Ob man die Zustimmung zur „Masseneinwanderungs-Initiative“ der SVP feiert oder ob man darüber enttäuscht ist – eines ist auf jeden Fall ärgerlich: Die oberflächliche Schludrigkeit, mit der die Fernsehredaktionen von ARD und ZDF das Ergebnis der Abstimmung kommentierten. Die Schweizer wollten sich „abschotten“, hörte man mehrere Male. In den Ohren der über die Schweiz uninformierten deutschen Zuschauer tönt das wie „Grenze zu“. Dabei steht erstens in der Initiative keine einzige Zahl, und die Umsetzung ist noch völlig offen. Von Abschottung wird also sicher keine Rede sein. Zweitens hat sich immerhin die Hälfte der Stimmenden gegen die Initiative ausgesprochen. Es sind also nicht „die Schweizer“, die sich „abschotten“ wollen, sondern allenfalls nur die Hälfte der aktiv Stimmenden. Und drittens ist die Nettozuwanderung etwa zehn Mal so hoch wie im Jahr 2000 bei der Abstimmung über die Bilateralen I von offizieller Seite schönfärberisch prognostiziert und damit auch viel höher als in jedem anderen europäischen Land. Da muss man sich über Unruhe in breiten Volkskreisen nicht wundern.
Wenn dann deutsche Medienleute einfach von der „ausländerfeindlichen“ Schweiz schwafeln, haben sie nichts begriffen. Die politischen Eliten der EU-Staaten mit ihren repräsentativen Demokratien können froh sein, dass nirgends über die Personenfreizügigkeit abgestimmt wird. Sogar in Deutschland, das prozentual drei Mal weniger Auslländer im Land hat als die Schweiz, könnte man noch Überraschungen erleben. Kontingentssysteme gelten zudem auch in anderen westlichen Ländern, ohne dass diese Staaten als fremdenfeindlich kritisiert würden. Auch deutsche Politiker verbreiten Schwachsinn, zum Beispiel dieser Herr Schulz, der Nachfolger von Herrn Barroso werden will und den Amateurkomiker Berlusconi einst für eine Filmrolle als KZ-Aufseher vorgeschlagen hatte. Die Schweiz könne nicht nur vom Binnenmarkt profitieren, ohne sich an dessen Regeln zu halten. Von der Integration der Schweiz in den Binnenmarkt profitieren natürlich beide Seiten. Wie bei der EWR-Abstimmung von 1992 spaltet diese Volksinitiative das Land. Darauf verwies ein befragter Deutscher gegenüber dem TV-Reporter und brachte damit auch seine Vorbehalte gegenüber der direkten Demokratie mit solchen polarisierenden Volksabstimmungen zum Ausdruck. Stoff zum Nachdenken im selbsternannten Demokratieparadies?