Der föderalistische Spitalwahnsinn

An der Landsgemeinde von Appenzell-Innerrhoden bewilligte der „Souverän“ für einen Spital-Neubau mit 26 Betten für stationäre Behandlungen CHF 41 Mio. Auf der SRF-Website steht zu lesen: „Das Konzept AVZ+ beinhaltet einen Notfall- und Rettungsdienst, eine ambulante Versorgung und eine Bettenstation. Die Abstimmung über den Spitalneubau war der Schlusspunkt eines mittlerweile rund zehnjährigen Prozesses. Die Befürworter argumentierten, dass der Kanton die Gesundheitsversorgung in eigenen Händen behalten solle. Die Gegner monierten, das Projekt sei überdimensioniert und rechne sich auf Dauer nicht.“

Im Vorfeld der Abstimmung gab es auch Stimmen, die eine Schliessung des Spitals befürworteten und eine Zusammenarbeit mit St.Gallen und Herisau (Appenzell-Ausserrhoden) anregten. Allerdings war das Projekt eines Spitalverbunds zwischen den geografisch verschränkten Appenzell Innerrhoden (16’000 Einwohner) und Ausserrhoden (55’000 Einwohner) schon früher gescheitert. Dass der Kanton St.Gallen, der die beiden Appenzeller Halbkantone geografisch umschliesst, mit Zustimmung des Stimmvolks in den nächsten Jahren rund CHF 1 Mrd. ausgibt, um seine staatlichen Spitäler auszubauen, passt ins Bild.

Jeder Kanton kocht im Spitalwesen sein eigenes Süppchen. Dass diese Art von unkooperativem Föderalismus das Gesundheitswesen ohne Zusatznutzen wesentlich verteuert, dürfte spontan jedem einleuchten. Das Grundproblem liegt darin, dass das Spitalwesen durch die Mehrfachrolle der Kantone (Spitalplanung, Gesetzgeber, Regulierer, Spitaleigentümer und -betreiber, Aufsicht) massiv politisiert ist. Im Klartext heisst das, dass am Schluss immer das Stimm- oder Wahlvolk entscheidet. Wenn ein kantonaler Gesundheitsdirektor etwas forsch Spitäler zusammenlegen oder schliessen will, wird er bei der nächsten Gelegenheit abgewählt (Beispiel St.Gallen). Und wenn es um die Erhaltung „eigener“ Spitäler geht, lassen sich praktisch immer und überall Volksmehrheiten mobilisieren, die sich gegen kostensparende strukturelle Reformen einsetzen. Krasses Beispiel ist der Kanton Neuenburg mit seinen „konkurrierenden“ Standorten Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, wo der Kampf um das „eigene“ Spital seit langem sogar innerkantonal tobt.

Frage: Wie soll unter solchen „zersplitterten“ institutionellen Bedingungen eine landesweite kohärente Gesundheits- und Spitalpolitik realisiert werden können? Ein Ding der Unmöglichkeit. Dezentralisierung ist gut, aber nicht in allen Fällen und in jedem Ausmass. Doch das Stimmvolk will offensichtlich keine Entpolitisierung des Spitalwesens. Aber bei der alljährlichen Klage über die unaufhaltsam steigenden Prämien der Krankenversicherung machen dann die meisten gerne wieder mit!