Billige Kostenargumente gegen die Kernenergie

Zwei Lager, drei Argumente
Die AKW-Gegnerschaft besteht zu einem beträchtlichen Teil aus zwei unterscheidbaren Gruppen. Auf der einen Seite gibt es die vielen oberflächlich Informierten, die sich ihre Meinungen mithilfe von Schlagworten in den Medien oder Parolen „ihrer“ Partei bilden, ohne sich mit dem notwendigen Opfer an knapper Zeit genau über die Fakten und Zusammenhänge zu informieren. Die andere Gruppe besteht aus Leuten, die mit ihrer Opposition gegen die Kernenergie ihr Selbstbild als Progressive im Kampf gegen die Ewiggestrigen pflegen. Die zweite Gruppe bewirtschaftet die diffuse Abneigung der ersten gegen „Atomstrom“ und liefert dieser mit Unterstützung geneigter Medien in ritueller Wiederholung die drei eingängigsten Schlagworte: Erstens: AKW sind gefährlich, siehe Tschernobyl und Fukushima. Zweitens: Das Entsorungsproblem für den „Atommüll“ ist nicht gelöst. Drittens: AKW sind viel zu teuer, kein Investor wird deshalb heute ein AKW bauen.

Mit den drei Argumenten hat sich Martin Schlumpf jüngst in seinen Nebelspalter-Beiträgen eingehend beschäftigt und diese weitestgehend widerlegt, stets mit Daten aus offiziellen Quellen. Schlumpf hat unter Verwendung von Analysen des BFE gezeigt, dass bei Einbezug aller Kosten zur Herstellung einer vergleichbaren Versorgungssicherheit Strom aus erneuerbaren Energien deutlich teurer ist als „Atomstrom“. Ergänzend dazu ist zu begründen, weshalb kein privatwirtschaftlich rechnender Investor bereit ist, in ein neues AKW zu investieren. Von den Gegnern der Kernenergie werden auch die grossen schweizerischen Stromproduzenten als mögliche privatwirtschaftlich operierende Investoren betrachtet, obwohl diese weitgehend in staatlichem Besitz sind.

Die „Energiewende“ macht Versorgungssicherheit zu einem öffentlichen Gut
Aus ökonomischer Sicht ist die ungenügende Wirtschaftlichkeit eines neuen AKW-Projekts leicht zu erklären. Die diversen europäischen Energiewenden und der damit verbundene hoch subventionierte Ausbau von volatiler Wind- und Solarenergie mit Priorität der Einspeisung ins Netz verzerren den Strommarkt zulasten der zuverlässigen Stromproduktion aus Wasserkraft und AKW. Die Strompreise werden primär von den niedrigen Grenzkosten von unregelmässig produzierenden PV- und Windkraftanlagen bestimmt. Eine langfristige Investitionsrechnung ist auf einer solchen Grundlage nicht mehr möglich.

Zudem wird mit dem geplanten massiven Ausbau von Wind- und Solarenergie und deren Bevorzugung im System der Stromversorgung wegen unzuverlässig anfallender Produktion die Versorgungssicherheit immer deutlicher zu einem öffentlichen Gut. Einerseits dient Versorgungssicherheit als Garantie für die jederzeitige Verfügbarkeit von Strom zur gewünschten Zeit allen Nutzern einer Infrastruktur, ohne dass jemand davon ausgeschlossen werden kann. Anderseits gilt auch das zweite Merkmal öffentlicher Güter: Es besteht keine Rivalität der Nutzung. Wenn mein Nachbar von der Versorgungssicherheit einer zuverlässigen Strominfrastruktur profitiert, schmälert dies meinen Nutzen am System nicht.

Die besondere Natur öffentlicher Güter führt zu einer Unterversorgung durch den Markt, weil privatwirtschaftliche Investoren für ihren Beitrag an die Versorgungssicherheit nicht entschädigt werden. Wenn sich der Bau von AKW privatwirtschaftlich nicht rechnet, weil der Beitrag zur Versorgungssicherheit am Markt nicht entschädigt wird, ist es Aufgabe des Staates, Ressourcen zu mobilisieren, um die Versorgungssicherheit ohne Ausschluss einer bestimmten Technologie zu gewährleisten. Wenn nun Verfahren zur Realisierung von Solar- und Windanlagen beschleunigt werden sollen, müsste dies analog für den Bau neuer AKW gelten.

Dieser Beitrag erschien am 23. Februar 2022 im Nebelspalter online.

Auf kurzem Weg in die energie- und klimapolitische Sackgasse

Im Jahr 2008 reichen die Betreiber der schweizerischen Kernkraftwerke (KKW) Rahmenbewilligungsgesuche für den Bau von drei neuen Kernkraftwerken ein. Am 11. März 2011 kommt es in Japan zu einem gewaltigen Erdbeben mit einem verheerenden Tsunami und der Reaktorkatastrophe im KKW Fukushima Dai-ichi. Unmittelbar nach dem Unfall beschliesst das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), die laufenden Verfahren für die Bewilligungsgesuche der neuen KKW zu sistieren. Danach geht alles unschweizerisch schnell, bevor auch nur eine erste Analyse des japanischen KKW-Unfalls vorliegt.

Eine weibliche Viererbande beschliesst den Atomausstieg
Am 25. Mai 2011 fällt der Bundesrat mit der Mehrheit der vier Bundesrätinnen Leuthard, Sommaruga, Calmy Rey und Widmer-Schlumpf einen Richtungsentscheid für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie. In der Wintersession 2011 beauftragt das Parlament den Bundesrat mit der Erarbeitung einer umfassenden Energiestrategie. Diese soll eine vom Ausland möglichst unabhängige Stromversorgung ohne Kernenergie sicherstellen. Am 18. April 2012 stellt der Bundesrat in einer Medienmitteilung fest, dass der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie technisch und wirtschaftlich machbar ist. Das UVEK wird mit der Erarbeitung eines ersten Massnahmenpakets beauftragt.

Am 4. September 2013 verabschiedet der Bundesrat seine Botschaft zum neuen Energiegesetz als Teil des ersten Massnahmenpakets zur „Energiestrategie 2050“. Am 30. September 2016 nehmen National- und Ständerat nach Abschluss der dritten Beratung das neue Energiegesetz in der Schlussabstimmung an. Im Anhang zum Gesetz findet sich das Verbot zum Bau von neuen KKW. Am 31. Januar 2017 meldet die Bundeskanzlei, dass das Referendum gegen das neue Energiegesetz zustande gekommen ist. Am 21. Mai 2017 nimmt das Stimmvolk das neue Energiegesetz mit 58.2 Prozent der Stimmen an. Am 1. Januar 2018 tritt das Gesetz als erstes Massnahmenpaket der „Energiestrategie 2050“ in Kraft.

Am 26. Mai 2021 entscheidet der Bundesrat, die Verhandlungen mit der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen (InstA) zu beenden. Damit ist ein Stromabkommen mit der EU zur Sicherung von Stromimporten vom Tisch. Anfang 2022 spricht Energieministerin Simonetta Sommaruga zum ersten Mal von der Notwendigkeit, Strommangellagen mit neu und rasch zu bauenden Gaskraftwerken zu überbrücken.

Man stelle sich vor, Sommarugas UVEK-Vorgängerin Doris Leuthard hätte vor der Abstimmung über das Energiegesetz die Möglichkeit erwähnt, dass in wenigen Jahren Gaskraftwerke gebaut werden müssten! Die Abstimmung wäre kaum zum Triumph geworden, den Leuthard so sehr angestrebt hatte, um sich Ende 2018 als strahlende Siegerin in den bundesrätlichen Ruhestand verabschieden zu können.

Ohne Plan B gilt das Prinzip Hoffnung
Der Erfolg der „Energiewende“ wurde in den offiziellen Verlautbarungen zum Energiegesetz von vier Bedingungen abhängig gemacht:

  • von einem massiven Ausbau von Solar- und Windstromanlagen sowie von Wasserkraft
  • von Energieeinsparungen durch Effizienzsteigerungen
  • von Stromimporten aufgrund eines Stromabkommens mit der EU
  • von technologischen Quantensprüngen, insbesondere in der Speichertechnologie, um wegfallende Bandenergie aus KKW ohne Einbusse an Versorgungssicherheit durch volatilen Strom aus Solar- und Windanlagen zu substituieren.

Alle vier dieser wackeligen Annahmen müssten für das Gelingen der „Energiewende“ eintreffen. Es sind kumulative Bedingungen, und jede einzelne beruhte von Beginn weg auf dem Prinzip Hoffnung. Der erwartete massive Ausbau der Erneuerbaren erwies sich schon bald als illusorisch. Bei der Wasserkraft kannte man längst die beschränkten Ausbaureserven; zudem hätte der jahrzehntelange Konflikt mit Umweltschutzorganisationen um die Erhöhung der Grimsel-Staumauer Warnung genug sein können. Und selbst mit höherer Effizienz kann von Einsparungen beim Stromverbrauch keine Rede sein, wenn man gleichzeitig auf die möglichst weitgehende Elektrifizierung der Mobilität und der Gebäude setzt.

Bezüglich Stromimporten waren die offiziellen Botschaften widersprüchlich. Einerseits wurde vor dem Referendum über das Energiegesetz behauptet, dank der geplanten Massnahmen könne die Schweiz ihre Abhängigkeit von Stromimporten senken. Anderseits kam bald nach der Abstimmung eine vermutlich bewusst zurückgehaltene BFE-Studie heraus, welche die entscheidende Rolle von Stromimporten und eines Stromabkommens mit der EU unterstrich. Man musste aber nüchtern damit rechnen, dass es ohne institutionelles Rahmenabkommen auch kein Stromabkommen geben würde.

Ohne Stromabkommen verschärft sich die Herausforderung der notorischen Winterstromlücke. Die Abschaltung der KKW wird das Problem potenzieren. Die Speicherkapazität der Pumpspeicheranlagen ist viel zu gering für den saisonalen Ausgleich. Wirtschaftlich umsetzbare technologische Quantensprünge in der Speicherung zur Glättung der unregelmässig anfallenden Stromproduktion aus Sonne und Wind sind bei weitem noch nicht in Sicht. Laufende technische Entwicklungen auf diesem Gebiet entpuppen sich bald einmal als Scheinlösungen, sobald man die notwendigen Grössenordnungen und die Kosten ins Kalkül einbezieht.

Wer eine solche auf Sand gebaute „Energiestrategie“ entwirft, sollte zumindest einen Plan B haben. Aber das hätte den unerwünschten Eindruck erwecken können, man glaube selbst nicht an den Erfolg der „Energiewende“. Wenn jetzt die UVEK-Vorsteherin der Bevölkerung zähneknirschend unpopuläre Gaskraftwerke schmackhaft machen muss, für deren rechtzeitige Inbetriebnahme noch gewaltige Schwierigkeiten zu meistern sind, ist dies das Eingeständnis, dass die „Energiewende“ gescheitert ist. Wenn an den Steckdosen in Wirtschaft und Haushalten „netto null Strom“ droht, rückt „netto null CO2“ in den Hintergrund.





Risikobetrachtungen zu „Fukushima“ und Beznau

Im Dezember 2020 meldete eine Lokalzeitung aus der Region der KKW Beznau: „Die beiden KKW Beznau gingen diese Woche vom Netz, weil bei einer Nachweisprüfung für die Erdbebensicherheit festgestellt wurde, dass bei zwei Notstandsdieseln die Schockabsorber fehlten.“

Diese Meldung bildete den Ausgangspunkt eines Beitrags auf volldaneben.ch (hier) und einer nachfolgenden langen Kontroverse zwischen den Strahlen- und KKW-Experten Walter Rüegg („Atombefürworter“) und Markus Kühni („Atomgegner“). Auf den im Blog publizierten ersten polemischen Kommentar von Kühni antwortete Rüegg ausführlich, woraus dann eine teils sehr technische Auseinandersetzung entstand. Diese Debatte kann hier wegen ihrer Länge nicht wiedergegeben werden. Die beiden Hauptargumente von Markus Kühni habe ich so verstanden:

  1. Eine regulatorische Begrenzung des Unfallrisikos ist nicht akzeptabel, weil damit „Super-GAU“-Ereignisse nicht gedeckt sind. Es gibt praktisch keine Begrenzung nach oben (was die Regulierung zu gesellschaftlich akzeptierten Kosten natürlich erschwert bis verunmöglicht).
  2. Bei der radioaktiven Strahlung gilt für die Vorsorge das LNT-Prinzip (Linear No Threshold). Die Schädlichkeit der Strahlung beginnt ab null und steigt linear mit zunehmender Dosis. Es gibt deshalb keinen gesundheitlich unbedenklichen Grenzwert, sei er noch so tief.

Aufgrund dieser fundamentalistischen Voraussetzungen gemäss einem extremen Vorsorgeprinzip mit Risiko äusserst nahe null würde nicht nur die Kernenergie sondern jede nutzbare Form von Energie unbezahlbar. Und würden wir in allen gesellschaftlichen Bereichen der Regulierung ein Vorsorgeprinzip mit dieser Risikoabwägung zugrunde legen, wäre eine solche Gesellschaft gar nicht (über)lebensfähig.

Walter Rüegg, Dr.sc.nat. ETH und früherer Chef Strahlenschutz der Armee, hat seine wichtigsten Argumente der Debatte mit Markus Kühni, für ein Laienpublikum verständlich, nachstehend noch einmal zusammengefasst.

Sieben hintereinander geschaltete Sicherheitsbarrieren

Bei eine Katastrophe wie in Fukushima oder Tschernobyl muss immer eine ganze Reihe von Barrieren hintereinander versagen. Gerade weil eine Barriere versagen kann (z.B. ein zu niedriger Tsunami-Schutzwall), ist es wichtig, dass eine ganze Reihe von anderen Barrieren vorhanden ist. Grosse Mengen radioaktiver Substanzen wären in Fukushima nicht ausgetreten wenn eine oder mehrere der folgenden Barrieren existiert und gehalten hätten:

1. 20m-Tsumami-Schutzmauer (heute in Japan bei den gefährdeten KKW nachgerüstet). Oder Kraftwerk mindestens 20 m über Meer gebaut. Beznau: Entsprechender Schutz gegenüber einem Superhochwasser. Versagt diese Barriere, besteht die Gefahr, dass die normale Kühlung ausfällt. Tritt dies ein (auch aus anderen Gründen möglich), muss die nächste Barriere halten:

2. Zwei redundante, schwer verbunkerte, überflutungs- und flugzeugabsturzsichere Notstände mit Notstromdiesel, eigener Wasserfassung, eigene Kühlsysteme und eigener Stromverteilung. Versagt auch diese Barriere:

3. Sofort verfügbare zusätzliche erdbeben- und überflutungssichere Notgeneratoren (sog. SAM-Generatoren). Fallen auch diese aus, droht in wenigen Stunden eine Kernschmelze. Um dies zu verhindern, gilt es, mit normalen Feuerwehrpumpen zu kühlen, dazu muss der Druck im Reaktorgefäss reduziert werden:

4. Gut gefilterte Druckablassung (allfällige Radioaktivität wird zurückgehalten), auch rein manuell durchführbar und parallel mit Berstscheibe automatisch ausgelöst. Zu hoher Druck kann auch mechanische Strukturen beschädigen und so Lecks erzeugen (wie in Fukushima).

5. Anschliessend kann mit Feuerwehrpumpen an verschiedenen vorbereiteten Anschlüssen Wasser eingeleitet werden, aus einem Wasserreservoir, aus dem Grundwasser, aus einem Fluss (Aare) oder im Notfall aus dem Meer (Fukushima). 10 l/s genügen um eine Kernschmelze zu verhindern, und jede Feuerwehrpumpe kann das. Nach einem Tag genügen 2 l/s. Zur Not kann auch das gesamte Containment unter Wasser gesetzt werden.
Falls dies auch nicht funktioniert (z.B. erschiesst eine Terroristenarmee alle Schutz- und Einsatzkräfte und holt die Helikopter mit zusätzlichem Notmaterial vom Himmel), kann es zu einer Kernschmelze mit Wasserstofferzeugung kommen. Dies ist immer noch nicht gefährlich für die Umgebung. Erst bei einer Wasserstoffexplosion könnte es kritisch werden. Explosionen können Strukturen undicht machen. In Fukushima sind nach den Wasserstoffexplosionen grosse Mengen radioaktiven Fallouts ausgetreten.

6. Um eine Wasserstoffexplosion zu verhindern, müssen passive Wasserstoffrekombinatoren und/oder aktive Zünder vorhanden sein. Falls diese Mittel versagen (nicht so einfach, ohne die Naturgesetze zu verletzen):

7. Ein modernes Containment (die äusserste Hülle aus meterdickem Stahlbeton) hält eine Wasserstoffexplosion aus (wie 1979 geschehen, nach der Kernschmelze in Three Mile Island), falls nicht, kann das Containment undicht werden, und grössere Mengen Radioaktivität können in die Umwelt entweichen.

Zusätzliche redundante, schwer verbunkerte Notkontrollräume mit eigener Instrumentierung und Batterien verhindern bei einem «Station Blackout» einen Blindflug. Dieser erwies sich in Fukushima als tragisch und trug massgeblich zur Verzögerung der Einleitung von Meerwasser bei (TEPCO verdrängte die Gefahr einer Kernschmelze). Eine solche Prozedur benötigt auch klare Pläne, Kompetenzen und muss geübt werden. Übrigens: In Fukushima mussten sich zwei Reaktoren einen normalen Kontrollraum teilen.

Folgen eines „Fukushima»-Falls in Beznau

Im Gegensatz zu Fukushima ist Beznau dank Nachrüstungen in Milliardenhöhe mit all diesen oben erwähnten Barrieren ausgerüstet, grösstenteils schon seit den 90er-Jahren.

Erst wenn bei einer Katastrophe sämtliche Barrieren hintereinander versagen (vor allem auch das massive Stahlbeton-Containment), kann es zu einer grösseren Abgabe von Radioaktivität in die Umgebung kommen. Wie würde sich eine betreffend Verstrahlung Fukushima-ähnliche Katastrophe am Standort Beznau auswirken? Wird die Bevölkerung nicht evakuiert, müsste man im verstrahlten Gebiet, pessimistisch gerechnet, in den nachfolgenden 100 Jahren mit insgesamt rund 1000 Todesopfern rechnen, die meisten davon durch ein leichtes Ansteigen der Krebsrate im Alter um einige %. Allerdings wird man einen solchen Anstieg statistisch kaum nachweisen können, er geht in den natürlichen Schwankungen der Krebsrate unter.

Im Schnitt sind dies 10 Todesopfer pro Jahr. Jeder Todesfall ist einer einer zu viel, doch es gilt die Relationen zu wahren. Erstens ist dieses Risiko sehr hypothetisch. Es müsste zuerst ein Mega-Ereignis stattfinden, z.B. ein gewaltiges Erdbeben oder eine noch nie dagewesene Überschwemmung. Danach müssten nacheinander sämtliche oben beschriebenen Sicherheitsbarrieren und Katastrophenmassnahmen versagen. Alles in allem ist dies extrem unwahrscheinlich. Absolut sicher ist hingegen, dass bei einem solchen Mega-Ereignis grössere Teile der Schweiz zerstört wären, mit 4- bis 5-stelligen Opferzahlen. Sind wir darauf vorbereitet?

Zweitens wären die Folgen – 10 Todesfälle pro Jahr bei einer Verstrahlung wie in Fukushima – im Vergleich zu den alltäglichen, “todsicheren” Risiken in unserem Land winzig: 2000 Todesfälle/Jahr wegen Luftverschmutzung, 2500 Todesfälle/Jahr aufgrund vermeidbarer Fehler in Spitälern, 3900 Todesfälle/Jahr aufgrund von Unfällen und Gewalteinwirkungen.

Entsprechend dem Risikoverhältnis erwarte ich bei diesen realen Risiken eine mindestens 100-mal aufwändigere und aggressivere Kampagne verglichen mit dem Kampf gegen Radioaktivität und Kernenergie. Allerdings ist mir klar, dass eine solch absurde Sicherheits-Strategie, die sich am Sicherheitswahn im Bereich der Kernenergie orientiert, unbezahlbar wäre. Denn jede zusätzliche Einheit an Sicherheit verursacht progressiv steigende Kosten.

Konzentrieren wir uns zuerst auf die grossen, real existieren Risiken! 

Die heute weit verbreitete, extreme Verzerrung der Risikowahrnehmung bei radioaktiver Strahlung – ohne Vergleich mit anderen Risiken – hat zu unsinnig tiefen Grenzwerten geführt, tiefer als die natürliche Strahlung! Diese Grenzwerte zwangen die zuständigen Behörden nach den Unfällen von Fukushima und auch Tschernobyl zu so unnötigen, geradezu menschenverachtenden Massnahmen wie die Evakuierung von Menschen aus ländlichen Gebieten in städtische Regionen mit hoher Luftverschmutzung. Die Luftverschmutzung, gerechnet mit den allgemein anerkannten offiziellen Risikofaktoren, wirkt schlimmer als die Strahlung. Dieses Problem ist den Wissenschaftlern schon lange bekannt.

Und schliesslich ist zu fragen: Könnten auch bei intaktem Containment grössere Mengen radioaktiver Stoffe austreten? Natürlich nicht, denn dies ist ja der Zweck der massiven äusseren Stahlbeton-Hülle. Ohne grössere Lecks im Containment können wir die kleinen Mengen von abgegebenen radioaktiven Substanzen schlicht vergessen. Tatsache ist, dass alles um uns herum ordentlich radioaktiv ist (auch wir), mit starken Variationen. Erst wenn die zusätzlichen Mengen aus einem KKW die natürlichen Mengen/Variationen/Dosen stark überschreiten, sollten wir uns Sorgen machen. Und dies ist erst bei einem Bruch des Containments möglich.