Umgekehrter Kant

Eine risikolose Prognose zum „Entlastungspaket 27“ des Bundesrats

Leicht schief geratener Screenshot aus der Sendung „Arena“ des Schweizer Fernsehens

Der Bundesrat hatte Ende Januar seinen Entwurf der Vorlage „Entlastungspaket 27“ in die Vernehmlassung geschickt. Am 5. Mai fallen zwei wichtige Ereignisse zusammen: Die Frist für die Vernehmlassung zum „Entlastungspaket 27“ läuft ab, und am selben Tag wird Insasse Johann R. aus der Rehaklinik Baden nach Hause entlassen.

Ziel des „Entlastungspakets 27“ ist es, den Bundeshaushalt in den kommenden Jahren um 2,6 bis 3,5 Mrd. Franken zu entlasten, damit die Schuldenbremse eingehalten werden kann. Viele betroffene Akteure (Kantone, NGO, Verbände etc.) haben bereits öffentlich vernehmbar dagegen protestiert, dass ausgerechnet bei ihnen gespart werden soll. Wir erleben gerade einen umgekehrten Kant’schen kategorischen Imperativ1.

Auf dem Portal der Schweizer Regierung liest man zum „Entlastungspaket 27“ einleitend:
Die Bereinigung des Bundeshaushalts soll mehrheitlich ausgabenseitig erfolgen, weil die Defizite im Wesentlichen auf ein zu starkes Ausgabenwachstum zurückzuführen sind: Über 90 Prozent des Entlastungsvolumens entfallen auf die Ausgabenseite, rund 300 Millionen Franken trägt die Einnahmenseite bei………….. Dank des soliden Einnahmenwachstums sollen die Ausgaben des Bundes aber trotz des Entlastungspakets mittelfristig weiterhin um mehr als 2 Prozent pro Jahr wachsen können.

„Vision Landwirtschaft“ als Muster
Gestern erhielt ich den Newsletter des agrarpolitischen Umweltverbands „Vision Landwirtschaft“, der vor weniger Bundesgeld für Biodiversität warnt. Auf keinen Fall dürfe dort gespart werden. Zudem würden frühere Versprechen gebrochen. Als unbefangener Beobachter der real existierenden eidgenösischen Verbands- und Vernehmlassungdemokratie fühlte ich mich spontan zu einer Reaktion animiert. Ich sandte „Vision Landwirtschaft“ folgende Nachricht:

Guten Tag!
Sie verhalten sich mit Ihrem interessengeleiteten Widerstand gegen das „Entlastungspaket 27“ nach dem umgekehrten kategorischen Imperativ von Immanuel Kant: Wenn sich alle so verhalten wie Ihr Verband, dann wird aus dem ganzen Projekt „Entlastungspaket 27“ ein Rohrkrepierer. Wünschbar wäre aber, dass sich die vom Entlastungspaket 27 betroffenen organisierten Interessen einzeln so verhalten, dass dieses Verhalten zum allgemeinen Vorbild taugt und zum Wohle des Ganzen beiträgt.

Ihr Verband ist keine Ausnahme. Zahlreiche Verbände, NGO und sonstige organisierte Interessen bis hin zu den Kantonen verhalten sich nach dem umgekehrten kategorischen Imperativ und lehnen Entlastungsmassnahmen, die sie betreffen ab. Deshalb ist auch eine Prognose über den Erfolg des Entlastungspakets ohne Risiko möglich: Ausgabenseitig wird nichts Substanzielles gelingen – nicht zu vergessen das sogenannte „log-rolling“ der organisierten Interessen untereinander nach dem Motto „hilfst du mir, so helf ich dir“. Am Ende bleiben unter dem Druck der Schuldenbremse nur noch einnahmenseitige Massnahmen wie Steuererhöhungen.“

Ein „Sparpaket“, das die Staatsquote ansteigen lässt!
Das „Bundesgesetz über das Entlastungspaket 2027 für den Bundeshaushalt“ enthält alle Massnahmen, die der Bundesrat vorschlägt. 36 dieser Massnahmen erfordern Gesetzesänderungen. Über diesem „Bundesgesetz über das Entlastungspaket 2027 für den Bundeshaushalt“ baumelt in unserer Demokratie nach allfälliger Annahme im Parlament am Schluss noch das Damoklesschwert eines Referendums. Dort können sich die zahlreichen Widerstände aus unterschiedlichsten Motiven zu einer Mehrheit addieren. Ein erfolgreiches Referendum wäre der grösstmögliche Scherbenhaufen für ein Projekt, das nicht einmal den Namen Sparpaket verdient. Die angepeilten mindestens zwei Prozent Wachstum der Ausgaben des Bundes liegen mit grösster Wahrscheinlichkeit über der volkswirtschaftlichen Wachstumsrate, was nichts anderes bedeutet, als dass die Staatsquote des Bundes (Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt BIP) trotz Entlastungsprogramm ansteigt.

  1. Immanuel Kants kategorischer Imperativ lautet: „Handle nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Oder als Frage formuliert: Taugt mein Verhalten als allgemeines Gesetz zum Wohle des Ganzen? ↩︎

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