Dieser Text erschien am 6. Mai 2024 auf Nebelspalter online (nebelspalter.ch) in einer leicht anderen Version.
Das Ja des Stimmvolks zur gewerkschaftlichen Volksinitiative für eine 13. AHV-Monatsrente haben wir hinter uns. Vor uns liegen Abstimmungen, die mithilfe linkspopulistischer Rezepte das Kostenwachstum im Gesundheitswesen bremsen wollen. Im rechten politischen Spektrum steht das Thema der illegalen Immigration ganz oben auf der Agenda. Erhebungen im Vorfeld der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen zeigen, dass die Leute dort ganz ähnlich ticken wie hier.
Eine Umfrage im Auftrag der US-amerikanischen Internet-Plattform „The Liberal Patriot“ testete 40 verschiedene politische Ideen im Zusammenhang mit den Wahlkampagnen der Präsidentschaftskandidaten Biden und Trump. Dieser Kommentar stützt sich auf die ausführliche Analyse auf „The Liberal Patriot„.
Die wichtigsten Themen für Biden waren im Allgemeinen Vorschläge rund um das Gesundheitswesen, von denen die meisten grossen Anklang fanden. Ein Beispiel ist die Erhöhung der Zahl der verschreibungspflichtigen Medikamente, deren Preis Medicare (die bundesstaatliche Krankenversicherung für Senioren) aushandeln kann. Dieser Vorschlag wurde von 81 Prozent der Wähler unterstützt, und nur sechs Prozent lehnten ihn ab, was einer fulminanten Nettounterstützung von 75 Prozentpunkten entspricht. Diejenigen, die diesen Vorschlag unterstützten, unterstützten mit netto 57 Prozentpunkten (72-15) sehr deutlich auch die Nutzung der Befugnisse des Präsidenten, um illegale Grenzübertritte von Migranten an der Grenze zu Mexiko zu stoppen.
Die Befragung ergab bei weiteren Vorschlägen zum Gesundheitswesen und zur illegalen Immigration ein ähnliches Bild: „The Liberal Patriot“ kommentierte dies so, dass Wähler, die im Gesundheitswesen linkspopulistische Ideen zur staatlichen Senkung der Gesundheitskosten unterstützen, mit überwältigender Mehrheit auch einen viel härteren Ansatz gegen die illegale Einwanderung fordern. Eine erstaunlich grosse Zahl von Wählern vertritt eine Kombination von links- und rechtspopulistischen Ansichten.
In der Schweiz brauchen wir weniger Umfragen als in anderen Ländern, weil wir vierteljährlich über alles Mögliche abstimmen. Dabei zeigt sich in jüngerer Zeit, dass Schweizer Stimmbürger ähnlich ticken wie amerikanische Wähler. Offensichtlich reagieren die Leute auf unmittelbar drängende Probleme – Lebenshaltungskosten/Inflation bzw. illegale Immigration/innere Sicherheit – und haben keine Mühe, politisch klar linke mit traditionell rechten Präferenzen zu kombinieren und zu vertreten. Ideologie tritt in den Hintergrund, je drängender die Probleme im Alltag spürbar werden. Diese Einsichten bewahren uns vor Überraschungen bei den kommenden Abstimmungen.