Untertauchen ist rational

Das Kosten-Nutzen-Kalkül von abgewiesenen Asylbewerbern

Wer regt sich nicht auf über die abgewiesenen Asylbewerber, die untertauchen, bevor sie ausgeschafft werden können! Noch mehr kann man sich aufregen, wenn man aus den Medien erfährt, was der Hintergrund der Wahnsinnstat des Solinger Messermörders ist. Auf nzz.ch las man am 25. August zu dieser Tragödie einen Abschnitt, der das ganze Versagen einer „moralischen“ Migrationspolitik beleuchtet, die aus der Situation heraus immer wieder die eigenen Regeln bricht:

Nach «Spiegel»-Informationen hätte der mutmassliche Täter längst ausgeschafft werden sollen. Nach den sogenannten Dublin-Regeln des europäischen Asylsystems wäre Bulgarien für ihn zuständig gewesen. Die Abschiebung sei gescheitert, weil der Syrer am Tag der geplanten Ausreise in seiner Flüchtlingsunterkunft nicht angetroffen worden und danach untergetaucht sei. Eine Ausschreibung zur Festnahme habe es wohl nicht gegeben. Ende 2023 sei dem Syrer von Deutschland subsidiärer Schutz gewährt worden.

Statt sich aufzuregen, kann es nützlich sein, einmal den ökonomischen Blick auf die Kosten-Nutzen-Rechnung bzw. die spezifischen Anreizsituationen diverser Akteure des Migrationsphänomens zu richten. Es ist hier die Rede von der Wirtschaftsmigration, nicht von echten Kriegs- und Katastrophenflüchtlingen. Bekanntlich gibt es inzwischen eine umfassende Migartionsindustrie, in der es für die Nachfrage nach Süd-Nord-Migration eine wahre Lieferkette von Angeboten gibt, beginnend beim mafiösen Schleppergewerbe mit seinen Unterabteilungen. Um in den bevorzugten Zielländern nördlich der Alpen anzukommen, braucht es auch die Schengen-Dublin-Regeln verletzende oder gar bestechliche Grenzbehörden. Einmal im Zielland angekommen, stehen den Asylbewerbern alle Angebote der einheimischen Flüchtlingsindustrie offen: hilfreiche Flüchtlings-NGO, spezialisierte juristische Angebote für Einsprachen gegen Ausweisungsentscheide und teilweise willfährige Gerichte und Migrationsbehörden.

Das Kosten-Nutzen-Kalkül von abgewiesenen Asylbewerbern ist nicht schwierig nachzuvollziehen. Der Wirtschaftsmigrant wägt die Lebens- und Arbeitsaussichten in seinem von Staatsversagen gebeutelten Heimatland gegen die Aussicht auf ein besseres Leben in Europa ab. Obwohl eine solche Rechnung nicht objektiv zu machen ist und illusionäre Erwartungen mitspielen dürften, machen x Tausende aus den bekannten Herkunftsländern Jahr für Jahr diese Kosten-Nutzen-Rechnung. Wie viele die Rechnung auch machen und dann zuhause bleiben, wissen wir nicht. Sicher gibt es auch viele, denen die Risiken einer Schlepperreise ins gelobte Europa zu hoch sind.

Nun machen wir einen Sprung und lassen unseren Migranten im Zielland ankommen und ein Asylgesuch stellen. Dieses wird umgehend abgelehnt, und der abgewiesene Asylbewerber erhält den Ausschaffungsentscheid. Vor welcher Situation steht er jetzt? Er hat sein gesamtes erspartes Geld in die illegalen Transitaktivitäten gesteckt, eine ungemein beschwerliche Reise auf sich genommen und sich dabei höchsten Risiken ausgesetzt. Und jetzt soll diese ganze monetäre und nicht-monetäre Investition in ein neues Leben durch einen abschlägigen Asylentscheid und die Ausschaffung zunichte gemacht werden! Alles für die Katze!

Hand aufs Herz: Wer von uns käme in einer solchen Situation nicht auch auf die Idee, unterzutauchen? Zumal man als Untergetauchter über seine guten Chancen auf einen schliesslichen Verbleib im bevorzugten Zielland bestens informiert ist. Nicht nur berichten die Medien regelmässig über die lächerlichen Zahlen von geglückten Abschiebungen. Die Widerspenstigen können sich für Beratung über das optimale Verhalten im Widerstand gegen eine Ausschaffung auch vertrauensvoll an Institutionen des hiesigen Flüchtlingsgewerbes wenden.