonie, die modellbasierten Beschreibungen vermeintlicher zukünftiger Klimata eine unverhältnismässige Macht im politischen und gesellschaftlichen Diskurs verleihe. Dieser Klimareduktionismus verdrängt die historische Erfahrung, dass „energy transitions“, also jetzt die Dekarbonisierung, Jahrhundertprojekte sind.

Dessen ungeachtet engt die Politik unter dem Einfluss alarmistischer Töne aus der Klimaforschung den Zeitrahmen für Emissionsreduktionen immer enger ein. Doch es ist eine Sache, „netto Null bis 2050“ in ein Gesetz zu schreiben, jedoch eine ganz andere Sache, später die realen Konsequenzen zu tragen. Demokratien sind für radikale Wenden nicht geeignet. Es gilt „the iron law of climate change“ (Roger Pielke jr.), das besagt, dass die Opferbereitschaft der Menschen in Wohlstandsgesellschaften begrenzt ist.

Die absehbare Entwicklung wird sein, dass Strategien der Anpassung an den Klimawandel gegenüber der radikalen Emissionsreduktion zunehmend an Gewicht gewinnen. Mit Anpassung waren die Menschen schon bisher erfolgreich. Der beste Beweis dafür sind die weltweit drastisch gesunkenen Opferzahlen aus extremen Naturereignissen. Davon hört man allerdings von „der Wissenschaft“ von Reto Knutti nichts.

Dieser Beitrag erschien in der WELTWOCHE Nr. 19/23 vom 11. Mai in leicht gekürzter Form. (Link-Zugang zum Artikel vermutlich nur für Abonnenten)


Der „Mantelerlass“ – ein nächster Schritt auf dem Holzweg

Der „Mantelerlass“, also die abgestimmte Revision von Energiegesetz und Stromversorgungsgesetz, ist ein nächster Schritt zur Zementierung des Neubauverbots für Kernkraftwerke. Da sind die Grünen ehrlich, wie man auf ihren Verlautbarungen zum „Mantelerlass“ nachlesen kann. Und offiziell läuft das Revisionsvorhaben bekanntlich unter dem Titel „Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien“ – ein Oxymoron zwar, aber wer möchte nicht „den Fünfer und das Weggli“!

Doch der Bevölkerung wird einmal mehr suggeriert, eine sichere Stromversorgung allein mit erneuerbaren Energien sei auch ohne Kernenergie möglich. Die unterstützenden Gefälligkeitsstudien liefert unsere Spitzen-Hochschule ETHZ. Mit ihrem „Energy Science Center“ profiliert sie sich als getreue Erfüllungsgehilfin der offiziellen Energie- und Klimapolitik. Die Kernenergie ist dort tabu.

Zu den Beschlüssen des Ständerats zum Energiegesetz vom September 2022 gab es eine extrem knappe SDA-Meldung: Für die Modernisierung bestehender Kernkraftwerke wird kein Investitionsbeitrag geleistet. Im Nationalrat äusserte sich Roger Nordmann, SP-Nationalrat und Präsident von Swisssolar, im Namen der Kommission zur Vorlage wie folgt (original in Französisch): „Ich komme zur Frage des Kernenergiegesetzes, wo es mehrere Vorschläge der SVP-Fraktion, einen der Grünen und einen Einzelvorschlag gibt……. Nach Ansicht der Kommission hat es keinen Sinn, eine neue Debatte über die Kernenergie anzustossen…… Im Grunde ist die Atomfrage in der Schweiz erledigt. Es gab eine Volksabstimmung mit einem Kompromiss: Wir bauen keine neuen Atomkraftwerke, aber wir können bestehende betreiben, solange sie sicher sind. Es gibt keinen Grund, von diesem Kompromiss abzuweichen, der vom Volk mit 58 Prozent Ja angenommen wurde.“

Ist die Atomfrage in der Schweiz tatsächlich als erledigt zu betrachten, nur weil im Energiegesetz, dem das Stimmvolk im Mai 2017 zugestimmt hatte, ein Neubauverbot für Kernkraftwerke steht?

Wenn die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung.“

Dieses berühmte Zitat des berühmten John Maynard Keynes scheint das Verhalten in den Führungszirkeln unserer politischen Elite nicht zu beeinflussen. Dort hält man an Positionen fest, auch wenn sich die Umstände deutlich verändert haben, was seit dem Referendum vom Mai 2017 sicher der Fall ist. Man unterschätzt dort auch, wie sich die Meinungen in der Bevölkerung ändern können, und zwar ganz im Sinne des Bonmots von Keynes. Umfragen zum Neubauverbot weisen genau in diese Richtung. Gemäss einer jüngsten repräsentativen Umfrage ist heute erstmals eine Mehrheit der Stimmberechtigten für eine Aufhebung des Neubauverbots für KKW. Und so käme mit grösster Wahrscheinlichkeit heute bei einer Neuvorlage des Energiegesetzes vom Mai 2017 ein anderes Resultat heraus.

Für diese Annahme sprechen noch andere Punkte. Das Energiegesetz wurde dem Stimmvolk nach einer beispiellosen Propagandakampagne der Behörden vorgelegt. Vollmundige Behauptungen haben sich mittlerweile als nachweislich falsche Versprechungen entpuppt, so etwa zum Ausbau der Erneuerbaren, zur Reduktion der Importabhängigkeit, zum Speicherbedarf oder zur Kostenbelastung der Haushalte. Zudem lockte das Referendum, obwohl inhaltlich mit dem „Atomausstieg“ eine äusserst wichtige energiepolitische Weichenstellung, nur 43 Prozent der Stimmberechtigten an die Urnen. Ausgerechnet die SVP, also die Partei, die das Referendum als einzige Partei unterstützte, vermochte ihre Anhängerschaft nicht zu mobilisieren. Unter den SVP-nahen Stimmenden betrug die Stimmbeteiligung bloss 38 Prozent, der geringste Wert aller Parteien.

Der Volkswille und das Neubauverbot

Was dem Energiegesetz in einer anderen Abstimmungskonstellation hätte passieren können, zeigte gut vier Jahre später das erfolgreiche Referendum gegen das revidierte CO2-Gesetz. Dort mobilisierte ein ganzes Fünfer-Abstimmungspaket mit agrarpolitisch „heissen“ Volksinitiativen die Stimmbevölkerung sehr viel stärker, was erstens zu einer weit über dem Durchschnitt liegenden Stimmbeteiligung von rund 60 Prozent führte. Zweitens beteiligte sich dieses Mal insbesondere die sogenannte Landbevölkerung. Genau dies schlug sich auch in der Stimmbeteiligung nach Parteisympathie nieder. Im Kontrast zum Energiegesetz erreichten dieses Mal die SVP-Sympathisanten mit 73 Prozent die höchste Stimmbeteiligung. Vermutlich entsprach die parteipolitische Zusammensetzung der aktiv Stimmenden beim CO2-Referendum dem Gesamtbild aller Stimmberechtigten besser als beim Energiegesetz. Dieses mobilisierte Sympathisanten der politischen Linken überdurchschnittlich.

Der von Nationalrat Nordmann sakral überhöhte Volkswille bezüglich „Atomausstieg“ stimmt heute kaum mehr mit den Verhältnissen vom Mai 2017 überein. Wenn Demokratie bedeutet, dass die Regierenden das tun, was die Mehrheit des Stimmvolkes wünscht, dann müsste es möglich sein, über die Zukunft der Kernenergie in der Schweiz ein neues Plebiszit abzuhalten. Gegenwärtig läuft die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative, die Technologieoffenheit fordert, die Kernenergie aber nicht explizit erwähnt. Weil der „Mantelerlass“ das Neubauverbot zu zementieren droht, könnte man das kommende Referendum über den „Mantelerlass“ bereits als Plebiszit über die Kernenergie betrachten. Denn mit dem Ziel einer gesicherten Energieversorgung ohne Kernenergie befinden wir uns auf dem Holzweg.

Klimastress auf allen SRF-Kanälen 

Wie sich Medien zu Gehilfen einer politisierten Wissenschaft machen

Die klimapolitische Berichterstattung auf unseren SRF-Kanälen setzt den informierten Zuhörer oder Zuschauer regelmässig unter Stress. Beim neusten Synthesebericht des Weltklimarats IPCC war es nicht anders.

Keine kritische Stimme auf den SRF-Kanälen

In den Radionachrichten vom 20. März erfuhr man, dass der Ausstoss an Treibhausgasen bis 2030 halbiert werden müsste, um das 1,5 Grad-Ziel der Klimakonferenz „Paris 2015“ zu schaffen. Obwohl wir bei weitem nicht auf dem erforderlichen Absenkungspfad seien, gebe es Hoffnung, denn wir hätten die Möglichkeiten, das 1.5 Grad-Ziel zu erreichen. Wissenschaftsredaktor Klaus Ammann meinte zum Nutzen solcher Berichte, sie würden Impulse vermitteln. So sei etwa das Instrument der Restbudgets für Emissionen inzwischen anerkannt. Zudem zeigten die IPCC-Berichte den wissenschaftlich fundierten Konsens über den menschengemachten Klimawandel.

Auch das SRF-Fernsehen berichtete über den Synthesebericht. Der ETHZ-Klimaforscher Andreas Fischlin – Mitglied im IPCC Steering Committee – warnte, die Gefahren des Klimawandels seien noch grösser als bisher angenommen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprach von einer Klima-Zeitbombe. Dann durfte noch eine sehr jugendliche Klimaaktivistin mit obligater Pause für den Genderstern zum Synthesebericht etwas sagen. Sie finde es schon speziell, dass Politiker*innen darüber abstimmen, was nachher Grundlage für das Handeln sei.

Warnende Stimmen vor der Klima-Zeitbombe stammten auf den SRF-Medien von drei Greenpeace-würdig alarmierten ETH-Professoren, einem WWF-Vertreter, kirchlichen Hilfswerken, dem UN-Generalsekretär und einer Klimaaktivistin. Fehlte da nicht eine Stimme, die eine kritische Meinung zum Synthesebericht äussert? Oder zum ganzen Hype um netto null/1,5 Grad? Denn es gäbe Wichtiges zu ergänzen, damit die Öffentlichkeit nicht noch weiter der Meinungsmacht aus Hochschulen, Medien und Politik ausgeliefert bleibt.

Ergänzungen zum Synthesebericht

Erstens ist der Synthesebericht, trotz seinem wissenschaftlich-technischen Auftritt, kein rein wissenschaftliches Dokument. Er wird von den 195 Teilnehmerstaaten in Verhandlungen redigiert. Ein alarmistischer Grundton wird von Grafiken zur massiven Lücke zwischen dem geschätzten CO2-Absenkungspfad für das 1,5 Grad-Ziel und zugesagten nationalen CO2-Reduktionszielen der Teilnehmerstaaten begleitet und soll die Weltgemeinschaft zum Handeln aufrütteln. Die drastischen Formulierungen, die am Ende der Übertragungskette in den Medien landen, finden in den Grundlagenberichten kaum je Rückhalt.

Zweitens gilt der immer wieder genannte wissenschaftliche Konsens nur für die allgemeine Aussage, dass menschliche Aktivitäten zur Klimaerwärmung beitragen. In welchem Ausmass und vor allem mit welchen Auswirkungen, darüber gibt es unterschiedliche Forschungsergebnisse.

Drittens ist es eine Verdrängung der globalen Realitäten, am 1,5 Grad-Ziel und den angeblich notwendigen, aber völlig utopischen CO2-Reduktionspfaden festzuhalten. Selbst viele Klimaforscher wussten schon nach „Paris 2015“, dass das 1,5 Grad- Ziel nicht einzuhalten war. Trotzdem erklärt der Weltklimarat maximal 1,5 Grad Erwärmung weiterhin zu einem sinnvollen politischen Ziel, und die Klimaforschung passt sich opportunistisch an.

Viertens wird die Rechnerei um CO2-Restbudgets durch die grosse Unsicherheit über die Klimasensitivität – d.h. den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Temperatur – erschwert. Quasi tonnengenaue Restbudgets und Gnadenfristen, wie sie in der politischen Kampfarena aufgefahren werden, sind unseriös.

Lokale Ideologie – globale Realität

Unter dem Titel „Die Klimadebatte – lokale Ideologie – globale Realität“ findet man auf YouTube ein Referat des Physik-Professors Gerd Ganteför (Universität Konstanz), das ideologisch geprägte (deutsche) Klimapolitik kritisch an den globalen Realitäten misst (https://www.youtube.com/watch?v=OaWM2Pd0sHY). Die Kernbotschaft lautet, auf dem falschen Weg mehr zu tun, ist eine kostspielige politische Fehlleistung. Das gilt auch für die Schweiz. Doch bei uns wirkt die Forschung der staatlichen Hochschulen in Symbiose mit den staatsnahen SRF-Medien als Erfüllungsgehilfen der offiziellen Klima- und Energiepolitik – ob aus ideologischer Überzeugung oder in Erwartung handfesterer Vorteile sei offengelassen.

Was in diesem Meinungsklima für politische Programme entstehen, dafür lieferte Radio SRF in den Nachrichten vom 25. März ein Muster. Die Grünliberalen hatten an ihrer Delegiertenversammlung den Wahlkampf für die Wahlen im Herbst mit dem Slogan „Mut zur Lösung“ lanciert. Das heisst nach Auskunft des Parteipräsidenten Jürg Grossen, man wolle mit mutigen Entscheiden der nächsten Generation einen funktionierenden Planeten hinterlassen. Ginge es nicht auch etwas bescheidener, Herr Grossen? Mit welchen mutigen Entscheiden möchten Sie denn die Chinesen, die Inder und viele andere auf die Parteilinie der GLP bringen? Mutig wäre es, im schweizerischen Landesinteresse die ideologische Ablehnung der Kernenergie aufzugeben, statt den Planeten retten zu wollen. Jürg Grossen und viele andere Politiker täten gut daran, ihre lokalen Lösungen für einen funktionierenden Planeten an den faktenreichen Ausführungen von Professor Ganteför zu messen.

Eine gekürzte Version dieses Beitrags erschien am 24. April 2023 im Feuilleton der NZZ (mit Zahlschranke).

Es geht nicht mehr primär um die Sache

Machtspiele mit den direkten Volksrechten

In der Schweiz fühlen sich die meisten als Demokratie-Weltmeister. Auch Angehörige der verschiedenen Eliten in Politik, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft werden nicht müde, immer wieder die direkten Volksrechte und den Föderalismus als Hauptgrund für unseren hohen Wohlstand zu loben. Empirisch Gesinnte verweisen dann gerne noch auf statistische Vergleiche zwischen Teilstaaten mit mehr oder weniger direkter Demokratie aus den frühen 1990er-Jahren. Dort kam heraus, dass Gemeinwesen mit mehr direkten Volksrechten tiefere Steuern, eine niedrigere Staatsquote und mehr Wohlstand aufwiesen. Seither sind rund 30 Jahre vergangen, und neuere Vergleichsstudien sind mir nicht bekannt. Aber die Welt hat sich in dieser Zeit verändert, und die anstehenden Probleme auch.

Es gibt immerhin einen Grossvergleich, der keine aufwendigen Analysen benötigt und den Sonderfall Schweiz edelt. Ganz hinten im britischen „Economist“ sind jeweils die wichtigsten makroökonomischen Daten vieler Volkswirtschaften abgedruckt. Es ist leicht zu erkennen, dass die Schweiz dort seit Jahren einen Spitzenplatz einnimmt. Fragen stellen sich trotzdem: Mit wem will man sich vergleichen? Mit absteigenden europäischen Wohlfahrtsstaaten oder mit den besten der Welt? Oder ebenso wichtig: Können wir den Spitzenplatz auch in Zukunft halten oder schieben wir Grossprobleme mit hohen Kostenrisiken vor uns her, weil uns nachhaltige Reformen einfach nicht gelingen wollen?

Ernüchterndes aus den Niederungen der praktischen Politik
Begibt man sich von hoher Warte allgemeiner Lobpreisungen des Sonderfalls Schweiz in die Niederungen der praktischen Politik, muss man doch eines feststellen: Der Glanz der Sonderfall-Institutionen kriegt Kratzer. Es gibt kaum ein wichtiges Reformthema, bei dem die Schweiz nicht durch Widerstände gebremst oder blockiert ist, die mit drohenden Referenden oder Volksinitiativen oder föderalistischen Interessen zusammenhängen: Altersvorsorge, Gesundheitswesen, Europapolitik, Strommarkt-Liberalisierung. In der fundamental wichtigen Energiepolitik hat ein durch behördliche Manipulation und Desinformation zustande gekommenes Ja zum Energiegesetz ein unsinniges Neubauverbot für Kernkraftwerke demokratisch höchstlegitimiert – bei einer Stimmbeteiligung von nur 43 Prozent. Jetzt bastelt das Parlament aufgrund illusionärer Annahmen an einem „Mantelerlass“, der dieses Neubauverbot zu zementieren droht.

Seit Jahren wird auch gerne stereotyp und floskelhaft die Langsamkeit der politischen Prozesse als Vorteil herausgestrichen. Dies unter anderem, weil damit verhindert werde, dass falsche Politik bei uns später eingeführt werde als im Ausland – ein intellektuell bescheidenes Argument. Zudem sehen wir ja auch, dass es bei uns viel länger dauert, bis falsche Politik oder überholte Gesetze wieder korrigiert werden können, weil sich inzwischen Interessengruppen gebildet haben, welche eine „Rückkehr zur Vernunft“ bekämpfen. Ein schönes Beispiel dazu ist der vollkommen gescheiterte Versuch des früheren Finanzministers Hans-Rudolf Merz, die unter Referendumsdruck zustande gekommene komplizierte Mehrwertsteuer mit mehreren Sätzen und vielen Ausnahmen radikal zu vereinfachen. Noch ein Muster institutioneller Bedächtigkeit: Das revidierte Aktienrecht ist Anfang dieses Jahres in Kraft getreten. Der Anstoss dazu erfolgte im Jahr 2005!

Auch die verantwortungslose Vernachlässigung der militärischen Sicherheit hat mit Initiativrisiken zu tun. Schliesslich haben wir eine Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA, die als initiativfähige Macht die Rüstungspolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen vermochte. Auf der GSoA-Webseite liest man, sprachlich verbesserungsbedürftig wörtlich: „Die GSoA bedient verwendet direktdemokratischer Instrumente und hat seit ihrer Gründung 1982 sieben Volksinitiativen und zwei Referenden gesammelt. Bei weiteren fünf Initiativen hat die GSoA massgeblich zur Unterschriftensammlung beigetragen.“

Grosse Angst vor der institutionellen Frage
Wir hören und lesen aus sogenannt bürgerlich-liberalen Kreisen seit Jahren immer wieder dieselben kritischen Aufrufe, das erfolgreiche Modell Schweiz nicht verkommen zu lassen. Gefolgt von den immer gleichen Reformvorschlägen, die längst bekannt sind, jedoch in der Politik keine Mehrheiten finden. Niemand wagt, die institutionelle Frage zum Thema zu machen. Volksrechte und Föderalismus werden auch in ihrer real existierenden Form durch alle Böden verteidigt. Wer auch nur leise Skepsis anmeldet, wird gerne als Abschaffer unserer Institutionen diffamiert.

Dabei wird etwas Entscheidendes stets ausgeklammert. Der Gebrauch der direkten Volksrechte durch deren hauptsächliche Nutzer hat mit der Sache an sich oft wenig zu tun. Es geht um die Demonstration von genereller Referendumsmacht für alle Fälle, jedoch auch mit dem Ziel, schon im Vorfeld der Gesetzestätigkeiten präventiv Inhalte in Richtung der eigenen Interessen zu beeinflussen. Initiativ-mächtige Organisationen und Lobbies können mit Volksinitiativen auch Gegendruck zu laufenden Reformprojekten aufbauen. Damit werden die Grenzzäune für anstehende Reformprojekte angedeutet. So ist in Reformdebatten gegen den Vorwurf, es sei in Gesetzesreformen wenig erreicht worden, das stereotype Argument so populär, es sei halt unter Referendumsrisiken politisch nicht mehr möglich gewesen. Die endlosen Reformversuche für die erste und zweite Säule der Altersvorsorge und die resultierenden faulen Kompromisse, die nur dazu dienen, etwas Zeit bis zum nächsten Reformversuch zu gewinnen, sollten eigentlich deutlich genug zeigen, wie Referendums- und Initiativmacht als strategische Waffe zum Schaden des Gesamtinteresses eingesetzt wird.

RIP Credit Suisse

Ein wirtschaftspolitisches Panikorchester wählt eine schlechte Lösung

Die NZZ schreibt von einer „behördlich erzwungenen Übernahme“ der CS durch die UBS. Genau das ist es. Man hat sich mit diesem notrechtlichen Vorgehen praktisch alle möglichen Nachteile eingehandelt: Eine Ikone des schweizerischen Finanzplatzes wird kurzerhand aufgegeben. Es entsteht eine Monster-Bank, die für die Schweiz viel zu gross ist. Aktionäre und vor allem Obligationengläubiger der CS werden schamlos enteignet.

Dieser Vorgang ist eine Peinlichkeit und schadet dem Ansehen der Schweiz. Der ehemalige CS- und UBS-Chef Oswald Grübel beschreibt gegenüber der Zeitung „Blick“ die Patentlösung:

Es ist zu vermuten, dass Grübel nicht eine vollständige Übernahme meinte. Es hätte genügt, wenn die SNB etwa 30 Prozent übernommen hätte. Das hätte zum Kurs vom letzten Freitag plus einem kleinen Aufschlag (z.B. CHF 2 pro Aktie) rund drei Milliarden Franken gekostet. Der geschätzte effektive Wert einer solchen Beteiligung betrug mindestens das Dreifache.

Eine Beteiligung der SNB mit entsprechender Begleitmusik im Sinne von Draghis „whatever it takes“ (Martin Janssen) hätte den panikartigen Abzug von Geldern stoppen können. Interessant, was der damalige Nationalbankpräsident Jean-Pierre Roth bei der Rettung der UBS 2008 sagte: «Wir sind da für die Ewigkeit». Und so wie damals hätte eine SNB-Beteiligung nach einer Phase der sorgfältigen Konsolidierung der CS in einem Paketverkauf der SNB einen schönen Gewinn einbringen können. Nicht zu vergessen: Die SNB hält in ihrer Bilanz bereits milliardenschwere Pakete an ausländischen Unternehmen. Wieso nicht auch ein CS-Aktienpaket?

Offenbar fehlen heutzutage in der wirtschaftspolitischen Elite die Grübels. Man kann sich auch fragen, ob unter einem SNB-Präsidenten Hildebrand nicht die Grübel-Variante zum Zug gekommen wäre.

Generation Z verlässt punkt 17 Uhr den Arbeitsplatz

„Quiet Quitting“ als Symptom westlicher Dekadenz

Zum Glück haben wir das öffentlich-rechtliche Radioprogramm SRF2 Kultur. Dort erhalten die paar Menschen, die diesen Kanal willentlich oder zufällig einschalten, Wissensunterricht. Jüngst erklärte man dort den Ausdruck „quiet quitting“, was so viel heisst wie stilles Aufhören oder stille Kündigung auf Zeit bis am anderen Morgen punkt 8 Uhr. Das sei unter Angehörigen der Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010) die neue Mode.

Quiet Quitting bedeutet in der Praxis, man arbeitet nur noch genau nach Arbeitsvertrag die Stundenzahl, die dort festgelegt ist. Überstunden sind passé. Wegleitend ist das Schlagwort Work-Life-Balance.

Diese Einstellung der Generation Z sollte auch im Lichte der verhaltensökonomischen Forschung über arbeitsmarktliche Beziehungen beurteilt werden. Meines Wissens hat der renommierte Verhaltensökonom Ernst Fehr von der Universität Zürich in Experimenten mit dem Phänomen „wie du mir, so ich dir“ begründen können, warum sich auf dem Arbeitsmarkt oft Löhne über dem rein formell zu erwartenden Marktniveau bewegen. Die Formel „wie du mir, so ich dir“ verweist auf ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis. Besondere Anstrengungen eines Arbeitnehmers werden vom Arbeitgeber auch besonders honoriert und umgekehrt.

Junge Menschen scheinen aus den vergangenen, wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten den Schluss zu ziehen, unsere gegenwärtige Stellung in der Welt garantiere weiterhin unsere Wohlfahrt auf weltweitem Spitzenniveau. In der Presse stand schon vor einigen Jahren zu lesen, gemäss einer Befragung von 12 000 jungen Schweizern gehe der jungen Generation die Work-Life-Balance über alles. Und 97 Prozent der Befragten schlössen aus, jemals eine eigene Firma zu gründen.

Das Fazit ist einfach zu ziehen: Wenn die freiwillige Leistungsbereitschaft über das absolut Notwendige hinaus verloren geht, könnte das Wohlstandsparadies Schweiz zunehmend Schaden nehmen.

Unerwartetes von berühmten Ökonomen

In der öffentlichen Meinung herrschen über die Ansichten wichtiger Figuren oft stereotype Floskeln. Nicht immer entsprechen diese den tatsächlichen Haltungen der betreffenden Personen. Das gilt auch für zwei berühmte Ökonomen, von denen mir zwei Aussagen besonders bemerkenswert erscheinen. Hier ein erstes Zitat:

Nor should the argument seem strange that taxation may be so high as to defeat its object, and that, given sufficient time to gather the fruits, a reduction of taxation will run a better chance than an increase of balancing the budget.”

Hätten Sie gedacht, dass diese Aussage von John Maynard Keynes stammt? Der Lieblings-Ökonom der politischen Linken klingt hier wie ein Vorläufer des „umstrittenen“ Ökonomen Arthur Laffer. Dieser vertrat in den 1980er-Jahren als Berater von US-Präsident Ronald Reagan eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und löste mit seiner Laffer-Kurve eine grosse Kontroverse um den Effekt von Steuersenkungen aus. Doch Keynes war nicht einfach Vorläufer, sondern ein wichtiger Inspirator für Laffer und seine These, wie man auf Wikipedia nachlesen kann.

Ein zweites Zitat scheint mir ebenso bemerkenswert:

„If there is a secret to Asian growth, it is simply deferred gratification, the willingness to sacrifice current satisfaction for future gain. That’s a hard answer to accept, especially for those American political intellectuals who recoil from the dreary task of reducing deficits and raising the national savings rate.“

So begründete der 2008 nobelpreisgekrönte US-amerikanische Ökonom Paul Krugman, der als «liberal» gilt (das heisst in den USA links stehend), im Jahr 1994 den wirtschaftlichen Aufstieg der asiatischen Tigerstaaten mit ihren hohen Wachstumsraten. Der Seitenhieb auf amerikanische politische Intellektuelle erstaunt angesichts von Krugmans heutigen Positionen am meisten. «Deferred gratification» und «reducing deficits» – das klingt doch wohl eher konservativ, und so könnte auch ein sogenannt neoliberaler Ökonom Krugmans Aussagen Wort für Wort unterschreiben.

Nachbemerkung: In den westlichen Wohlfahrtsstaaten – die Schweiz eingeschlossen – ist es schon seit langem völlig undenkbar, in Wahlen Mehrheiten für ein Programm von „deferred gratification“ und „reducing deficits“ zu gewinnen.

HEKS gegen Holcim

Zur Klimaklage von indonesischen Inselbewohnern am Kantonsgericht Zug

Wie verschiedene Schweizer Medien jüngst berichteten, haben vier Bewohner der indonesischen Zwerg-Insel Pari gegen den Schweizer Zementkonzern Holcim Zivilklage beim Kantonsgericht Zug eingereicht.  Die Zementindustrie ist eine sehr CO2-intensive Branche. Die Kläger fordern eine Entschädigung für die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch das Ansteigen des Meeresspiegels und häufigere Sturmfluten. Sie verlangen vom weltgrössten Zementkonzern zudem eine starke Reduktion seines  CO2-Ausstosses. Das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz HEKS ist in Hilfestellung für die Kläger zuvorderst mit dabei.

Die Forderungen des HEKS im Namen der Kläger

Die Webseite des HEKS gibt Aufschluss über dessen Forderungen:

„Wie der Weltklimarat IPCC in seinem sechsten Sachstandsbericht ausführt, muss auf weltweiter Ebene dringend eine Verringerung der CO2-Emissionen erfolgen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Angesichts der Schwere und Unumkehrbarkeit der negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung sowie der historischen Verantwortung und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Holcim, fordert HEKS das Unternehmen auf, mindestens die folgenden Emissionsreduktionsziele festzulegen, um seinen Teil zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 °C beizutragen: bis 2030 eine Reduktion der absoluten und relativen Emissionen um mindestens 43 Prozent im Vergleich zum Niveau von 2019 und bis 2040 eine Reduktion der absoluten und relativen Emissionen um mindestens 69 Prozent im Vergleich zum Niveau von 2019.“

Der britische Historiker Edward Gibbon (1737-1794), berühmt für sein Hauptwerk „Verfall und Untergang des römischen Imperiums“, glänzte schon vor mehr als 200 Jahren mit einem luziden Bonmot: „Man traue keinem erhabenen Motiv für eine Handlung, wenn sich auch ein niedriges finden lässt.“ Geleitet von Gibbons Erkenntnis, eröffnen sich zwei Möglichkeiten, die Absichten des HEKS an der Klimaklage zu erörtern.

Erhabene Motive – dürftige Sachargumente

Das HEKS unterstreicht den moralischen Anspruch der Klage mit der Forderung nach „Klimagerechtigkeit“. Dieser Kampfbegriff des Klimaaktivismus verweist auf eine angebliche historische Schuld der reichen industrialisierten Länder. Als Hauptverursacher des Klimawandels seien diese zu besonderen Anstrengungen verpflichtet. Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, ist in einer ganzheitlichen Sicht nicht einmal die halbe Wahrheit. Diese reichen Länder des „Westens“ sind mit ihren wissenschaftlich-technologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen auch für die enormen weltweiten Fortschritte an Wohlstand und Lebensqualität verantwortlich. Zudem wäre die Bewältigung der negativen Folgen des Klimawandels ohne die Leistungsfähigkeit westlich geprägter Kulturen undenkbar.

Wichtiger ist aber, dass die ganze Argumentation des HEKS, untermalt mit ausführlichen Studien mit  wissenschaftlichem Anspruch, auf einem Grundirrtum beruht. Dieser Irrtum trägt den Namen „1,5 Grad“. Das 1,5 Grad-Ziel hat nicht nur keine wissenschaftliche Basis, sondern es war ursprünglich auch nie als verpflichtendes Ziel gemeint, sondern als gemeinsames Bemühen („aspiration“) der Weltgemeinschaft. Die 1,5 Grad sind das Ergebnis eines langen politischen Gerangels nach der gescheiterten Kopenhagener Klimakonferenz von 2008. Da man an der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 unbedingt ein weiteres Scheitern vermeiden wollte, wurden insbesondere die kleinen Inselstaaten der „Alliance of Small Island States“ (AOSIS) mit der Zustimmung zum 1,5 Grad-Ziel für ein globales Klimaabkommen ins Boot geholt. Diese Ländergruppe ist sich ihrer grossen Verhandlungsmacht in einem Gremium, das nach Einstimmigkeit strebt, natürlich bewusst.

Nicht nur die Ableitung von einem illusionären 1,5 Grad-Ziel macht das Vorhaben unsinnig, von einem einzelnen Konzern prozentgenaue CO2-Reduktionsverpflichtungen einzuklagen. Auch die grosse Unsicherheit über die Klimasensitivität – d.h. den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Temperatur – verbietet eine solche Rechnung. Wegen dieser Unsicherheit ist ein Temperatur-Ziel für die politische Aktion prinzipiell ungeeignet. Und die ganze Rechnerei um „tonnengenaue“ CO2-Restbudgets hat aus demselben Grund keine wissenschaftliche Grundlage.

Die meisten Klimawissenschafter wussten schon zur Zeit von „Paris 2015“, dass das 1,5 Grad-Ziel bereits überholt war. Doch der Weltklimarat IPCC spielte das Spiel mit und erklärte „1,5 Grad“ zu einem sinnvollen politischen Ziel. Nun beschwören also unsere Politiker weiterhin das 1,5 Grad-Ziel, und die Klimaforschung passt sich opportunistisch an. Die Klimamodelle lassen sich ja „kalibrieren“. Man kann zum Beispiel mehr negative Emissionen einbauen, um doch noch erreichbar scheinende CO2-Absenkungspfade zu erhalten.

Niedrige Motive – strategisches Kalkül

Die am Kantonsgericht Zug eingeklagte Schadenssumme beträgt bloss rund CHF 14’000. Das ist ein deutlicher Hinweis, dass es in der Klage um etwas Grösseres geht. Damit gelangen wir zu den niedrigen Motiven. Das strategische Kalkül solcher Klagen ist offensichtlich. Das HEKS will mithelfen, mit der Klage gegen Holcim weltweit medial Aufmerksamkeit zu erregen und Gerichtsurteile zu provozieren, die als Präzedenzfälle Schule machen. Das HEKS verfolge mit der Klage eine öffentlichkeitswirksame Strategie, indem es sich für die kleinsten Opfer des Klimawandels einsetze und auf eine breite Medienunterstützung hoffe, schrieb die NZZ. Da der Fall wie ein Kampf von David gegen Goliath erscheine, werde die Debatte emotionalisiert und weltweite Sympathie gewonnen.

Das Engagement des HEKS in dieser Sache, typisch für heutige kirchliche Politik, kommt auf dem moralischen Hochsitz daher, ist aber bei genauer Betrachtung das Gegenteil. Dazu gehört der Versuch, demokratische Entscheidungsprozesse durch den Weg über Gerichte zu umgehen. Das Bonmot von Edward Gibbon kann uns nicht nur in diesem Fall davor bewahren, in der politischen Debatte auf moralisch aufgeplusterte Argumente hereinzufallen.

Dieser Text erschien am 13. Februar 2023 in der Online-Publikation „Nebelspalter“.

Symbolische Signale grüner Politik

In Deutschland protestieren grüne Politiker gerade gegen den Ausbau von Autobahnen im Rahmen der geplanten umfassenden Erneuerung der Infrastruktur. Autobahnen sind in der politischen Theologie der Grünen Symbole der Klimaschädigung. Und sie sollen es wohl auch bleiben, obwohl ganz zuvorderst die Grünen der e-Mobilität das Wort reden.

Mit einer landesweiten Aufrüstung mit e-Autos wäre eigentlich der Ruf der Autobahnen als „Klimakiller“ immer weniger berechtigt. Trotzdem halten die deutschen Grünen an der Ablehnung des Autobahnausbaus fest – aus zwei Gründen. Erstens wissen auch sie, dass der deutsche oder auch der europäische Strommix noch auf Jahre hinaus fossile Produktionsanteile enthält. Man ist noch weit entfernt von einer klimaneutralen bzw. CO2-freien Stromversorgung. Und dann ist da auch noch der französische „Atomstrom“, der den deutschen Strommix für die fundamentalen grünen Kernenergiegegner gelegentlich verunreinigt.

Der zweite Grund hat mit den Eigenheiten der politischen Kommunikation zu tun. Die meisten Menschen haben andere Interessen als sich eingehend und sachgerecht über die Fakten und Zusammenhänge zu informieren, die klima- und energiepolitisch wichtig sind. Darauf bauen die Grünen sehr geschickt, denn sie wissen: zur Mobilisierung von Menschen braucht es eingespielte Signale, die bei den Empfängern kein langes Nachdenken erfordern, jedoch Plausibilität vorgaukeln und an das gute Gewissen appellieren.

Genau diesen Rückgriff auf symbolische Signale sieht man auch bei den militanten Klimaaktivisten, die es bei Protestaktionen in Städten auf SUVs abgesehen haben. Völlig unabhängig von tatsächlichen Verbrauchs- und Emissionsvergleichen sowie von denkbaren ökologischen Vorteilen solcher Autos im praktischen Einsatz, gilt in der grünen Welt der SUV als Symbol der Klimazerstörung.

Erbauliches zur „Klimakrise“ in der Wahlpropaganda

Im Kanton Zürich wird nächstens für den Kantonsrat und den Regierungsrat gewählt. Vor einigen Tagen flatterte die Wahlwerbung sämtlicher Parteien ins Haus. Wie üblich wird darin allerhand gewünscht und versprochen, für dessen Durchsetzung die betreffende Partei die politische Macht gar nicht hat – kein Unglück, muss man in vielen Fällen sagen.

Die Wahlwerbungen liefern mit ihren Darstellungen von Problemen und Lösungen auch einen Eindruck, wie man in den zuständigen Parteigremien den Informationsstand und das Urteilsvermögen der Leute einschätzt, die man für die eigene Partei gewinnen will.

Weil aus den Floskeln der Wahlpropaganda viel warme bis heisse Luft aufsteigt, ist die Qual der Wahl gross. Bei mir kommt ganz bestimmt eine Partei zuletzt auf den Wahlzettel, wenn sie mein Urteilsvermögen mit einem solchen klimapolitischen Argument beleidigt:

„Wir setzen uns dafür ein, dass sozialgerechte Massnahmen gegen die Klimakrise ergriffen werden, damit der Bezirk Uster auch für die zukünftigen Generationen lebenswert bleibt.“

Irgendwie bedaure ich all die SP-Sympathisanten, die tapfer über solchen Schwachsinn hinwegsehen müssen, wenn sie aus ideologischen Gründen trotzdem der SP ihre Stimme geben wollen. Sie müssen darauf hoffen, dass die Wahlwerbung der Liste 2 der kantonalen SP in Beijing, Washington, Neu-Dehli, Moskau, Saudi Arabien, aber auch in Afrika und Lateinamerika gebührend zur Kenntnis genommen wird, damit die kommenden Generationen den Bezirk Uster nicht klimabedingt verlassen müssen.