Eine ganzheitliche Sicht zeigt ein objektiveres Bild
Wer den Begriff „General Purpose Technologies“ oder kurz GPTs noch nie gehört hat, kann sich auf YouTube das Referat der prominenten Ökonomin Mariana Mazzucato bei der norwegischen Investment-Firma Skagen Fondene anschauen. Dort zeigt sie diese Folie:
GPTs sind Technologien, die mit staatlichen Mitteln angestossen oder gefördert wurden, bevor sie in der privaten Wirtschaft über Produktivitätsfortschritte monetarisiert werden konnten. Mazzucatos Liste auf der Folie zeigt eine Auswahl solcher GPTs. Im Begriff enthalten ist die Kritik an einer einseitigen Sicht von Innovation und technologischem Fortschritt.
Mazzucato betont die entscheidende und oft unterschätzte Rolle des Staates. Diese Rolle soll sich nicht auf die Beseitigung von Marktversagen beschränken, wie es marktliberale Ökonomen fordern. Mazzucato plädiert für einen neuen Kapitalismus. Das ist nach ihrer Ansicht ein System, in dem Staat, Politik und Privatwirtschaft, alle im Rahmen vielfältiger gegenseitiger Beziehungen, für Innovation ihren Beitrag leisten. Kein Wunder, heisst ihr vielleicht bekanntestes Buch „The Entrepreneurial State“. Wer das Gefühl hat, das rieche nach einer aktiven Industriepolitik, liegt nicht ganz falsch.
Mazzucato kritisiert im erwähnten Referat auch kurz die stark gewachsene Einkommens- und Vermögensungleichheit und assoziiert dies mit dem Phänomen der GPTs bzw. den besonders profitierenden grossen Techfirmen und ihren Aktionären. Man kann daraus schliessen, dass sie der Meinung ist, Investitionskosten für Innovation und Gewinne daraus seien zulasten des Staates ungerecht, vor allem aber auch ineffizient verteilt. Diese Sichtweise hat auch in der breiteren Öffentlichkeit viele Anhänger. Dabei wird jedoch ein Aspekt, der für eine ganzheitliche Sichtweise wichtig ist, unterschlagen.
Nicht nur zahlen private Unternehmen und ihre Angestellten Steuern, die erfolgreichen mehr als die mittelmässigen. Mindestens so wichtig, wenn nicht sogar wichtiger ist ein anderer Aspekt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass private Firmen kaum je in der Lage sind, allen Nutzen, den sie für die Kunden bzw. die Gesellschaft schaffen, als Erträge oder Gewinne zu internalisieren. Erstens bleibt immer eine Konsumentenrente extern bei den Kunden hängen. Das ist die Differenz zwischen der maximalen Zahlungsbereitschaft und dem Marktpreis. Alle Kunden, die kaufen, wären auch bereit, einen zumindest marginal höheren Betrag zu zahlen als den Marktpreis.
Jenseits der Konsumentenrente schaffen gerade erfolgreiche innovative private Firmen, die von staatlicher Förderung profitiert haben, auch noch sozialen Nutzen, den sie nicht internalisieren können. Auf der Konsumseite entstehen kaum bezifferbare allgemeine Produktivitäts- und Qualitätsfortschritte. Diese Effekte sind in einer Gesamtbetrachtung auch zu berücksichtigen, sonst erhält man ein verzerrtes Bild. Wenn staatliche Mittel Innovationen angestossen haben, profitiert die Gesellschaft am Ende kompensierend durch die genannten positiven externen Effekte unternehmerischer Tätigkeit.
Zudem ist nicht zu vergessen, dass die Weiterentwicklung einer gewissen Basistechnologie in Geschäftsmodelle mit marktfähigen Produkten eine beträchtliche unternehmerische Leistung darstellt. Dass dies nur in der privaten Wirtschaft erfolgreich geschehen kann, hat mit den positiven Anreizen einer freien Wettbewerbswirtschaft zu tun.