Velostadt Zürich? Die Trams müssen weg!

Genau heute vor zehn Jahren, am 30. Juni 2004, landete ich als regelmässiger Stadtvelofahrer beim Toblerplatz in Zürich bäuchlings auf den Tramschienen, zum Glück mit Helm auf. Eine Autofahrerin hatte meinen Vortritt missachtet und fuhr mir ins Vorderrad. Am 21. Mai landete auch die Zürcher SP-Stadträtin und Velofahrerin Claudia Nielsen jäh auf dem Pflaster und verletzte sich dabei ziemlich schwer. Offenbar spielten auch hier Tramschienen eine Rolle, jedoch als Ursache des Sturzes. Man könnte dies als warnendes Signal des Schicksals deuten, doch trotz allem will Frau Nielsen mit ihrer Partei zusammen mit den Grünen Zürich zur Velostadt umbauen. Das geht allerdings nur mit Gewalt, denn es gibt für Velofahrer kaum eine ungeeignetere grössere Stadt als Zürich. Das hat aber nur beschränkt mit den vom Stadtrat ungeliebten Autos zu tun, sondern damit, dass wesentliche Voraussetzungen für eine echte Velostadt à la Kopenhagen oder Berlin einfach fehlen:

1. Zürich ist allein schon von Natur aus, d.h. topografisch mit den vielen Steigungen, zu anspruchsvoll für zahlreiche Möchte-gern-Velofahrer(innen).

2. Zürich ist dörflich eng gebaut, also hat es einfach zu wenig Platz für alle Verkehrsteilnehmer, besonders wenn diese auch noch alle auf gleicher Ebene verkehren. Das Zürcher Stimmvolk hat vor rund 50 Jahren ein U-Bahnprojekt ein für alle Mal begraben, also hat man den Grossteil des öffentlichen Kollektivverkehrs oberirdisch. Besonders kritisch für Velofahrer sind und bleiben die Tramschienen, welche die ganze Stadt durchziehen. Bei Regen und Schnee potenziert sich das Sturzrisiko.

3. Nicht nur der Strassenraum ist eng, auch die Trottoirs sind viel schmaler als in richtigen Grossstädten. Einfach ein gelbes Velosymbol auf die Trottoirs zu pinseln, ist natürlich Unfug, weil dann die Konflikte zwischen Fussgängern und Velofahrern programmiert sind.

4. Der Strassenbauperfektionismus treibt in Zürich die üblichen schweizerischen Blüten mit all den holprigen Rändern, Rillen, Schwellen und sonstigen Behinderungen der freien Fahrt. Und es gibt kaum eine Strecke in Zürich, wo man nicht alle 50 Meter abbremsen oder anhalten muss.

All dies führt dazu, dass Velofahren in Zürich generell gefährlich ist, permanent die volle Aufmerksamkeit erfordert und einem Hindernisparcours gleicht. Man fahre mal testweise zum Beispiel vom Gebiet des Seebads Uto die völlig flache Strecke zum Technopark im Kreis 5!

Wenn nun der Stadtrat meint, man könne unter solch schlechten Voraussetzungen aus Zürich eine Velostadt dekretieren, dann geht das nur mit massiven Eingriffen und entsprechend hohen Kosten  –  allerdings mit geringer Aussicht auf Erfolg. Besonders zweifelhaft ist schliesslich die Verbreitung eines moralisierenden Klimas, das Velofahrer(innen) einen Heiligenschein aufsetzt. Diese Heiligsprechung hat dazu geführt, dass in Zürich die Mehrheit der Velofahrer(innen) fundamentale Verkehrsregeln fast immer ungestraft missachten kann. Vor einigen Tagen kontrollierte nun die Stadtpolizei wieder einmal. Innerhalb von zweieinhalb Stunden missachteten 70 Velofahrer das Rotlicht, und 13 fuhren auf dem Trottoir!

Frau Nielsen wünsche ich weiterhin gute Genesung.