Wie sich Medien zu Gehilfen einer politisierten Wissenschaft machen
Die klimapolitische Berichterstattung auf unseren SRF-Kanälen setzt den informierten Zuhörer oder Zuschauer regelmässig unter Stress. Beim neusten Synthesebericht des Weltklimarats IPCC war es nicht anders.
Keine kritische Stimme auf den SRF-Kanälen
In den Radionachrichten vom 20. März erfuhr man, dass der Ausstoss an Treibhausgasen bis 2030 halbiert werden müsste, um das 1,5 Grad-Ziel der Klimakonferenz „Paris 2015“ zu schaffen. Obwohl wir bei weitem nicht auf dem erforderlichen Absenkungspfad seien, gebe es Hoffnung, denn wir hätten die Möglichkeiten, das 1.5 Grad-Ziel zu erreichen. Wissenschaftsredaktor Klaus Ammann meinte zum Nutzen solcher Berichte, sie würden Impulse vermitteln. So sei etwa das Instrument der Restbudgets für Emissionen inzwischen anerkannt. Zudem zeigten die IPCC-Berichte den wissenschaftlich fundierten Konsens über den menschengemachten Klimawandel.
Auch das SRF-Fernsehen berichtete über den Synthesebericht. Der ETHZ-Klimaforscher Andreas Fischlin – Mitglied im IPCC Steering Committee – warnte, die Gefahren des Klimawandels seien noch grösser als bisher angenommen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprach von einer Klima-Zeitbombe. Dann durfte noch eine sehr jugendliche Klimaaktivistin mit obligater Pause für den Genderstern zum Synthesebericht etwas sagen. Sie finde es schon speziell, dass Politiker*innen darüber abstimmen, was nachher Grundlage für das Handeln sei.
Warnende Stimmen vor der Klima-Zeitbombe stammten auf den SRF-Medien von drei Greenpeace-würdig alarmierten ETH-Professoren, einem WWF-Vertreter, kirchlichen Hilfswerken, dem UN-Generalsekretär und einer Klimaaktivistin. Fehlte da nicht eine Stimme, die eine kritische Meinung zum Synthesebericht äussert? Oder zum ganzen Hype um netto null/1,5 Grad? Denn es gäbe Wichtiges zu ergänzen, damit die Öffentlichkeit nicht noch weiter der Meinungsmacht aus Hochschulen, Medien und Politik ausgeliefert bleibt.
Ergänzungen zum Synthesebericht
Erstens ist der Synthesebericht, trotz seinem wissenschaftlich-technischen Auftritt, kein rein wissenschaftliches Dokument. Er wird von den 195 Teilnehmerstaaten in Verhandlungen redigiert. Ein alarmistischer Grundton wird von Grafiken zur massiven Lücke zwischen dem geschätzten CO2-Absenkungspfad für das 1,5 Grad-Ziel und zugesagten nationalen CO2-Reduktionszielen der Teilnehmerstaaten begleitet und soll die Weltgemeinschaft zum Handeln aufrütteln. Die drastischen Formulierungen, die am Ende der Übertragungskette in den Medien landen, finden in den Grundlagenberichten kaum je Rückhalt.
Zweitens gilt der immer wieder genannte wissenschaftliche Konsens nur für die allgemeine Aussage, dass menschliche Aktivitäten zur Klimaerwärmung beitragen. In welchem Ausmass und vor allem mit welchen Auswirkungen, darüber gibt es unterschiedliche Forschungsergebnisse.
Drittens ist es eine Verdrängung der globalen Realitäten, am 1,5 Grad-Ziel und den angeblich notwendigen, aber völlig utopischen CO2-Reduktionspfaden festzuhalten. Selbst viele Klimaforscher wussten schon nach „Paris 2015“, dass das 1,5 Grad- Ziel nicht einzuhalten war. Trotzdem erklärt der Weltklimarat maximal 1,5 Grad Erwärmung weiterhin zu einem sinnvollen politischen Ziel, und die Klimaforschung passt sich opportunistisch an.
Viertens wird die Rechnerei um CO2-Restbudgets durch die grosse Unsicherheit über die Klimasensitivität – d.h. den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Temperatur – erschwert. Quasi tonnengenaue Restbudgets und Gnadenfristen, wie sie in der politischen Kampfarena aufgefahren werden, sind unseriös.
Lokale Ideologie – globale Realität
Unter dem Titel „Die Klimadebatte – lokale Ideologie – globale Realität“ findet man auf YouTube ein Referat des Physik-Professors Gerd Ganteför (Universität Konstanz), das ideologisch geprägte (deutsche) Klimapolitik kritisch an den globalen Realitäten misst (https://www.youtube.com/watch?v=OaWM2Pd0sHY). Die Kernbotschaft lautet, auf dem falschen Weg mehr zu tun, ist eine kostspielige politische Fehlleistung. Das gilt auch für die Schweiz. Doch bei uns wirkt die Forschung der staatlichen Hochschulen in Symbiose mit den staatsnahen SRF-Medien als Erfüllungsgehilfen der offiziellen Klima- und Energiepolitik – ob aus ideologischer Überzeugung oder in Erwartung handfesterer Vorteile sei offengelassen.
Was in diesem Meinungsklima für politische Programme entstehen, dafür lieferte Radio SRF in den Nachrichten vom 25. März ein Muster. Die Grünliberalen hatten an ihrer Delegiertenversammlung den Wahlkampf für die Wahlen im Herbst mit dem Slogan „Mut zur Lösung“ lanciert. Das heisst nach Auskunft des Parteipräsidenten Jürg Grossen, man wolle mit mutigen Entscheiden der nächsten Generation einen funktionierenden Planeten hinterlassen. Ginge es nicht auch etwas bescheidener, Herr Grossen? Mit welchen mutigen Entscheiden möchten Sie denn die Chinesen, die Inder und viele andere auf die Parteilinie der GLP bringen? Mutig wäre es, im schweizerischen Landesinteresse die ideologische Ablehnung der Kernenergie aufzugeben, statt den Planeten retten zu wollen. Jürg Grossen und viele andere Politiker täten gut daran, ihre lokalen Lösungen für einen funktionierenden Planeten an den faktenreichen Ausführungen von Professor Ganteför zu messen.
Eine gekürzte Version dieses Beitrags erschien am 24. April 2023 im Feuilleton der NZZ (mit Zahlschranke).