Zürichs COVID19-Parkplatzsperre

Symptom bürokratischen Übereifers

„The most widely-used models don’t differentiate the population by age. Blinded by these models, policy makers focus excessively on maintaining hospital capacity ……“ stand in einem kritischen Bericht eines US-amerikanischen Kommentars zur gängigen Anti-COVID19-Politik.

Als ich das las, fiel mir spontan die seit Wochen bestehende Sperre von öffentlichen Parkplätzen zugunsten des Spitalpersonals im weiten Umkreis des Zürcher Universitätsspitals USZ ein. Als ich dann vor etwa zehn Tagen beim Zoo oben, in weiter Entfernung vom USZ, all die gesperrten, aber vollkommen leeren Parkplätze sah, stellte sich heraus, dass auch dieser ganze Parkraum für geschätzte 100 Autos für Spitalpersonal des USZ reserviert war. Für was für Personal, war nicht ersichtlich. Man konnte auch niemanden fragen, weil dort nie jemand zu sehen war, der gerade parkierte und den man hätte fragen können. So sah es am 1. Mai (auch in der Zeit davor) dort aus:

1. Mai: Leer, wohin das Auge reicht!
Auch in der anderen Richtung die grosse Leere…

Inzwischen wissen wir, dass die Intensivstationen der Spitäler bei weitem nicht ausgelastet waren, dass für Spitalpersonal teilweise Kurzarbeit angeordnet wurde und dass die ganze politisch-bürokratische Überreaktion mit den Unmengen gesperrter Parkplätze überflüssig war und längst aufzuheben wäre. Aber diese staatliche Vorsorge ist auch symptomatisch. Endlich konnten unsere Behörden in einer Sondersituation Handlungsfähigkeit beweisen, wo ihnen doch sonst eher wenig gelingt.

Die übertriebene Zürcher Parkplatzsperre ist nur ein Symptom für ein tiefer liegendes allgemeines Problem. Denn eine Überreaktion zeigte ja insbesondere auch die Bundespolitik, wo in den vergangenen zwei Legislaturen bloss eine illusionäre „Energiewende“ (unter irreführenden Informationen) und einige drittbeste Kompromisse, jedoch keine überzeugenden Reformen gelungen sind. Wirklich nachhaltige Reformen werden durch Referendums- und Initiativdrohungen blockiert, und dass die Regierung die nötige Führungsstärke zeigen würde, die es bräuchte, um das Land wieder einmal vorwärts zu bewegen, bleibt unter den gegebenen politisch-instituionellen Bedingungen wohl eine Illusion.

Fliegen wie früher?

Spekulationen über Corona-Effekte für Flugreisen

In einer der Sonntagszeitungen spekulierte ein Journalist über die wahrscheinlichen Folgen der COVID19-Krise auf die Fliegerei. So einfach wie halt in den Medien immer wieder mal über ökonomische Phänomene geschrieben wird, meinte der Autor des Beitrags, wenn die Flugzeuge künftig viel weniger dicht mit Sitzreihen belegt werden könnten, dann hätten vielleicht nur noch halb so viele Personen Platz. Das würde heissen, dass sich die Flugtarife wohl ungefähr verdoppeln müssten. Weitere Überlegungen über die möglichen Anpassungsprozesse aller Art fehlten.

Die erste logische Frage, die sich sofort stellt, betrifft die Reaktion der Nachfrage auf den Versuch von Fluggesellschaften, ihre Preise massiv zu verteuern. Der Effekt auf die Nachfrage nach Geschäftsflügen wäre wohl dank tieferer Preiselastizität weniger ausgeprägt als bei Ferienreisenden. Selbstverständlich könnten sich bei verdoppelten Preisen viele Leute Ferienreisen mit Flug nicht mehr leisten. Denkbar wären dann Preissenkungen bei nicht mehr ausgelasteten Hotels, die auf Flugreisende angewiesen sind, um Kombiangebote genügend attraktiv zu halten. Auch die Flughafengebühren dürften bei weniger Verkehr sinken.

Die zweite Frage stellt sich auf der Angebotsseite: Sind doppelte bzw. massiv höhere Preise durchsetzbar? Angesichts der bereits bestehenden und absehbar stark wachsenden Überkapazitäten im internationalen Flugreisegeschäft bezweifle ich stark, dass unter den Anbietern eine Art konkludentes Verhalten über die Preisgestaltung erzielt werden kann. Gerade haben wir als Muster einen gescheiterten Versuch der Ölpreisstützung erlebt. Viel wahrscheinlicher ist ein ruinöser Wettbewerb mit zunehmender Beanspruchung von Staatsgeldern für die „nationalen Fluggesellschaften“. Wie sehr die weltweiten Strukturen der Branche politisiert sind, zeigt das endlose Theater um die Rettung der maroden Alitalia. Trotz Subventionsverbot in der EU wurde die Alitalia seit Jahren mit inzwischen rund 10 Mrd. Euro Staatshilfe über Wasser gehalten. Und zu guter letzt wird Alitalia nun vom Staat übernommen, um die Arbeitsplätze zu retten und eine nationale Fluglinie um jeden Preis auf Kosten eines bereits massiv überschuldeten Staates zu erhalten.

Fliegen wie früher – zu höheren Preisen und mit viel mehr Platz – bedeutete allerdings eine massive Aufwertung der Reisequalität. In einem heutigen 11-stündigen Swiss-Langstreckenflug, zum Beispiel nach oder von Tokio, sollte man, in der Economy-Klasse eingeklemmt, sehr gut aufpassen, dass einem nichts zu Boden fällt. Es ist in den engen Sitzreihen beinahe unmöglich, das Ding wieder aufzuheben.

Ob dieser klaustrophobisch gewordenen Fliegerei erinnert sich der ältere Flugreisende an frühere paradiesische Zustände. In den 1970er-Jahren untersuchte ich als Mitarbeiter von Swissair die Streckenwirtschaftlichkeit von Europaflügen. Die damaligen Tarife (eine Mischung zwischen IATA-Kartell-Tarifen und Absegnung durch das geradezu Swissair-hörige Eidg. Luftamt) waren so hoch, dass eine DC9 mit 110 Sitzen für einen Flug nach Salzburg nur zu einem Viertel ausgelastet sein musste, um die variablen Kosten zu decken. Auf meinen regelmässigen Geschäftsflügen nach Salzburg zu Beginn der 1980er-Jahre war der Flieger bei weitem nie voll, und man konnte sich seinen Sitzplatz praktisch jedes Mal aussuchen. Aber dieser Kurzstreckenflug kostete ab Zürich rund 700 Franken – damalige Franken, versteht sich.

Die Massen-Billigfliegerei hat inzwischen die Erwartungen des Publikums so konditioniert, dass eine Rückkehr zu früheren Flugtarifen als unsozial und inakzeptabel verurteilt würde. Dabei könnte man dann auf eine CO2-Besteuerung verzichten. Allerdings ist eine Verteuerung von Flugreisen mit dem Argument des Klimaschutzes im breiten Publikum wohl am ehesten durchsetzbar.

„The coronavirus … is a virus with public relations“

Zur Logik des politischen Überschiessens in Zeiten der Krise

Was Dr. Yoram Lass, ein israelischer Arzt und früherer Generaldirektor des Ministeriums für Gesundheit mit dem Zitat im Titel ausdrücken wollte: Die alle Nachrichten und sozialen Medien dominierende Coronakrise ist in unserer neuen Welt der Kommunikation auch, wenn nicht sogar primär ein Medienphänomen. Und es gibt eine ganze Reihe von Akteuren und Interessengruppen, die von der Epidemie profitieren. Dazu gehören, natürlich ohne es zu wollen, auch die politischen Behörden, deren Popularität in die Höhe schnellt. Plötzlich wird der italienische Ministerpräsident Conte in seinem gebeutelten Land zum Helden. Wie Bundeskanzlerin Merkel in Deutschland.

Dr. Peter Goetzsche, Professor für Design und Analyse klinischer Forschung an der Universität Kopenhagen brachte die Anreizsituation für die Politik in einem Blog-Post treffend auf den Punkt: „Our main problem is that no one will ever get in trouble for measures that are too draconian. They will only get in trouble if they do too little. So, our politicians and those working with public health do much more than they should do.“ Im Ökonomenjargon könnte man auch sagen, die Politik handle mit einer extrem hohen Gegenwartspräferenz. Zur Vermeidung von potenziell sichtbaren, gezählten und namentlich bekannten Todesfällen jetzt und heute nimmt die Politik all die namenlosen Sterbefälle sowie die weiteren Opfer in Kauf, welche der rigorose gesellschaftliche Shutdown zweifelsfrei schon jetzt, aber auch in näherer und fernerer Zukunft hinterlassen wird. Dabei richtet sich die Politik fast überall, quasi asymmetrisch, nur nach den vor Hunderttausenden von Todesfällen warnenden alarmistischen Epidemiologen. Dass es über die Gefährlichkeit der Seuche und die angemessenen Massnahmen auch viele mässigende Stimmen von prominenten Experten gibt, bleibt dabei auf der Strecke.

So können Regierungen, denen in jüngerer Vergangenheit nicht mehr viel Zählbares gelungen ist, plötzlich Führungsstärke markieren. Wenn dann die Zustimmungsraten zur Politik der Regierungen in die Höhe schnellen, gilt dies als Beweis, dass deren Politik richtig ist. Doch die Katze beisst sich in der Schwanz: Die absurd einschneidenden Massnahmen der Politik, verstärkt durch die Mechanismen der heutigen Medien, konditionieren zuerst die öffentliche Meinung so, dass rabiate Einschränkungen der persönlichen Freiheit als alternativlos hingenommen werden. Und dann haben die Behörden die überwiegende Mehrheit der Leute natürlich hinter sich.

Und weil gefühlte 90 Prozent der Leute die Schulzeit als ökonomische Analphabeten verlassen haben und nur nominell in Geld denken, glauben sie auch an die versprochenen segensreichen Wirkungen der staatlichen x-Milliarden- oder gar Billionen-„Hilfsprogramme“, die paradoxerweise gerade wegen dem politisch verordneten Shutdown angeblich unumgänglich sind. Über die aufgetürmten Schuldenberge, welche wir den heutigen Jungen und den nachfolgenden Generationen hinterlassen, machen sich die „Boomer“ an den Hebeln der Macht keine Sorgen.

Verdrängte Risiken einer Corona-Hysterie

Divergenzen zwischen einer eng medizinischen und einer umfassend gesellschaftlichen Sichtweise

Meine heutige Leserzuschrift an die NZZ (leicht nachredigiert):

Die NZZ berichtet leider fast ausschliesslich lobend und unterstützend über die massiven politisch verordneten Einschränkungen des Lebens durch die Corona-Epidemie. Was mir verstörend erscheint, ist, dass sich prominente Epidemiologen nicht lautstark zu Wort melden und überschiessende politische Massnahmen verurteilen. Die Experten, die in den Medien zu Wort kommen, haben oft einen aus ihrer speziellen Position eingeengten Tunnelblick, nämlich den des unmittelbaren Rettens von Menschenleben hier und jetzt. Was aber not täte, ist eine gesellschaftliche längerfristige Kosten-Nutzen-Perspektive.

Nach allem, was ich bisher gelesen und gehört habe, sind die Symptome einer Corona-Virus-Erkrankung Atemwegsinfektionen, ganz ähnlich wie bei einer normalen Grippe. Solche Viren sind sanfte Erreger, weil sie „evolutionsbiologisch“ nicht wollen, dass wir sterben, sonst sterben sie auch. Das Corona-Virus will sich möglichst breitflächig verbreiten. Das geht aber nur, wenn die Infektion nicht zum Tod des Infizierten führt. Deshalb ist der Krankheitsverlauf relativ harmlos, ausser für ältere stark geschwächte Menschen mit oft mehreren Vorerkrankungen. Praktisch alle Todesfälle betrafen bisher solche Menschen. 

Das Problem mit rigorosen Quarantänen, wie sie jetzt überall Trumpf sind, liegt darin, dass sich die Masse der Menschen nicht via Infizierung gegen das Virus immunisieren kann und das Virus im Zuge dieses Prozesses an Virulenz verliert. Ich weiss als Laie nicht, ob ich das biologisch ganz korrekt und fachgerecht ausgedrückt habe, aber dem Sinn nach dürfte es stimmen. Die Verhinderung des genannten Prozesses erhöht das Risiko, dass früher oder später neue Wellen der Erkrankung auftreten und man mit neuen Opfern rechnen muss, weil das Virus weiterhin für die Menschen virulent ist.

So funktioniert halt eine Gesellschaft, deren moderne Medizin die Evolutionsmechanismen ausser Kraft setzt: Man rettet heute durch eine maximal interventionistische Politik Leben auf Kosten späterer Opfer. Zudem produziert eine extreme Quarantänenpolitik mit massiven gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Einbrüchen auch unmittelbare finale Opfer, die aber nicht sicht- und zählbar sind und deshalb politisch nicht zählen.

Sicher kommt nun Kritik, es sei vermessen, dass sich ein Ökonom zu Themen äussere, für die Fachleute aus Medizin, Biologie und Epidemiologie zuständig seien. Solche Kritik verkennt jedoch, dass es bei der Bewältigung von gesellschaftlichen Krisen unter Mittelknappheit stets um Kosten-Nutzen-Überlegungen, um Trade-offs und um Opportunitätskosten geht. Ein einmal eingeschlagener Weg schliesst alle anderen möglichen Ansätze des Handelns aus. Solches Abwägen gehört zu den Kernkonzepten ökonomischen Denkens.