Schon im Wahlfieber, Herr Rentsch? Interview mit einem up!-Kandidaten

Volldaneben: Herr Hans Rentsch, in Ihrem kürzlich erschienen kritischen Kommentar zu den Smartspider-Profilen in der NZZ konnte man erfahren, dass Sie auf der Liste der Unabhängigen Partei up! im Kt. Zürich für den Nationalrat kandidieren. Wie beurteilen Sie Ihre Wahlchancen?

Rentsch: Schlecht. Wir haben ja Partei-Wahlen, nicht Personen-Wahlen, und selbst wenn es Personen-Wahlen wären, bin ich zu wenig bekannt. Neue kleine Start-up-Parteien haben im heutigen Wahlsystem für den NR kaum Chancen auf einen Sitz. Der einigermassen rationale Wähler „verschenkt“ seine Stimme lieber nicht an eine praktisch aussichtslose Liste mit wenig bekannten Gesichtern. Das bevorteilt natürlich die Etablierten, verhindert aber auch eine totale Zersplitterung der Parteienlandschaft im Parlament.

Volldaneben: Warum kandidieren Sie trotzdem?

Rentsch: Erstens macht mir das jugendlich-kreative Klima von up! viel Spass. Da sind intelligente und originelle junge Leute am Werk, welche all die altgedienten Figuren in unseren politischen Führungsgremien sehr alt aussehen lassen, inklusive die ge-mainstreamten Jungpolitiker der etablierten Parteien. Zweitens hatte ich immer radikalliberale Neigungen, aber nirgends eine politische Heimat. up! bietet diese nun. Und drittens lässt sich die radikalliberale Botschaft von up! in einem Wahlkampf gut unter die Leute bringen. In vier Jahren ist dann vielleicht ein NR-Sitz nicht mehr ein Ding der Unmöglichkeit, auch unter dem bestehenden Wahlsystem.

Volldaneben: Von der radikalliberalen Botschaft von up! hat man aber in der Öffentlichkeit noch wenig gehört, vielleicht ausser dem Jux mit der Abschaffung der Biersteuer. 

Rentsch: Einspruch! Von Jux kann keine Rede sein. Am konkreten Beispiel muss man aufzeigen, woran wir kranken. Die Biersteuer ist konkret ein bürokratisches Ärgernis, aber auch ein ganz allgemein gültiges Symbol für den allmächtigen Steuerstaat. Wenn es ein Ding wie diese unsägliche und nach Produkten diskriminierende Biersteuer gibt, kann man getrost davon ausgehen, dass der Staat sich an unzähligen anderen Orten ähnlich gefrässig verhält wie bei der Biersteuer.

Volldaneben: Gut, dann nennen Sie uns doch bitte ein paar andere Beispiele für Ihre radikalliberale Botschaft.

Rentsch: Wir haben uns in offiziellen Vernehmlassungen zur Agrarpolitik (gegen den Gegenvorschlag des Bundesrats zur Ernährungssicherheits-Initiative des SBV), zur Energie- und Klimapolitik (Übergang zu Lenkungsabgaben/gegen die „Energiestrategie 2050“) und radikalliberal kritisch zu anderen Themen geäussert. Diese Stellungnahmen sind alle auf der up!-Website www.up-schweiz.ch publiziert. Ein Schwerpunktthema ist auch die Liberalisierung des Drogenkonsums.

Volldaneben: Gibt es noch etwas mehr Fleisch am Knochen? Konkretere politische Forderungen, damit sich die Wählerschaft daran orientieren kann?

Rentsch: Gerne, ich zitiere einfach mal in einer Aufzählung aus dem up!-Programm: Steuersystem vereinfachen und Steuern senken, Schulen entstaatlichen, freie Schulwahl, individuelle Altersvorsorge statt staatlicher Zwang, Staatsaufgaben reduzieren und Schulden abbauen, Lichtung des Sozialleistungsdschungels, Sozialhilfe auf Gemeindeebene, Entstaatlichung von Staatskonzernen und parastaatlichen Unternehmen, gnerell mehr Wettbewerb, Liberalisierung der Ehe, keine Subventionierung von Lebensmodellen, weltoffene Neutralität, Freihandel weltweit, Abbau von Mobilitäts-Subventionen, Verursacherprinzip im Verkehr, Energiewirtschaft entpolitisieren, Abbau der Regulierungen im  Wohnungswesen etc. etc. Mit anderen Worten: up! verfügt über ein ausformuliertes Parteiprogramm, das jedermann auf der Homepage zugänglich ist.

Volldaneben: Sie, Herr Rentsch, sind ja schon ein gestandener Jahrgang. Passen Sie überhaupt in so eine Umgebung von aus Ihrer Sicht ziemlich Jugendlichen, die es optimistisch übermütig wagen, gegen den Strom zu schwimmen? 

Rentsch: Mir gefällt das Rebellische an up! Das Rebellische hat mich immer geprägt. Ich gehöre vom Jahrgang her passgenau in die 68er-Generation, habe aber an den Studentenprotesten damals nie teilgenommen. Mir waren diese von einigen Studentenführern manipulierten Studentenmassen nie geheuer. In einer rebellischen Masse wird der Einzelne zum Mitläufer. Mir widerstrebte es, mich einer gleichgeschalteten Masse von Sozialismusgläubigen anzuschliessen, deren notorische Intoleranz für abweichende Meinungen inzwischen x-fach belegt ist. Dafür schleuderte ich am 21. August 1969 zum ersten Jahrestag der Besetzung der Tschechoslowakei auf dem Wenzelsplatz in Prag Pflastersteine gegen die Polizei, welche massiv gegen Demonstranten vorging. Um dem Tränengas zu entkommen, flüchtete ich mit meinem tschechischen Kollegen in einen nahegelegenen Bierkeller. Hoch lebe das tschechische Bier, auch durch 40 Jahre Kommunismus nicht zu verderben! Prosit!

Volldaneben: Gleichfalls, Herr Rentsch. Wr danken Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch und wünschen Ihnen für die Wahlen den wohlverdienten Erfolg!