Blocher zum 85.

Respekt, wem Respekt gebührt

Attribution: Universitätsarchiv St.Gallen | HSGN 028/01817 | CC-BY-SA 4.0

Lieber Christoph Blocher. Herzliche Gratulation zum 85. Geburtstag.“ So beginnt Peter Rothenbühler in der vorletzten ‚Weltwoche‘ seinen wöchentlichen Brief an eine Person von öffentlichem Interesse. Man erfährt Interesssantes. Seit den frühen 1980er-Jahren Chefredaktor beim Ringier-Verlag, verstiess Rothenbühler gegen den ungeschriebenen internen Verhaltenskodex zum Umgang mit Blocher: Keine Kontakte, keine Berichte, nicht einmal negative. Wie Rothenbühler schreibt, „gehörte es zu den Todsünden, mit Blocher zu verkehren. Ich tat es trotzdem, klandestin sozusagen.“ Dann beschreibt Rothenbühler, wie die früheren obersten Blocherhasser beim Ringier-Verlag – Frank A. Meyer (FAM), Verleger Michael Ringier himself – in den letzten Jahren umgeschwenkt sind. Jetzt vertritt FAM in seinen Kolumnen, gegen das Diktat progressiver Eliten, ein verschärftes Blocher-SVP-Weltwoche-Programm. Und Michael Ringier bemühte sich um ein Interview mit dem ehemals politisch Dämonisierten.

Anti-EWR Blocher als Feind
Mit Christoph Blocher verkehre ich zwar nicht per Du wie Peter Rothenbühler, meine Kontakte reichen aber für ein paar anekdotische Anmerkungen. Blochers Kampf gegen den Beitritt zum EWR machte mich zuerst einmal zu Nationalrat Blochers Gegner. Wie fast alle Ökonomen in der Schweiz erwartete ich von einem EWR-Beitritt einen umfassenden Liberalisierungsschub in den Güter- und Dienstleistungsmärkten. In den binnenwirtschaftlichen Sektoren gab es damals zahlreiche Wettbewerbsbehinderungen durch formelle und informelle Kartelle sowie durch staatliche Monopole.

Wie der Bundesrat damals die EWR-Abstimmung vermasselte und den Aufstieg von Blochers SVP beschleunigte, ist eine Geschichte für sich. Hier nur ein Ausschnitt aus einer Rede des EWR-Chefunterhändlers Franz Blankart:
Ohne hier auf die emotionsgeladenen Phasen der EWR-Verhandlungen einzugehen, sei lediglich festgehalten, dass zwei Starjournalisten und zwei Spitzenbeamte hinter meinem Rücken die beiden zuständigen Bundesräte davon überzeugt haben, der EWR sei nur akzeptabel, falls er mit einem Beitrittsgesuch verbunden würde. Als Chefunterhändler erfuhr ich diese Wende über die Presse. Mit diesem Gesuch war das Fiasko der EWR-Abstimmung vorprogrammiert, dies um so mehr, als der EWR ungeschickterweise als ‚Trainingslager‘ apostrophiert wurde.“

Hinweis: Einer der ‚Starjournalisten‘ war FAM. Dieser half mit seinem Sonderzugang zu Adolf Ogi, dem Schöpfer des Trainingslagervergleichs, Blankarts Leitmotiv zu zerstören: ‚Dem EWR beitreten, um der Europäischen Gemeinschaft nicht beitreten zu müssen.‘

Anhörung bei Justizminister Blocher
Mein erster persönlicher Kontakt mit dem inzwischen zum Bundesrat und Justizminister aufgestiegenen Christoph Blocher ergab sich im Jahr 2004 in einer Anhörung zu einer Revision des Verbandsbeschwerderechts im Umweltschutz – wenn ich mich richtig erinnere. Ich hatte im Auftrag des Think Tanks Avenir Suisse eine Studie zum Thema mit neun Fallgeschichten verfasst. Sie erschien Ende 2003 in Buchform mit dem Titel ‚Umweltschutz auf Abwegen‘. Die im Detail dargestellten Fälle betrafen durch Verbandsbeschwerden verhinderte und verzögerte grössere Projekte, am bekanntesten das Projekt ‚Eurogate‘ am Hauptbahnhof Zürich.

An die Teilnehmer der Anhörung bei Blocher, den Ablauf und die Diskussionsinhalte kann ich mich nicht mehr erinnern. Jedoch beeindruckte mich die Gesprächsführung durch den Justizminister. Er stellte präzise Fragen und hörte dann auch aufmerksam zu, bevor er gelegentlich zu diesem oder jenem Punkt noch einmal nachfragte. Allein aufgrund dieser punktuellen Erfahrung halte ich es für undenkbar, dass Blocher im Departement VBS ein Chaos à la Amherd hinterlassen hätte.

Wie viel Markt verträgt die Schweiz?
Im Januar 2017 erschien im Verlag NZZ Libro mein Buch ‚Wie viel Markt verträgt die Schweiz?‘ Anhand von zehn wichtigen Sektoren der schweizerischen Volkswirtschaft wird die Hypothese aufgestellt, dass die direkten Volksrechte ‚mehr Markt‘ in vielen Bereichen verhindern. Liberalisierung und Privatisierung sind in der Bevölkerung nicht populär, Protektionismus schon. Deshalb ist ‚Privatisierung‘ als Schimpfwort in der Abstimmungspropaganda so beliebt.

In der NZZ erschien bloss eine lauwarme Rezension des Buches. Wer die sakralisierten direkten Volksrechte zum Gegenstand einer kritischen Analyse macht, kann nicht auf grosses Echo hoffen. Ich nahm dann jeweils ein paar Buchexemplare mit zu Veranstaltungen, wo ich auf einflussreiche Politiker zu stossen hoffte. Ein Buch persönlich geschenkt erhielten folgende Figuren der eidgenössischen Politik: FDP-Nationalrätin Doris Fiala, FDP-Nationalrat und Gewerbeverbandsdirektor Hans Ulrich Bigler, FDP-Nationalrätin und Parteipräsidentin Petra Gössi sowie FDP-Nationalrat und Parteipräsident Thierry Burkhart. Diesen FDP-Grössen übergab ich mein Buch jeweils in der Hoffnung, es könnte als Inspiration zur Schärfung des Parteiprofils dienen.

Irgendwann nach der Veröffentlichung des Buches ging ich in Zürich an eine Veranstaltung, an der Christoph Blocher als Podiumsteilnehmer anwesend war. Es muss um irgendein Umwelt-/Klimathema gegangen sein, weil auch Regula Ryz, damals Präsidentin der Grünen Partei, auf dem Podium mitdiskutierte. Beim anschliessenden Stehapero stand ich am Tisch neben Blocher. Als dieser sich anschickte, den Anlass zu verlassen, benützte ich die Gelegenheit und gab ihm mit einer kurzen Bemerkung mein Buch. Etwa zehn Tage später erhielt ich von ihm ein handgeschriebenes Dankesschreiben. Aus diesem war herauszulesen, dass er zumindest im Buch geblättert und einige Passagen gelesen hatte.

Von den beschenkten FDP-Grössen habe ich nie mehr etwas gehört. Auch an solchen Bagatellen zeigt sich für mich der Unterschied zwischen gewöhnlichen Angehörigen der Elite und gewichtigeren Exemplaren.

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