„Kündigung vor Weihnachten“ lautete der fett gedruckte Titel der Meldung im „Blick am Abend“ vom 6. Dezember. Rund 40 Mieter hätten im Zürcher Seefeld, einem der beliebtesten und teuersten Wohngebiete der Stadt, die Kündigung erhalten. Die Wohnungen würden komplett saniert. Bei den alten Bewohnern mache sich Verzweiflung breit.
Was im Blick-Bericht natürlich fehlt, ist der Blick auf das Grundsätzliche. Das würde nämlich die vorweihnächtliche Gefühlsduselei in ein anderes Licht rücken. Natürlich ist eine Kündigung für Mieter, die seit über 30 Jahren in einem lieb gewonnenen Quartier mitten in der Stadt wohnen, eine grosse Enttäuschung. Es gilt aber auch Folgendes zu bedenken:
- Der Blick-Bericht sagt nichts aus darüber, wie lange zum voraus die Mieterschaft von der Eigentümerin, der Pensionskasse der Zürcher Kantonalbank ZKB, über den Umbau und die damit verbundenen Kündigungen informiert wurde. Bei einer solchen Eigentümerschaft ist es ziemlich wahrscheinlich, dass nicht bloss die vertraglichen Minimalfristen eingehalten worden sind, sondern dass die Sanierung den Mietern schon länger bekannt war.
- Das Mietzinsniveau wird nach der Sanierung dem quartierüblichen Niveau angepasst. Die im Blick-Bericht befragten älteren Mieter können sich dies nicht mehr leisten. Richtig ist aber auch: Sie haben über Jahrzehnte in einem der begehrtesten Wohnviertel der Stadt von Mietzinsen profitiert, die sich dank Mieterschutz (Kostenmiete) über die Zeit immer weiter vom markt- bzw. quartierüblichen Niveau entfernt haben. Einer der Mieter nannte für seine 5-Zimmer-Wohnung einen Monatszins von 1’950 Franken. Man kann leicht abschätzen, auf was für eine erkleckliche Summe man kommt, wenn man diese Art der „privaten Subventionierung“ privilegierter Mieter mal kurz überschlägt.
- Für den jahrelangen Verzicht auf quartierübliche Mieten dankt der Eigentümerin niemand. Im Blick-Bericht erscheint die ZKB-Pensionskasse eher als herzlose Vermieterin, die auf mehr Profit aus ist. Dass eine Pensionskasse ihren Versicherten und Rentnern verpflichtet ist, davon liest man kein Wort. Im heutigen Zinsumfeld der Nullzinsen sind Immobilienanlagen eine der wenigen Möglichkeiten, die notwendigen Minimalrenditen zu erwirtschaften, um bestehende und künftige Renten finanzieren zu können und um den gesetzlich vorgeschriebenen Deckungsgrad zu erreichen.
- Die Sanierung von alten Wohnliegenschaften ist eine unvermeidbare Pflicht der Eigentümer, nicht zuletzt, um den heutigen Vorschriften und Standards (Energieverbrauch, Hygiene, Komfort etc.) zu genügen. Es liegt auch im Interesse der Stadt und der Quartierumgebung, dass Liegenschaften in gutem Zustand erhalten werden.
Der Tränendrüsen-Journalismus des Ringier-Boulevards gibt einer verfehlten linken marktfeindlichen Mieterschutzpolitik Auftrieb und ist damit in der längeren Frist für die Mieter insgesamt kontraproduktiv.