RIP Credit Suisse

Ein wirtschaftspolitisches Panikorchester wählt eine schlechte Lösung

Die NZZ schreibt von einer „behördlich erzwungenen Übernahme“ der CS durch die UBS. Genau das ist es. Man hat sich mit diesem notrechtlichen Vorgehen praktisch alle möglichen Nachteile eingehandelt: Eine Ikone des schweizerischen Finanzplatzes wird kurzerhand aufgegeben. Es entsteht eine Monster-Bank, die für die Schweiz viel zu gross ist. Aktionäre und vor allem Obligationengläubiger der CS werden schamlos enteignet.

Dieser Vorgang ist eine Peinlichkeit und schadet dem Ansehen der Schweiz. Der ehemalige CS- und UBS-Chef Oswald Grübel beschreibt gegenüber der Zeitung „Blick“ die Patentlösung:

Es ist zu vermuten, dass Grübel nicht eine vollständige Übernahme meinte. Es hätte genügt, wenn die SNB etwa 30 Prozent übernommen hätte. Das hätte zum Kurs vom letzten Freitag plus einem kleinen Aufschlag (z.B. CHF 2 pro Aktie) rund drei Milliarden Franken gekostet. Der geschätzte effektive Wert einer solchen Beteiligung betrug mindestens das Dreifache.

Eine Beteiligung der SNB mit entsprechender Begleitmusik im Sinne von Draghis „whatever it takes“ (Martin Janssen) hätte den panikartigen Abzug von Geldern stoppen können. Interessant, was der damalige Nationalbankpräsident Jean-Pierre Roth bei der Rettung der UBS 2008 sagte: «Wir sind da für die Ewigkeit». Und so wie damals hätte eine SNB-Beteiligung nach einer Phase der sorgfältigen Konsolidierung der CS in einem Paketverkauf der SNB einen schönen Gewinn einbringen können. Nicht zu vergessen: Die SNB hält in ihrer Bilanz bereits milliardenschwere Pakete an ausländischen Unternehmen. Wieso nicht auch ein CS-Aktienpaket?

Offenbar fehlen heutzutage in der wirtschaftspolitischen Elite die Grübels. Man kann sich auch fragen, ob unter einem SNB-Präsidenten Hildebrand nicht die Grübel-Variante zum Zug gekommen wäre.

Generation Z verlässt punkt 17 Uhr den Arbeitsplatz

„Quiet Quitting“ als Symptom westlicher Dekadenz

Zum Glück haben wir das öffentlich-rechtliche Radioprogramm SRF2 Kultur. Dort erhalten die paar Menschen, die diesen Kanal willentlich oder zufällig einschalten, Wissensunterricht. Jüngst erklärte man dort den Ausdruck „quiet quitting“, was so viel heisst wie stilles Aufhören oder stille Kündigung auf Zeit bis am anderen Morgen punkt 8 Uhr. Das sei unter Angehörigen der Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010) die neue Mode.

Quiet Quitting bedeutet in der Praxis, man arbeitet nur noch genau nach Arbeitsvertrag die Stundenzahl, die dort festgelegt ist. Überstunden sind passé. Wegleitend ist das Schlagwort Work-Life-Balance.

Diese Einstellung der Generation Z sollte auch im Lichte der verhaltensökonomischen Forschung über arbeitsmarktliche Beziehungen beurteilt werden. Meines Wissens hat der renommierte Verhaltensökonom Ernst Fehr von der Universität Zürich in Experimenten mit dem Phänomen „wie du mir, so ich dir“ begründen können, warum sich auf dem Arbeitsmarkt oft Löhne über dem rein formell zu erwartenden Marktniveau bewegen. Die Formel „wie du mir, so ich dir“ verweist auf ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis. Besondere Anstrengungen eines Arbeitnehmers werden vom Arbeitgeber auch besonders honoriert und umgekehrt.

Junge Menschen scheinen aus den vergangenen, wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten den Schluss zu ziehen, unsere gegenwärtige Stellung in der Welt garantiere weiterhin unsere Wohlfahrt auf weltweitem Spitzenniveau. In der Presse stand schon vor einigen Jahren zu lesen, gemäss einer Befragung von 12 000 jungen Schweizern gehe der jungen Generation die Work-Life-Balance über alles. Und 97 Prozent der Befragten schlössen aus, jemals eine eigene Firma zu gründen.

Das Fazit ist einfach zu ziehen: Wenn die freiwillige Leistungsbereitschaft über das absolut Notwendige hinaus verloren geht, könnte das Wohlstandsparadies Schweiz zunehmend Schaden nehmen.

Unerwartetes von berühmten Ökonomen

In der öffentlichen Meinung herrschen über die Ansichten wichtiger Figuren oft stereotype Floskeln. Nicht immer entsprechen diese den tatsächlichen Haltungen der betreffenden Personen. Das gilt auch für zwei berühmte Ökonomen, von denen mir zwei Aussagen besonders bemerkenswert erscheinen. Hier ein erstes Zitat:

Nor should the argument seem strange that taxation may be so high as to defeat its object, and that, given sufficient time to gather the fruits, a reduction of taxation will run a better chance than an increase of balancing the budget.”

Hätten Sie gedacht, dass diese Aussage von John Maynard Keynes stammt? Der Lieblings-Ökonom der politischen Linken klingt hier wie ein Vorläufer des „umstrittenen“ Ökonomen Arthur Laffer. Dieser vertrat in den 1980er-Jahren als Berater von US-Präsident Ronald Reagan eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und löste mit seiner Laffer-Kurve eine grosse Kontroverse um den Effekt von Steuersenkungen aus. Doch Keynes war nicht einfach Vorläufer, sondern ein wichtiger Inspirator für Laffer und seine These, wie man auf Wikipedia nachlesen kann.

Ein zweites Zitat scheint mir ebenso bemerkenswert:

„If there is a secret to Asian growth, it is simply deferred gratification, the willingness to sacrifice current satisfaction for future gain. That’s a hard answer to accept, especially for those American political intellectuals who recoil from the dreary task of reducing deficits and raising the national savings rate.“

So begründete der 2008 nobelpreisgekrönte US-amerikanische Ökonom Paul Krugman, der als «liberal» gilt (das heisst in den USA links stehend), im Jahr 1994 den wirtschaftlichen Aufstieg der asiatischen Tigerstaaten mit ihren hohen Wachstumsraten. Der Seitenhieb auf amerikanische politische Intellektuelle erstaunt angesichts von Krugmans heutigen Positionen am meisten. «Deferred gratification» und «reducing deficits» – das klingt doch wohl eher konservativ, und so könnte auch ein sogenannt neoliberaler Ökonom Krugmans Aussagen Wort für Wort unterschreiben.

Nachbemerkung: In den westlichen Wohlfahrtsstaaten – die Schweiz eingeschlossen – ist es schon seit langem völlig undenkbar, in Wahlen Mehrheiten für ein Programm von „deferred gratification“ und „reducing deficits“ zu gewinnen.