Zur klimapolitischen Kurskorrektur der FDP.Die Liberalen
„Die Schweiz als reiches Land kann es sich leisten, einen grösseren Effort für die Zukunft des Planeten zu leisten als andere.“ So redete gemäss NZZaS der Zürcher Ständerat Ruedi Noser den FDP-Delegierten an ihrer Versammlung letztes Wochenende ins Gewissen. Und weiter forderte Noser: „Wir sollten bis 2050 klimaneutral sein.“ Was in den nächsten 30 Jahren sonst noch so auf der Welt passieren könnte, danach fragte niemand. Der Umweltflügel habe sich bei den Delegierten durchgesetzt, schrieb die NZZaS-Journalistin. Nicht nur wurde Klimaneutralität bis 2050 als Ziel bestätigt. Auch die Massnahmen des Positionspapiers aus der Befragung der FDP-Basis erhielten die Zustimmung der Delegierten: eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen und eine Abgabe auf Flugtickets. Zudem will die Basis ein klares Bekenntnis zu den Zielen der Pariser Klimakonferenz und ein Inlandziel bei der Reduktion der Treibhausgase.
Ist irgendwo in diesem „Green New Deal“ der FDP noch ein kreativer Unterschied zu den Positionen von Links-Grün zu erkennen? Kaum. Im Hinblick auf die Wahlen im Herbst klingt nun die FDP, ganz auf der Linie ihres Sprachrohrs Noser, zum Verwechseln ähnlich wie die links-grünen Parteien. Sie hat sich quasi deren Deutungshoheit unterworfen. Man ist jetzt für das CO2-Gesetz mit Lenkungsabgabe, eine Abgabe auf Flugtickets und einen hohen Anteil an Inlandreduktion beim CO2. Skepsis gegenüber den illusionären Zielen der Pariser Klimakonferenz ist nicht mehr opportun. Man könnte sagen, dass die FDP aus Sorge vor Wahlverlusten „merkelt“. Merkel sicherte sich ihre Macht bekanntlich durch die Übernahme von links-grünen Anliegen. Das könnte sich im laufenden Wahljahr auch bei der FDP zumindest teilweise bezahlt machen. So funktioniert politische Logik. Mit guter Politik hat das wenig zu tun.
Dass die FDP-Basis, die jetzt den Kurs weitgehend bestimmt, „grüner“ tickt als die FDP-Kader, kann nicht verwundern. Die Meinungen in der breiten Bevölkerung sind von Illusionen über die Wirksamkeit von CO2-Vermeidungsstrategien dominiert. Zudem zeigt die Befragung der FDP-Basis, dass sich Links-grün in der öffentlichen Meinung längst die Deutungshoheit darüber gesichert hat, was als als korrekte Umwelt- und Klimapolitik zu gelten hat. Umso erstaunlicher ist die mehrheitliche prinzipielle Zustimmung der FDP-Basis zur Kernenergie, was die NZZaS-Journalistin als widersprüchlich taxiert. Ist es aber im Rahmen einer umfassenden CO2-Reduktionspolitik überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, wie auch massgebende Stimmen des Weltklimarats IPCC betonen. Darüber will aber die FDP-Parteileitung nicht diskutieren, und so wurde diese Ergebnis der Basisbefragung im Positionspapier einfach weggelassen. Das Volk habe darüber bereits entschieden, heisst es, und es wolle aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin niemand Mittel in den Ausbau der Kernkraft stecken.
Die ganze Problematik der ideologisch-moralisch aufgeladenen links-grünen Energie- und Klimapolitik zeigt sich allein schon im Widerspruch, fossil erzeugte Energie vermeiden zu wollen, jedoch auf den Beitrag der teuflischen Kernenergie zu verzichten. Das Energiegesetz als Teil der Klimapolitik wurde dem Stimmvolk mit dem endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie schmackhaft gemacht. Die VOTO-Nachbefragung ergab, dass das Verbot des Baus neuer AKW das wichtigste Motiv der Ja-Stimmenden war. Da hatte Energieministerin Doris Leuthard zugunsten ihres Prestigeprojekts richtig kalkuliert.
Ob auch die FDP mit ihrem Schwenker Richtung links-grün richtig kalkuliert, wird sich im Herbst zeigen. Für die Schweiz ist es jedenfalls wenig erbaulich, wenn am Schluss die SVP als einzige Partei dem aktuellen Hype um „Klimaschutz“ entgegenhält. Die schädliche Konstellation „alle gegen die SVP“ sollte endlich überwunden werden. Es gäbe ja gegen die Ressourcen verschwendende Klimapolitik links-grüner Deutungshoheit durchaus auch Argumente, die einer ursprünglich wirtschaftsliberalen Partei gut anstehen würden. Zum Beispiel die Kritik an teurer Symbolpolitik und die Forderung nach Effizienz auch in der Klimapolitik. Mit dem eingesetzten Franken soll eine möglichst grosse Wirkung erzielt werden. Das beliebte Argument „alle müssen etwas beitragen“, wäre als ökonomischer Humbug zu entlarven. Aktiv soll man dort werden, wo die knappen Mittel am meisten bringen. Im Inland ist CO2-Vermeidung sicher am teuersten. Man fragt sich, warum die FDP sich nicht dadurch vom Rest der Herde abheben will, indem sie in der öffentlichen Debatte den CO2-Emissionshandel der EU mit „cap and trade“ als sinnvolles Instrument propagiert.
Schliesslich würde es auch zu einer langfristig zukunftsgerichteten, nicht-populistischen Partei ohne fundamentalistische ideologische Fixierung gehören, dass sie es wagt, die Wirksamkeit gängiger Politik zu hinterfragen. Denn immer öfter vernimmt man massgebende unbefangene Fachmeinungen, welche den geforderten Verzicht auf fossile Energie mit dem Ziel der Klimaneutralität durch CO2-Vermeidung als vollkommen illusionär betrachten und einen grundsätzlich anderen Ansatz fordern. Der Entzug von CO2 aus der Luft wie in der Pilotanlage von Hinwil ZH ist längerfristig wahrscheinlich weniger aussichtsreich als eine Sequestrierung von CO2 im Boden oder eine technische Klimakühlung, wie sie auch von Sven Titz in der NZZ vom 13. Juni erwähnt worden ist. Wenn Klimaerwärmung wirklich das Problem ist, sollte man primär danach forschen, wie man die Erwärmung stoppt, ohne Ressourcen mit marginaler Wirkung zu verschwenden. Die FDP könnte sich mit einer solchen Zukunftsperspektive klar von den anderen Parteien abheben.
Dieser Text erschien als Gastkommentar in der NZZ vom 28. Juni 2019. FDP-Präsidentin Petra Gössi reagierte in einer Replik in der NZZ vom 4. Juli auf die Kritik: https://www.nzz.ch/meinung/verantwortung-zu-uebernehmen-ist-urliberal-ld.1493662