Ganzseitig kündigt die aktuelle Weltwoche ein Grossereignis an. Weltwoche-Verleger Roger Köppel – permanent im Kampf gegen die Unterwerfung unter die EU und gegen eine Annäherung an die NATO – hält unter dem Titel „Unsicheres Europa, sichere Schweiz“ Anfang März einen öffentlichen Vortrag. Sichere Schweiz? Da stutzt der Medienkonsument. Denn im Kontrast zu diesem Referatstitel sind die Medien, inklusive die Weltwoche, voll von Berichten über Flops und Skandale rund um die Armee und das Militärdepartement VBS. Es hat ein furchterregendes Ereignis gebraucht, nämlich den Ukrainekrieg, um die Schweiz, deren Politik und die Bevölkerung aus ihren Friedensträumen aufzuwecken – zumindest vorübergehend, denn die Stimmungen im Volk können rasch ändern, wenn es wieder ruhiger werden sollte. Schon jetzt merkt man, wie mit der Gewöhnung an den bereits drei Jahre dauernden Krieg der Wille, für die Armee mehr auszugeben, erlahmt.
Gratissicherheit dank NATO – wie lange noch?
Unser Land ist heute aus eigener Kraft militärisch nicht mehr verteidigungsfähig. Sieht so eine sichere Schweiz aus? Die Schweiz hat es sich unter dem Schutzschirm der NATO, sprich USA, seit Jahrzehnten bequem eingerichtet und die Armee abgewrackt. Eine Annäherung an die NATO, die Köppel als Verletzung der Neutralität bekämpft, ist gar nicht nötig, denn die NATO hat sich schon längst der Schweiz angenähert, nämlich geografisch. Wir sind fast rundum von NATO-Ländern umgeben, und ein Aggressor müsste am Boden oder in der Luft NATO-Territorium durchqueren, bevor er bei uns ankommt. Um die weiche NATO-freie Flanke im Osten (Österreich und Liechtenstein) würde sich ein künftiger VBS-Chef Markus Ritter aus dem Rheintal hoffentlich besonders kümmern. Wie dem auch sei, bis wir wieder glaubwürdig verteidigungsfähig sind, werden noch viele Jahre ins Land gehen. Und bis dahin bleiben wir zwingend unter dem Schutzschirm einer NATO, der die neue Trump-Politik zusetzt.
Die Schweiz ist derart in ihre eigenen politischen Institutionen verstrickt, dass grosse Würfe nicht mehr möglich sind. Alles unterliegt letztlich plebiszitären Stimmungen. Deshalb ist es nützlich, sich die Ergebnisse einer Sotomo-Umfrage zum Sparpaket des Bundesrates zu Gemüte zu führen. Anhand dieser Informationen sind dann Prognosen zur Frage möglich, wie lange es noch dauern dürfte, bis die Schweiz wieder militärisch sicher ist. Erst wenn dieser Zustand erreicht ist, befindet sich das Land wieder im Einklang mir der Staatsmaxime der bewaffneten Neutralität. Die Frage ist natürlich, ob die Putins dieser Welt so lange warten mögen.
Sparen bei der Armee bereits wieder populär
Das Massnahmenpaket des Bundesrates will den Bundeshaushalt, überwiegend durch Ausgabenkürzungen, jährlich um vier Milliarden Franken entlasten. Es sind dies nicht Einsparungen, sondern vorgesehen ist eine Reduktion des Ausgabenwachstums. Die Unterstützung des Pakets in der Bevölkerung ist gemäss Sotomo-Umfrage mässig. Nur 45 Prozent der Befragten unterstützen das Massnahmenpaket ganz oder eher. 48 Prozent lehnen es eher oder ganz ab. Allgemein gefragt sind zwar Ausgabenkürzungen populärer als Mehreinnahmen. Bei der Frage, wo denn die Ausgaben reduziert werden sollen, zeigen sich grosse Differenzen zwischen Parteien und Alterskategorien. Solche Differenzen können, wenn es konkret wird, immer Referenden oder Volksinitiativen provozieren.
In Bezug auf das mögliche Tempo des x Milliarden teuren Wiederaufbaus der Armee kommt das Thema Schuldenbremse ins Spiel. Zur Frage, ob die Schuldenbremse gelockert werden sollte, antworteten 61 Prozent der Befragten mit nein oder eher nein. Man kann davon ausgehen, dass die Schuldenbremse bestehen bleibt. Um sie zu ändern, bräuchte es ein obligatorisches Referendum mit Doppelmehr, eine kaum zu überwindende Hürde.
Bei der Frage, wo die Ausgabenkürzungen ansetzen sollten, wurden als populärste Bereiche für Einsparungen die folgenden fünf genannt, mit der Armee an dritter Stelle:
(Quelle: SOTOMO/Watson)
Unter dem Diktat der Schuldenbremse und angesichts hoher Defizite im Bundeshaushalt ist in Zukunft mit harten Konflikten um die knappen Mittel zu rechnen. Die Vetomöglichkeiten gegen unpopuläre Mehrausgaben oder gegen unpopuläre Ausgabenkürzungen via Referenden und Volksinitiativen sind in unserem politischen System institutionalisiert.
Zwei Formen von Neutralität
Es gibt eine pazifistische und eine bewaffnete Neutralität. Die Staatsmaxime der Schweiz ist seit dem Wiener Kongress von 1815 die bewaffnete Neutralität. Damals wurde die Schweiz von den Grossmächten mit der Auflage, sich selbst verteidigen zu können, in die Neutralität entlassen. Faktisch leben wir aber seit längerem in einem Modus der selbstgewählten pazifistischen Neutralität. Angesichts der institutionellen Schranken für grosse Würfe bleibt das „bewaffnet“ bis auf weiteres an die NATO delegiert. Vielleicht werden wir aber durch die Trump-Neuordnung der Welt noch vor ganz andere Herausforderungen gestellt. Kleiner würden sie allerdings kaum.
Ist die Schweiz noch ein neutraler Staat ?
Ist sie angemessen bewaffnet, um ihre Neutralität glaubwürdig durchzusetzen?
Wollen Bundesrat und Räte das noch?
Leider muss ich annehmen, dass alle drei Fragen mit „Nein“ beantwortet werden.
Und wenn es dennoch gewünscht wird, was muss getan werden, damit es wieder zu einer Tatsache wird, die von allen anderen Nationen anerkannt und akzeptiert wird?