Vielleicht doch nicht Harris?

‚The COOK POLITICAL REPORT‘ veröffentlichte am 21. August 2024 den jüngsten National Polling Average. Diese interaktive Plattform verfolgt den Präsidentschaftswahlkampf 2024 anhand eines Durchschnittswerts ausgewählter nationaler Umfragen und aktualisiert ihn täglich um 12:00 und 24:00 Uhr Eastern Time.

Ein Ausschnitt aus einer am 21. August gezeigten Tabelle sieht so aus:

Ingesamt (Overall), d.h. über alle demographischen Kategorien hinweg, liegt Harris nun zwar leicht in Führung. Erwartungsgemäss sind Frauen mehrheitlich für Harris, Männer mehrheitlich für Trump.

In diesen Umfragen zeigt sich wieder der bekannte und viel diskutierte Graben zwischen der akademischen Elite (White College) und der Wählergruppe ohne akademische Bildung ((White Non-College) auch als ‚working-class voters‘ bezeichnet. Diese ‚White Non-College‘-Wähler waren traditionell ein wichtiges Wählerreservoir für die Demokratische Partei. Sie sind aber inzwischen massiv zu den Republikanern abgewandert, seit Trump mit seinen „America First“- und „Make America Great Again“-Slogans die Republikanische Partei praktisch übernommen hat.

Die Demokraten haben allerdings durch die zunehmende „Wokeisierung“ ihrer Partei selbst zu dieser Abwanderung wesentlich beigetragen. Die der Demokratischen Partei nahestehende digitale News-Plattform „The Liberal Patriot“ kämpft seit langem gegen diese Dominanz einer akademisch gebildeten Elite in der Partei.

Bis zum Wahltag sind selbstverständlich noch Verschiebungen möglich, insbesondere unter noch nicht entschiedenen Wählern, darunter auch solchen, die gegen eine erneute Biden-Trump-Wahl durch Wahlabstinenz protestiert hätten und sich jetzt für die Teilnahme an der Präsidentschaftswahl entschieden haben. Ich bin der Meinung, dass unter bisher unentschiedenen Wählern Harris mehr Stimmen gewinnen wird als Trump. Der New York Times entnehme ich heute den Satz, es seien „many younger Americans quickly moving to support Harris“. Gerade dies war zu erwarten.

Die grosse Frage ist, ob Harris die Dynamik und die Aufbruchstimmung nutzen kann, die durch den Rückzug von Biden entstanden ist. Problematisch scheint mir die grosse Diskrepanz zwischen dieser Aufbruchstimmung in der Demokratischen Partei und den abgestandenen linken wirtschafts- und sozialpolitischen Rezepten, die man bisher aus Verlautbarungen von Harris und ihrem „running mate“ Walz herauslesen konnte.

Und schliesslich zählen am Ende nicht die reinen Wählerstimmen, sondern es kommt auf die Zahl der gewonnen Elektorenstimmen an. Und dort liegt Trump nach aktuellen Berechnungen immer noch vorn.

Trump wird verlieren

Mein Fauteuil-Kommentar zum Selbstverschulden Trumps

(Bildquelle: SRF – google)

Wenige Tage nach der Ankündigung von Joe Biden, keine zweite Amtszeit als Präsident anzustreben, und nach der einhelligen Zustimmung der Elite der Demokraten zu einer Kandidatur von Vizepräsidentin Kamala Harris, war für mich klar, dass Trump die Wahl verlieren wird. Meinen Rennvelokollegen schlug ich eine Wette vor, aber niemand wollte darauf eingehen.

Meine Prognose hängt nicht nur mit der Aufbruchstimmung zusammen, welche die Abwendung eines erneuten unbeliebten Duells Biden-Trump auslöste. Mit einer im Vergleich zu Trump geradezu jungen „coloured“ Frau und einem geschickt gewählten Vize-Kandidaten musste Trump zwingend in die Defensive geraten.

Meiner unmassgebenden Meinung nach machte Trump (bzw. sein Team, sofern er überhaupt auf dieses hört) einige Fehler, die seine Wahlchancen entscheidend mindern:

  1. Mit seinen Attacken auf Biden trug er zu dessen Rückzug aus dem Rennen um die Präsidentschaft bei. Dabei zeigten alle Umfragen seit Monaten, dass Trumps Chancen, gegen Biden zu gewinnen, sehr gut waren. Offenbar schätzte man auf Trumps Seite die Erfolgschancen gegen ein neues Ticket der Demokraten falsch, also zu gut ein. Mit einer möglichen Aufbruchsstimmung, wie sie bald sichtbar wurde, rechnete man kaum, obwohl Umfragen auch gezeigt hatten, dass rund 70 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung mit einer erneuten Konstellation Biden gegen Trump unzufrieden waren und sich eine andere Wahlsituation wünschten.
  2. Trump wählte seinen „running mate“ James D. Vance für die Vizepräsidentschaft zu früh. Diese Wahl hätte man besser davon abhängig gemacht, wem Trump im November gegenübersteht. Der Rückzug von Biden war keine Überraschung; man musste damit rechnen, als sich die Elite der Demokraten von Bidens Kandidatur distanzierten. Im Wissen um eine Kandidatur von Kamala Harris hätte man sich gut eine andere Wahl des Vize-Kandidaten vorstellen können.
  3. James D. Vance ist zwar mit seinen 40 Jahren immerhin deutlich jünger als Kamala Harris (59), wirkt aber nicht unbedingt so. Zudem ist er ein zweiter weisser Mann. Programmatisch ist er heutzutage weitgehend mit Trump deckungsgleich. Er spricht ähnliche Wählerschichten an wie Trump. Es scheint für Trump kaum einen additiven Vorteil mit Vance zu geben.
  4. Trump scheint nicht in der Lage zu sein, seinen aggressiven Wahlkampfstil der neuen Situation anzupassen. Er hat es jetzt mit einer vergleichsweise jugendlich wirkenden „coloured“ Frau zu tun, was den 78-Jährigen in eine neue Kontrast-Situation bringt. Abschätzige Bemerkungen über Kamala Harris stossen vor allem im Feld der Unentschlossenen bestimmt auf Ablehnung. Harris böte auf programmatischer Ebene eigentlich genügend Angriffsfläche für eine sachliche Auseinandersetzung. Wenn man mit einem knappen Ergebnis der Wahl rechnen muss, kommt es auf wenige Stimmen an, welche die Seite wechseln.

Das sind meine Argumente für meine Prognose, dass Trump die Wahl, teilweise selbstverschuldet, verlieren wird. Alles bloss aus dem Fauteuil des unbeteiligten Beobachters gesprochen.