850’000 Franken für ausstiegswillige Bauern

Unter dem Druck der Agrarlobby erhöhte das Parlament die Position „Umschulungsbeitrage für ausstiegswillige Bauern“ von CHF 150’000 (gemäss Vorschlag des Bundesrats) auf CHF 850’000. Sparministerin Widmer-Schlumpf war gemäss NZZ mit ihrem Hinweis auf die Wirkung dieser Ausstiegshilfe machtlos: In den letzten 10 Jahren hätten bloss etwa zwei Dutzend Bauern diese Beiträge in Anspruch genommen. Die Logik der Agrarlobby und des Parlaments erscheint zwingend: Wenn ein Anreiz nicht wirkt, muss man ihn nicht abschwächen, sondern verstärken. Mit Logik kommt man allerdings in der Agrarpolitik nicht weit, denn im unsäglichen Gewirr von Regulierungen und Anreizen sind Widersprüche und Absurditäten ganz normal.

Überall erklingt das Klagelied vom „Bauernsterben“. Damit lässt sich gut Politik machen; auch die Agrarpropaganda nützt dies aus, um im Publikum Sympathie zu gewinnen. Weshalb aber will man dann einen staatlichen finanziellen Anreiz setzen, um Bauern zum Ausstieg zu bewegen? Offenbar verläuft das „Bauernsterben“ halt doch zu langsam, also muss man es beschleunigen. So ist es in der Tat, aber in Politik und Verwaltung wagt niemand, die Tatsachen klar auszusprechen: Das üppige Subventionswesen bremst den Strukturwandel und die Entwicklung hin zu grösseren und wettbewerbsfähigeren Betrieben.

Wenn die Umschulungsbeiträge Bauern bisher kaum zum Ausstieg bewegen konnten, kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen: Erstens ist das bäuerliche Dasein in der Schweiz, trotz rituellen Klagen der Verbandsfunktionäre über die unbefriedigende Einkommenssituation, auch finanziell ganz angenehm, mal abgesehen von den sonstigen Vorzügen einer bäuerlichen Existenz. Zweitens sind Umschulungsbeiträge auch in der Höhe von insgesamt CHF 850’000 pro Jahr natürlich für eine spürbare Beschleunigung des Strukturwandels praktisch wirkungslos. Viel eher sind Mitnahmeeffekte zu vermuten: Die paar Bauern, die ohnehin aussteigen wollen, nehmen das staatliche Angebot gerne an. Wollte man Wirkung erzielen, müsste ein Teil der milliardenschweren Direktzahlungen zu grosszügigen, aber einmaligen Ausstiegsbeiträgen umgestaltet werden.

Leider geht der Trend auf Kosten der gesamten Volkswirtschaft in die andere Richtung. Die vereinigte Agrarlobby, zu der aufgrund der jüngsten Abstimmungen in National- und Ständerat gegen zwei Drittel des Parlaments zu zählen sind, lässt nichts unversucht, um den überfälligen Strukturwandel abzubremsen. Damit wird eine Landwirtschaft geschützt, die nicht nur für Steuerzahler und Konsumentinnen enorm kostspielig, sondern mit ihrer Intensivbewirtschaftung, entgegen der Agrarpropgaganda, auch sehr umweltbelastend ist.