Die Zürcher Tageszeitung „Tages-Anzeiger“ liess kürzlich vom Statistischen Amt des Kantons Zürich das Wahl-/Abstimmungsverhalten der Zürcher Gemeinden untersuchen. Dazu wurde in der Zeitung eine Darstellung mit zwei Kriterienachsen gezeigt, wie sie inzwischen für solche und ähnliche Auswertungen üblich geworden ist. Die vertikale Achse verortete die Gemeinden auf einer Skala „konservativ – progressiv“, die horizontale Achse stand für „mehr Markt – mehr Staat“. Die beiden grössten Städte Zürich und Winterthur haben gemäss dieser Analyse nicht nur die „progressivste“ wahlberechtigte Bevölkerung aller Gemeinden, sondern diese Bevölkerung ist auch ganz klar für „viel Staat“und „wenig Markt“.
Es ist für jeden, der sich ideengeschichtlich ein wenig auskennt, vollkommen schleierhaft, warum Leute wie die Stadtzürcher und die Winterthurer, die sich viel Staat und wenig Markt wünschen, besonders progressiv, also fortschrittlich, sein sollten. Was ist an staatlicher Einmischung, Regulierung, Umverteilung und fürsorglicher Bevormundung so fortschrittlich? Offenbar haben wir es hier mit einer Art tautologischer Begriffshandhabung zu tun: Progressiv ist, wer sich selbst so sieht und bezeichnet. Verallgemeinerbar und globalisierungsfähig ist eine solche Begrifflichkeit natürlich nicht, denn an anderen und dynamischeren Orten auf der Welt als im Kanton Zürich hat man zur Frage, was als gesellschaftlich progressiv gilt, bestimmt eine andere Meinung.
Das Problem solcher zweidimensionaler Darstellungen hat einen einfachen logischen Grund: Die beiden Kriterien werden fälschlicherweise als voneinander unabhängig definiert und dargestellt. Sind sie aber nicht. Denn für die „Progressiven“ ist es ja gerade auch ihre Marktskepsis und ihre Vorliebe für den Staat, der sie nach eigener Einschätzung zu „Progressiven“ macht.