Mein Jahresrückblick 2024 (Teil 1)

Ein Rückblick in zwei Portionen, damit er nicht zu lang wird

Bild: Abstimmungssendung des Schweizer Fernsehens vom 22. September zum erfolgreichen Referendum gegen die BVG-Reform. Ein Kommentar dazu findet sich weiter unten im Text.

In den ersten Tagen des neuen Jahres stellen wir uns Fragen wie diese: Wie hat sich die Schweiz 2024 in einer unsicheren Welt bewegt? Haben wir wenigstens unsere Hausaufgaben gemacht, bei denen uns niemand reinreden kann? Welches waren die wichtigen Themen? Worüber und wie haben wir abgestimmt? Was bescherten uns die unverdrossen mahlenden Mühlen unserer Verwaltungs- und Verordnungsbürokratie?

Im diesem ersten Teil geht es vorerst, nach einer Kurzbeschreibung des grossen Umfelds, nur um die beiden ewigen Grossthemen der Altersvorsorge und des Gesundheitswesens. Der zweite Teil befasst sich später mit der Frage nach Fortschritten in der Energiepolitik („Energiewende“), dem Verhältnis zur EU, dem Armeeaufbau und der Verkehrsinfrastruktur, garniert mit kurzen Bemerkungen zu weiteren Themen.

Überzogene Wohlfahrtsstaaten am Ende
In vielen europäischen Demokratien ist die schleichende Sozialdemokratisierung der Politik letztes Jahr endgültig an ihre Grenzen gestossen. Der überzogene Wohlfahrtsstaat ist nicht mehr finanzierbar, verschlimmert durch den grünen Einfluss auf die Energiepolitik. Diese Entwicklung zu immer mehr Bürokratie, Regulierung, Umverteilung, Verschuldung, Wählerkorrumpierung und Untergrabung traditioneller Verhaltenstugenden hat die Leistungsanreize derart beschädigt, dass – wenn überhaupt Wirtschaftswachstum – nur noch anämische Raten resultieren.

Gleicher Trend in der Schweiz
In der Schweiz sind wir zwar noch besser dran, aber der Trend geht in die gleiche Richtung. Im vergangenen Jahr haben sich alle Versäumnisse einer jahrelangen Schönwetterpolitik in kumulierter Form bemerkbar gemacht und zu hektischem Treiben bei der Suche nach fehlenden Mitteln unter der Knute der starren Schuldenbremse geführt. Die wichtigen Themen des vergangenen Jahres sind schon seit Jahren die wichtigen, weil im eidgenössischen Kompromissgerangel des Austarierens aller Interessen nur noch kleine Schritte möglich sind und keine nachhaltigen Reformen gelingen.

Vielsagende Grafik
Das Bild der SRG-Abstimmungssendung oben unter dem Titel enthält eine sehr wichtige Botschaft in der Grafik. Von 49 Prozent Zustimmung zur BVG-Vorlage von Bundesrat und Parlament in der August-Umfrage der SRG ging es abwärts zu noch 42 Prozent im September und zu 31 Prozent in der Hochrechnung am Abstimmungs-Sonntag (es waren am Ende knapp 33 Prozent Ja-Stimmen). Dieser Abfall ist ein typisches Muster bei den meist erfolgreichen sozialpolitischen Referenden der Linken.

Die Erklärung ist die: Die Masse der Stimmbürger hat in der Regel wenig Vorwissen zu einer Vorlage. Das entspricht dem Wissensstand zum Zeitpunkt der ersten Umfrage. Informationen in den Medien und Abstimmungspropaganda nehmen erst relativ kurz vor dem Termin des Urnengangs nach der ersten Umfrage zu. Dann setzt vor allem die polemische linke Propaganda ein, und zwar stets gegen alle möglichen Bösewichte wie die „Finanzindustrie“, die „Versicherungslobby“ oder die „Abzocker“, garniert mit Schlagworten wie „Renten-Bschiss“ und ähnlichen emotionalisierenden Floskeln. Auch nachweisbare Falschinformationen gehören ins Kampfarsenal. Dagegen mit nüchterner Sachinformation anzukommen – es geht meist um komplizierte eidgenössische Kompromisse – ist aussichtslos. Der Effekt zeigt sich dann in der zweiten SRG-Umfrage. Die Zustimmung bröckelt. Das geht bis zum Abstimmungs-Wochenende im gleichen Stil weiter. Und siehe da: Am Ende siegt die Polemik. Dies zeigt sich auch in den Nachabstimmungs-Umfragen, die als VOX- oder VOTO-Analysen publiziert werden. Dort findet man bei den Abstimmungsmotiven von Referndumsbefürwortern immer wieder Floskeln, die mit der Referendumspropaganda übereinstimmen.

Man kann hier mildernd anfügen, dass am Ende auch einige Experten fanden, der Status-Quo sei besser als die Reform. Nur war diese Botschaft nicht gerade einfach zu verstehen und wurde kaum weitherum zur Kenntnis genommen. Auch ohne diesen Einfluss wäre die Vorlage unter dem Beschuss von links klar gescheitert. Wichtig: Es geht bei diesen regelmässigen sozialpolitischen Referenden nie einfach nur um das Inhaltliche, denn sozial sind die linken Siege in ihren Auswirkungen gerade nicht. Mindestens so wichtig ist die Demonstration von politischer Macht und deren Steigerung zum Einsatz in künftigen politischen Auseinandersetzungen.

Rückschritte in der Altersvorsorge
Am 3. März kamen bei hoher Stimmbeteiligung von über 58 Prozent zwei Volksinitiativen zur AHV zur Abstimmung. Die linke Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente, die das ohnehin nicht nachhaltige AHV-System zusätzlich belastet, wurde mit 58,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Die Renteninitiative bürgerlicher Jungparteien erzielte dagegen nur gut 25,2 Prozent Ja-Stimmen. Sie verlangte eine behutsame Anhebung des Rentenalters und dessen Bindung an die Lebenserwartung und hätte die Nachhaltigkeit des Systems verbessert. Die VOX-Analyse zur Abstimmung hält fest: „Eine mögliche Einnahmequelle für eine 13. AHV-Rente hätte die zweite Vorlage bringen können. Genau: Wer für die 13. AHV-Rente stimmte, hätte vernünftigerweise auch für die Renteninitiative stimmen sollen. Die Mehrheit des Stimmvolks hält aber nichts von Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge.

Am 22. September kam das linke Referendum gegen die BVG-Reform zur Abstimmung. Bei einer Stimmbeteiligung von gut 45% erzielte die Reformvorlage nur 32,9 Prozent Ja-Stimmen. Sie war ein intransparentes, schwer verständliches Kompromiss-Projekt, das am Schluss sogar BVG-Experten kritisierten oder gar ablehnten. Umso leichter war es für die linken Gegner, die Leute mit plakativen Falschinformationen in die Irre zu führen. Das Resultat ist, nach langer und aufwendiger Kompromisssuche, eine weitere BVG-Nullrunde.

Mein Fazit: In der Altersvorsorge bewegen wir uns weiter auf schiefer Bahn. Da die Finanzierung der 13. AHV-Rente auch den Bundeshaushalt belasten wird, gibt es unter der Schuldenbremse einen Spardruck auf andere wichtige Aufgabenbereiche wie die Bildung, den Armeeaufbau oder Verkehrs- und Energieinfrastrukturen.

Gemischte Bilanz im Gesundheitswesen
Wenn ich an das seit Jahren stockende Projekt eines elektronischen Patientendossiers denke, kriege ich immer einen sanften Wutanfall. Das Land, das sich gerne aufgrund irgendwelcher Rankings selbst als innovativstes Land der Welt feiert, ist bis heute unfähig, die kostensenkenden Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu nutzen wie dies bereits eine Anzahl anderer europäischer Länder tut.

Mein Ceterum Censeo (übrigens auch für andere Bereiche) lautet: „It’s the institutions, stupid!“ Die heutige weitgehende Kantonalisierung des Gesundheitswesens ist eine Innovationsbremse und ist durch die technologische Entwicklung überholt. Vermutlich tun auch die oft völlig übertriebenen Datenschutzbedenken ihre Wirkung – Bedenkenträger gibt es ja hierzulande immer genug, egal auf welchem Gebiet.

Am 9. Juni gelangten drei Volksinitiativen zur Abstimmung, die das Gesundheitswesen betrafen. Zwei davon versprachen eine Kostensenkung: Die „Prämien-Entlastungs-Initiative“ und die „Kostenbremse-Initiative“. Bei einer Stimmbeteiligung gut 45 Prozent wurden beide Initiativen deutlich abgelehnt. Das bedeutet, es bleibt beim Status-Quo. Die beiden „Deckel-drauf-Initiativen“ hätten die Kosten nicht gesenkt, nur anders verteilt, jedoch an den massiven Fehlanreizen und der mangelnden Digitalisierung des Systems nichts geändert.

Am 24. November kam das linke Referendum gegen die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Spitalleistungen (EFAS) gemäss Bundesgesetzes über die Krankenversicherung KVG zur Abstimmung und scheiterte. Die Vorlage wurde bei einer Stimmbeteiligung von rund 45 Prozent mit gut 53 Prozent Ja-Stimmen eher knapp angenommen. Die einheitliche Finanzierung war über Jahrzehnte eine Dauerforderung von Experten. Man erwartet davon eine Verlagerung auf mehr günstige ambulante Behandlungen. Allerdings hat man sich schon von früheren Reformen (z.B. Fallpauschalen) kostendämpfende Effekte erhofft, die aber nicht eingetreten sind. Oft wird unterschätzt, dass alle Beteiligten durch Verhaltensänderungen Möglichkeiten haben, eigene Opfer zu vermeiden.

Mein Fazit: Die einheitliche Finanzierung ist positiv zu werten. Die weiter bestehenden Fehlanreizen zur Übernutzung der Systems und der mangelnden Digitalisierung bleiben aber ungelöst. Die realisierten Fortschritte im Gesundheitswesen sind nur Trippelschritte in einem System, das grundlegende Reformen braucht. Wenn es einfach so weitergeht wie gehabt, werden die alten Steckenpferde der Linken, d.h. einkommensabhängige Prämien und eine Einheitskrankenkasse, immer populärer und dann auch mit Volksinitiativen auf die Agenda gesetzt.

One thought on “Mein Jahresrückblick 2024 (Teil 1)”
  1. Du hast das neue Jahr gut angefangen, lieber Hans.
    Da im restlichen Europa der Linkstrend langsam gestoppt wird, wird wohl auch bei uns die Wende erst kommen, wenn es beim Durchschnittsbürger im Geldbeutel knapp wird – aufgrund steigender Steuern und Abgaben.

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