Muss man sich als Schweizer schämen?
Dieses historische Abstimmungsplakat von 1946 zeigt immerhin die hohe Qualität schweizerischer Abstimmungswerbung der damaligen Zeit. Nicht nur besticht das Plakat durch die minimalistische Gestaltung der Botschaft, sondern auch durch die Möglichkeit unterschiedlicher Interpretationen. Der Teppichklopfer kann symbolisch als Hinweis gedeutet werden, wer denn wirklich zuhause die Hosen anhat und was den Herrn Ernährer dort erwarten könnte.
Wie dem auch sei, wir nähern uns den Feiern zur Volksabstimmung vom Februar 1971, als die stimmberechtigten Männer den Frauen nach mehreren früheren gescheiterten Anläufen endlich das Stimm- und Wahlrecht gewährten. Quer durch die Medienlandschaft herrscht jetzt schon Feierstimmung, aber immer latent oder offen mit einem begleitenden Schuld- und Schambekenntnis so nach dem Muster: Was sind doch wir Schweizer für ein knorrig-konservatives Volk, dass es so lange dauerte, bis wir als wohl letzte Demokratie das Stimm- und Wahlrecht für Frauen einführten! Bis dahin war die Schweiz doch nur eine halbe Demokratie! Was für eine Schande!
So ist nun zum Jubiläum in den Medien, in Ansprachen und sonstigen Verlautbarungen eine Flut von floskelhaften Vorwürfen und Selbstbezichtigungen zur verspäteten politischen Gleichstellung der Geschlechter zu lesen und zu hören. Aus heutiger Sicht erscheint uns wohl die Verweigerung des passiven Wahlrechts als besonders stossend, nämlich dass Frauen nicht in Parlamente und Exekutiven gewählt werden konnten. Doch gibt es ein verbreitetes Problem mit der Einschätzung vergangener Zustände und Ereignisse im Rückblick, nämlich den grassierenden Verlust an historischem Bewusstsein. Dieses Urteil trifft auch auf professionelle Medienschaffende zu. Die meisten von ihnen, die das Thema heute im Rückblick kommentieren, haben die damalige Zeit gar nicht selbst erlebt. Nur wer mindestens 65 Jahre alt ist, hat eine persönliche Erfahrung, wie der politische Prozess bis 1971 verlief. Und ist am besten in der Lage, die damaligen Ereignisse nüchtern und neutral zu bewerten.
Ich zähle zu diesen Alten und sehe keinen Grund, sich oder mich zu schämen oder gar zu empören. Schliesslich hielt man sich bei der politischen Behandlung des Anliegens strikt an die gültigen institutionellen Regeln. Zudem war die Schweiz mit ihren direkten Volksrechten schon damals das Land mit der weitaus stärksten Beteiligung des Stimmvolks an der Gestaltung der Politik. Die Schweiz war sicher auch das einzige demokratische Land der Welt, das die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen durch eine Volksabstimmung beschloss – ein Urnengang zudem, bei dem die Männer auf die Hälfte ihrer Stimmkraft verzichteten. Man darf die Anreizunterschiede in verschiedenen demokratischen Systemen nicht ausser acht lassen. Wer weiss, ob es unter denselben institutionellen Bedingungen in anderen Ländern nicht auch zu einer späten Gewährung der vollen politischen Rechte an die Frauen gekommen wäre.
Das Jubiläum „50 Jahre Frauenstimm- und -wahlrecht“ eignet sich natürlich auch hervorragend als Aufhänger für die rituelle Klage, dass die Benachteiligung der Frauen selbstverständlich bis heute andaure, vor allem in der Wirtschaft. Also gebe es in der rückständigen Schweiz noch viel Arbeit für all die Gleichstellungsbürokratien auf allen drei Staatsebenen. Leider wird bei diesem Thema zu viel moralisiert – auf Kosten empirisch gesicherter Fakten. Nehmen wir die angebliche Untervertretung der Frauen in Kaderpositionen der Wirtschaft, um an ein paar interessante Tatsachen zu erinnern.
Für viele Führungspositionen ist der männliche Kandidaten-Pool schlicht grösser als der weibliche. Drängt man unter diesen Voraussetzungen dann trotzdem auf eine möglichst ausgeglichene Vertretung der Geschlechter, riskiert man eine Diskriminierung der Männer. Hier sind auch folgende Fakten zu beachten: Frauen wählen viel häufiger als Männer „weiche“ Hochschuldisziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften, was ihren Karriereaussichten nicht unbedingt förderlich ist. (Für bessere Sichtbakeit Grafik anclicken):
Zudem unterscheidet sich die Normalverteilung des Intelligenz-Quotienten zwischen den Geschlechtern. Zwar ist der Durchschnitts-IQ von Männern und Frauen gleich, aber die Glockenkurve der Männer ist flacher. An den extremen Enden der Kurve – also bei den ganz Dummen und den Hochintelligenten – sind Männer im Vergleich in der Überzahl.
Schliesslich sind es doch eher Männer, welche die ungeheure Belastung von Führungspositionen auf hoher und höchster Ebene in Kauf zu nehmen bereit sind. Dass es diesbezüglich möglicherweise sogar biologische Unterschiede gibt, ist im Klima der heutigen extremistischen Genderismus-Ideologie natürlich eine etwas gewagte Aussage. Aber Männer sind nun einmal biologisch so programmiert, dass sie das andere Geschlecht durch Leistung – heisst, besser zu sein als die Konkurrenz – zu gewinnen suchen.
Künftig droht in der Wirtschaft unter dem Dauerdruck des vielstimmigen Gleichstellungschors eher eine umgekehrte Diskriminierung zulasten der Männer. Wenn es Führungspositionen zu besetzen gilt, haben Frauen – nicht nur bei gleichen, sondern gelegentlich sogar bei geringeren Kompetenzen – Vorteile, da Unternehmen opportunistisch auch die Imagewirkung von Stellenbesetzungen im Kader einbeziehen. So ist der hiesige Gleichstellungsaktivismus durchaus vergleichbar mit der „affirmative action“ zugunsten der Nichtweissen in den USA. Dort wird eine Benachteiligung von Weissen (oder beim Zugang zu Top-Universitäten von Asiaten) bewusst in Kauf genommen, um frühere Benachteiligungen von Farbigen zu kompensieren. Das ist nicht nur ungerecht und ethisch fragwürdig, sondern schadet auch der Gesellschaft.
Dieser Text erschien, leicht gekürzt, in der Weltwoche 03.21, Seite 48.
Nachtrag vom 24. Januar: In der heutigen NZZaS lese ich unter dem Titel „Neue Chefinnen für die Schweiz“ von einer gewissen Arianne Moser, die 2004 von einem Freund der Familie für das Amt einer Verwaltungsrätin der Drogeriekette Dropa angefragt wurde. Dieser unverhoffte Einstieg ohne jegliche Anstrengung und Konkurrenz war das Sprungbrett für weitere VR-Mandate, denn überall waren unter dem Gleichstellungsdruck Frauen gefragt. Seit nun das Parlament eine VR-Quote von 30 Prozent Frauen in grösseren Unternehmen vorgegeben hat, haben sich die Aussichten für Frauen weiter verbessert. Firmen, die die Quote nicht erreichen, fürchten negative Schlagzeilen in den Medien, sagte Martin Hilb, em. Professor für Personalmanagement an der Uni St.Gallen. Und weiter: „Frauen hatten noch nie so gute Chancen wie in den nächsten fünf Jahren, Verwaltungsrätinnen zu werden.“ Dasselbe gilt für Geschäftsleitungen. Willkommen im neuen Zeitalter der Männerdiskriminierung!