Ein spontaner sonntäglicher Beitrag ohne Anspruch auf Tiefgang
Bei volldaneben.ch geht es nicht immer todernst zur Sache. Jüngst erlaubte ich mir einen kleinen Scherz zur Klimakonferenz COP29 in Baku. Heute liefere ich leichte sonntägliche Zwischenverpflegung, bevor ich mich nächste Woche an einen grösseren Brocken wage. Geplant ist eine Serie über die real existierenden direkten Volksrechte in ihrer heutigen Ausgestaltung.
Unfreiwilliger Kurzkontakt mit dem französischen Gesundheitswesen
Am letzten Freitag erhielt ich Post mit dem Briefkopf der République Française, Centre des Finances Publiques. Der Hintergrund ist folgender: Im vergangenen Juni produzierte ich in der Nähe von Besançon einen harmlosen Sturz auf dem Rennvelo – quasi im Stehen. Ich ritzte mir am Zahnkranz des Kettenblattes die Wade auf, und die Wunde musste genäht werden. Also begab ich mich in den Notfall des Universitätsspitals von Besançon. Das Prozedere mit Anmeldung, Untersuchung, Behandlung, Nähen der Wunde und Anlegen eines Verbandes dauerte über zwei Stunden. Alles äusserst professionell. Aber es gab kein Inkasso an Ort und Stelle. Bei der Abrechnung von Behandlungskosten eines Ausländers ohne französische Versicherung stottert die französische Gesundheitsbürokratie. Ich erhielt dann später Post mit zusätzlichen Anfragen, garniert mit unverständlichen Abkürzungen, worauf ich einfach um eine Rechnung bat. Diese kam dann nach x weiteren Wochen. Ich bezahlte mit Banküberweisung und erhielt dann noch diese Bestätigung (Attestation de Paiement):
Sie lesen ganz unten richtig – EUR 19,61. Allein der administrative Aufwand mit Briefverkehr muss vielfach höhere Kosten verursacht haben, geschweige denn die ganze Verarztung auf hohem Niveau. Ich kenne das Abrechnungssystem des französischen Gesundheitswesens nicht, aber vermutlich trägt dieses mit einer derart lächerlichen Belastung von Patienten seinen Teil zur hohen Staatsverschuldung Frankreichs bei.
Sturzpilot auch in Italien
Im Piemont musste ich vor einigen Jahren nach einem Rutscher in einer Kurve mit ausgerenktem Daumenglied in den Notfall des Spitals in Alba. Die Aufnahme mit Triage war rasch erledigt, da ich als Hausbesitzer mit Niederlassung mangels Brandmauern im ganzen administrativen System Italiens im Gesundheitswesen bereits erfasst war, ohne dort je Leistungen beansprucht zu haben. Das Prozedere mit zweimaligem Röntgen, Wartezeiten und Einrenken des Daumen durch einen Orthopäden dauerte fast drei Stunden. Beim „Auschecken“ sagte man mir, ich müsse anderntags die Röntgenbilder am Schalter abholen, sonst müssten sie mir eine Rechnung schicken. Mit anderen Worten, ich wurde „gratis“ behandelt.
Kontrastland Schweiz
Machen wir nun doch noch den Sprung vom Anekdotischen zum Allgemeinen. Obwohl die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) gerade geschätzt hat, dass die Gesundheitskosten in der Schweiz nächstes Jahr auf über CHF 100 Mrd. steigen werden, kann man sich fragen, ob Frankreich und Italien mit ihrem „Fast-gratis“-System besser fahren. Hätten wir in unserem System nicht eine beträchtliche Kostenbeteiligung der Versicherten, würden die Gesundheitskosten wohl noch stärker zunehmen. Insgesamt muss man sagen, dass unser Gesundheitswesen dank der massiven Immigration in diese Branche noch gut funktioniert.
Aber nachhaltig ist unser System wegen der eingebauten Fehlanreize nicht. Abgesehen vom grossen Digitalisierungsrückstand ist das Grundübel der Vertragszwang der Krankenkassen, der echten Wettbewerb mit differenzierten Angeboten und Qualitätsvergleichen verhindert. Reformen wie der Übergang zu Fallpauschalen scheinen Kosten nicht gedämpft zu haben. Für Anbieter gibt es immer Möglichkeiten, dem Kostendruck mit Verhaltensanpassungen auszuweichen. Wenn die Gesundheitskosten wie bisher weiter ansteigen, werden in der Bevölkerung die Steckenpferde der Linken immer populärer: staatliche Einheitskrankenkasse und einkommensabhängige Prämien. Im Falle von linken Volksinitiativen in diese Richtung dürfte das notwendige Ständemehr noch eine zu hohe Hürde darstellen. Was jedoch das System zur Gesundung braucht, ist nicht immer mehr Staat und Umverteilung, sondern mehr Markt und mehr Wahlfreiheit für die Versicherten.
Die Linke würde nebst den Steuern am liebsten das Kranken-,sorry das Gesundheitswesen, die Wohnkosten und wohl auch das Verkehrssystem nach Einkommen bepreisen.
Max Rindlisbacher