Armer Daniel Vasella! Jetzt soll er auch noch mitschuldig sein am Nein des St.Galler Stimmvolks gegen die Ausgliederung der städtischen Verkehrsbetriebe in zwei Aktiengesellschaften (die weiterhin in städtischem Eigentum geblieben wären). So wenigstens sieht es gemäss NZZ online der St.Galler Stadtrat. Von den Parteien hatte nur die SP zusammen mit dem Verband des Personals öffentlicher Dienste „das bürgerliche Ansinnen“ (NZZ online) der Ausgliederung bekämpft. Das Stimmvolk folgte den Gegnern und verwarf die Vorlage mit fast 65% Nein-Stimmen.
Vorlagen zur Privatisierung staatlicher Betriebe hätten es schwer – selbst wenn es sich nicht um Privatisierungen handle, kommentierte die NZZ online das Abstimmungsergebnis mit leicht ironischem Unterton. Stadtrat Fredy Brunners „Abstimmungsanalyse“ lautete, vor dem Hintergrund des „Vasella-Syndroms“ und der landesweiten, berechtigten Kritik an der Raffgier verschiedener fehlgeleiteter Manager von Grosskonzernen sei die Aktiengesellschaft in Verruf geraten.
Glaubt man dieser stadträtlichen Interpretation des Abstimmungsergebnisses, folgt daraus, dass der Stadtrat das Stimmvolk für mehrheitlich unfähig hält, eine solche Vorlage sachlich zu beurteilen. Er hätte also keine hohe Meinung von der Kompetenz der Stimmenden. Der populistische Seitenhieb von Stadtrat Brunner gegen raffgierige Manager sollte wohl von diesem Urteil ablenken. Hält man hingegen die Erklärung des Stadtrats für das Nein für unzutreffend, fragt sich, welche sachlichen Gründe die Mehrheit der Stimmbürger zu einer Ablehnung dieser kosmetischen Reform bewegt haben könnten. In anderen Kantonen sind ja städtische Verkehrsbetriebe auch aus den Stadtverwaltungen ausgegliedert worden oder waren schon immer AGs.
Nun fallen einem einfach keine vernünftigen Gründe ein, weshalb fast 65% der Stimmenden keine Transport AG und keine Logistik AG in städtischem Eigentum wollten. Also bleiben am Ende als Motive doch nur diffuse emotionale Regungen gegen etwas, was nach Privatisierung riecht. Man stimmt symbolisch gegen einen imaginären Feind. Somit liegt der Stadtrat mit seiner Analyse wohl doch nicht so weit daneben – mit all den Konsequenzen für den Mythos vom „rationalen Wähler“.