Thundorf, Thurgau

544 Neinstimmen bremsen den Wind- und Solar-Express noch ein wenig mehr

Foto von Matt Artz auf Unsplash

„Thundorf, Thurgau“ klingt überraschend wie „Paris, Texas“. Niemand erwartet Paris in Texas, und kaum jemand in der Schweiz vermutet Thundorf im Thurgau. Der preisgekrönte Film „Paris, Texas“ von Wim Wenders aus dem Jahr 1984, mit der jungen Nastassja Kinski in der weiblichen Hauptrolle, hatte mich damals tief beeindruckt. So habe ich den Filmtitel dem Stil nach plagiiert. Es geht hier aber hier um etwas ganz anderes.

Als die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf das COP29-Spektakel in Baku und das Gezerre um die Finanzierungs-Billionen für den Globalen Süden gerichtet war, lehnten die Stimmberechtigten der kleinen thurgauischen Gemeinde Thundorf zwei Zonenplanänderungen ab, die die Erstellung eines Windparks ermöglicht hätten. Die Teilzonenplanänderung Windenergie zur Erstellung von drei 250 Meter hohen Windturbinen erzielte bei 544 Neinstimmen nur 320 Jastimmen.

Marschhalt im Thurgau
Manchmal haben auch kommunale Urnengänge eine nationale Ausstrahlung. SRF online berichtete, der Thurgauer Regierungsrat wolle jetzt einen Marschhalt einschalten. Das Verdikt von 864 Stimmberechtigten wirkt auch über die Kantonsgrenzen hinweg. Die Hoffnung der Energiewende-Aktivisten in unseren progressiven Institutionen, mit dem rasanten Ausbau der „Erneuerbaren“ vollendete Tatsachen zu schaffen und so ein Revival der Kernenergie zu verhindern, erhält mit jedem Volksentscheid à la Thundorf einen weiteren Dämpfer.

Über die Illusionen eines Wind- und Solar-Express gab es auf volldaneben.ch erst jüngst einen Artikel. Inzwischen gibt es neue Informationen. Ein kürzlicher Beitrag in der NZZ nannte folgende Zahlen über alpine Solarprojekte, die dringend benötigten Winterstrom liefern sollen: 62 Projekte ursprünglich initiiert, 35 Projekte derzeit noch verfolgt, 4 Anlagen mit rechtskräftiger Baubewilligung, davon 1 Anlage im Bau mit fristgerechter Fertigstellung vor Ende 2025 erwartet.

Für diese ernüchternde Zwischenbilanz gibt es gemäss NZZ drei Hauptgründe: Einsprachen, extreme Umweltbedingungen in alpinen Landschaften und die engen Fristen. Welche Überraschung! Gibt es unter diesen Hindernissen irgend eines, das man nicht schon vorher gekannt hätte? Die Politik hat die illusionären Fristen für den Wind- und den Solar-Express gesetzt. Die Parlamentarier taten dies wohl in der Erwartung, dass die Fristen später verlängert werden. Genau dies wird bereits diskutiert. Das heisst Verlängerung der Subventionsberechtigung, die Ende 2025 auslaufen sollte. Wenn etwas staatlich Verordnetes nicht funktioniert, gilt die Devise „mehr vom Gleichen“.

Auch kein Express bei Wasserkraft und Kernenergie
Beim Ausbau der Wasserkraft liefert das jahrzehntelange Trauerspiel um die Erhöhung der Grimsel-Staumauer das typische Muster. Seit dem Runden Tisch der damaligen UVEK-Vorsteherin Sommaruga mit wichtigen Akteuren der Wassserkraft inklusive Umweltverbände sind bereits drei Jahre vergangen. Von der damals verabschiedeten Liste von 15 Speicherwasserkraftprojekten hört man seither nur im Zusammenhang mit Widerständen von Umweltlobbies.

Ausgerechnet bei den weitaus grössten beiden Speicherseeprojekten unterhalb des Gornergletschers bei Zermatt und des Triftgletschers im Grimselgebiet sind die Widerstände besonders gross. Man übertrage die Erfahrungen mit der Grimsel-Staumauer – das unnachgiebige Feilschen der Umweltlobbies um Kompensationen für marginale Eingriffe in die Natur – auf die neuen Projekte. So gelangt man zu einer realistischen Sicht auf die zu erwartenden Fristen, sofern die Projekte nicht schon vorher scheitern.

Nun gilt die nüchterne Einsicht, dass es in unserem dicht gewobenen Institutionengeflecht keine Express-Politik gibt, ganz ausgeprägt für ein Revival der Kernenergie. Hier sind die Hürden der „Vetokratie“ Schweiz besonders hoch. Abgesehen von ausufernden Regulierungen: Es gibt tatsächlich immer noch Leute, die an Hiroshima denken, wenn sie Atom hören. Kein Witz, am Radio selbst erlebt.

Mögliche Auswege mit Fragezeichen
Welches wären gegen das Risiko selbstverursachter Mangellagen im Winter die möglichen Auswege? Drei seien hier genannt. Gaskraftwerke, Winterstrom aus ausländischen (deutschen) Windanlagen, ein Stromabkommen mit der EU. Nur sind Gaskraftwerke netto null-unverträglich und Windstromimporte aus Deutschland nicht so leicht planbar, da auch wetterabhängig. Und für ein Stromabkommen mit der EU fehlen die Liberalisierung des schweizerischen Strommarktes sowie ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU. Alle anderen Auswege, die diskutiert werden – Biomasse, Geothermie oder Wasserstoff-Technologie – sind entweder quantitativ nicht genügend skalierbar oder technisch und wirtschaftlich bei weitem nicht ausgereift oder beides.

Wer hierzulande in der Politik auf express machen will, müsste sich an ein „streamlining“ der Institutionen machen. Das ist aber eine „mission impossible“. Erstens will und wagt das niemand, und zweitens stehen sich die Institutionen für ein „streamlining“ selber im Weg. Der zweite Grund erklärt den ersten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.