Vermutungen über die Ursachen der Baustellenflut auf Schweizer Strassen
Bildquelle: Der Glatttaler
In der Schweiz wird gebaut und renoviert wie verrückt, auch am Strassennetz. In der Stadt Zürich gibt es immer mindestens 150 Baustellen im Bereich Tiefbau/Strassen/Leitungen. Da fragt sich der Laie: Könnte man, statt die begrenzten Baukapazitäten auf 150 Baustellen zu verteilen, nicht auch auf 50 Baustellen mit höherem Einsatz an Ressourcen deutlich schneller arbeiten und die Behinderungen für die Strassennutzer reduzieren? Klar, in der rot-grün regierten Stadt Zürich will man das gar nicht. Denn die unzähligen Baustellen helfen auch dem verkehrspolitischen Ziel, die Stadt für Autofahrer unattraktiv zu machen.
Da es nationale, kantonale und kommunale Strassen gibt, scheint sich der Föderalismus auch auf die Bautätigkeit am Strassennetz bzw. an den damit verbundenen Infrastrukturen (Fahrbahn, Beleuchtung, Randsteine, Signalisierung, unterirdische Rohrleitungen etc.) auszuwirken. Als Autofahrer fragt man sich manchmal, ob es bei der Planung der Bauarbeiten wohl eine Abstimmung zwischen den föderalen Kompetenzebenen gibt. Oder auch horizontal eine Abstimmung zwischen Gemeinden, damit nicht alle drei Kilometer ein Rotlicht den Verkehrsfluss unterbricht.
Nach jahrzehntelangen Beobachtungen der politischen Prozesse habe ich zur angeregten Bautätigkeit im Strassenbereich eine Hypothese entwickelt. Die Budgetierung der öffentlichen Haushalte unterliegt einer stillen Übereinkunft. Jedes Amt oder Departement ist gleichsam „berechtigt“, ein mindestens gleich hohes Budget zu erhalten wie im Vorjahr, manchmal noch mit einem Teuerungszuschlag oben drauf. Der betreffende Anspruch gilt auch für Branchen, die massgebend von staatlichen Aufträgen leben, so wie das Baugewerbe. Der Budgetierungsvorgang läuft also gleichsam verkehrt. Man hat ein gewisses Budget zur Verfügung, und die betreffenden Mittel müssen dann auf mögliche Projekte verteilt und ausgegeben werden. Richtig wäre es aber, man würde zuerst die wirklichen Bau- und Renovationsbedürfnisse vorab abklären und nach Prioritäten ordnen. Auf dieser Grundlage liessen sich dann die erwarteten Kosten ermitteln.
Eine praktische Illustration einer verschwenderischen Mittelverwendung aus einem gesicherten Budget bietet der Bahninfrastrukturfonds. Dort gibt es jeweils bei jeder neuen PLanungsrunde ein Gerangel zwischen Regionen und Kantonen um die vorhandenen Mittel. Nicht mehr Prioritäten aus einer übergeordneten Sicht des Gesamtsystems bestimmen den Ausbau der Infrastruktur, sondern politisch-regionale Interessen. Es gehe jeweils zu wie in einem Basar, sagte Thomas Küchler, Direktor der Südostbahn (SOB) in einem Interview mit der NZZ im vergangenen März.