Die NZZ vom 6. Dezember 2014 meldete: An einer Tagung der Beratungsfirma PPCmetrics über die langfristige Finanzierung von Pensionskassen erinnerte die St.Galler Ökonomieprofessorin Monika Bütler daran, dass bei der Finanzierung des BVG-Systems auch das Verhalten der Versicherten zu berücksichtigen sei – eigentlich eine Trivialität, sollte man meinen. Doch in der Sozialpolitik, wo bestimmte Interessengruppen längst die Deutungshoheit über „das Soziale“ übernommen haben, dominieren fragwürdige Menschenbilder und Moraldiktate. Bütler verwies auf die Fehlanreize, die daraus entstünden, dass die garantierte Grundsicherung aus den Ergänzungsleistungen zur AHV und IV 40 Prozent über der AHV-Maximalrente liege. Also sei es vorteilhaft, wenn Leute ohne eigene Ersparnisse ihr BVG-Alterskapital bezögen und ausgäben und dann Ergänzungsleistungen beanspruchten.
Monika Bütler ist als Ökonomin mit naturwissenschaftlichem Bildungshintergrund bekannt für ihre faktenbasierten, unaufgeregten und möglichst ideologiefreien Verlautbarungen. Kritik an Bütler kam dann prompt von einem gar nicht ideologiefreien Kollegen Bütlers, nämlich vom Armutsforscher Ueli Mäder von der Universität Basel, nicht zufällig einem beliebten Armuts-Experten unserer „Staatsmedien“. Dieser Professor Mäder ist bekannt, ja sogar berüchtigt dafür, dass er sich mit seinem Forschungsgegenstand Armut derart identifiziert, dass er ständig dem Risiko unterliegt, moralische Urteile abzugeben, statt Wissenschaft zu betreiben. Konfrontiert mit Bütlers Aussagen, meinte Mäder gemäss Tagespresse, er wisse nicht, was Bütler mit dieser Polemik wolle. Allein schon Bütlers stocknüchterne Feststellung als Polemik zu bezeichnen, lässt am Urteilsvermögen des Armutsforschers zweifeln.
Frau Bütler warnte dann einige Tage später in ihrer gewohnt sachlichen Art auch noch vor einer „tickenden Anstandsbombe“ in der Sozialpolitik (Meldung in der NZZ vom 29.12.2014). Diese werde im Gegensatz zur „tickenden demografischen Bombe“ von Politik und Öffentlichkeit weitestgehend ignoriert. Bütler wies darauf hin, dass die Kosten des grosszügigen schweizerischen Sozialsystems nur deshalb noch finanzierbar seien, weil viele Leute aus Anstand auf staatliche Leistungen verzichteten, auf die sie formell Anspruch hätten. Diese Zurückhaltung sei aber nachweislich am Bröckeln. Das bisherige Gleichgewicht aus Anstand der Leistungsberechtigten und Steuermoral sei gefährdet – und damit auch die Finanzierbarkeit des Sozialstaats. Armutsforscher Mäder würde vermutlich auch diese Aussagen als Polemik abqualifizieren.