Politische Schnellschüsse gegen steigende Mieten

Der unsinnige Referenzzinssatz ist nicht tot zu kriegen

Es herrscht aktuell hektische Aufregung um drohende Mietzinserhöhungen wegen der erstmaligen Erhöhung des sogenannten Referenzzinssatzes seit seiner Einführung im Jahr 2008.

Auf „statista“ wird der Referenzzinssatz so erklärt:
„Für Mietzinsanpassungen aufgrund von Änderungen des Hypothekarzinssatzes gilt seit dem 10. September 2008 für die ganze Schweiz ein einheitlicher Referenzzinssatz, der vierteljährlich veröffentlicht wird. Er stützt sich auf den hypothekarischen Durchschnittszinssatz der Banken und ersetzt den in den Kantonen früher maßgebenden Zinssatz für variable Hypotheken…. Der Referenzzinssatz betrug bei seiner Einführung im September 2008 3,5 Prozent und ist seitdem kontinuierlich gefallen, da auch die Zinsen gefallen sind. Seit März 2020 lag er auf seinem bisherigen Tiefststand von 1,25 Prozent. Die Steigerung auf 1,5 Prozent im Juni 2023 war die erste seit seiner Initiierung… Beim Fallen des Referenzzinssatzes können Mieter eine tiefere Miete verlangen, beim seinem Steigen können Vermieter die Miete anheben – sofern im Mietvertrag der jeweils aktuelle Zinssatz gilt. Das bedeutet: Bei Anpassungen des Referenzzinssatzes können die Mieten erhöht werden – aber nur, wenn auch frühere Senkungen weitergegeben wurden.“ 

So sieht die Entwicklung seit 2008 aus:

Quelle: Webseite Livit AG (https://www.livit.ch/de/referenzzinssatz)

Wie stets in solchen Fällen wird das Problem der finanziellen Tragbarkeit von Mietzinserhöhungen „pauschalisiert“, wie wenn diese Entwicklung alle betreffen würde. Schon gibt es politische Vorstösse zur generellen Deckelung von Mietzinserhöhungen nach dem „Prinzip Giesskanne“. Der Bundesrat hat bereits mögliche konkrete Massnahmen angekündigt. Vermieter sollen Kostensteigerungen und die Teuerung nur noch begrenzter als bisher auf die Mieter überwälzen dürfen. Sicher wird aus dem gegenwärtigen politischen Aktivismus schliesslich irgendeine Form der sozialen Abfederung resultieren. Man bewegt sich damit opportunistisch immer mehr in Richtung der politischen Forderungen, das Wohnungswesen“ dem Markt zu entziehen“.

Doch wie sieht die Situation aus ökonomischer Sicht aus? Dazu zuerst die „Mechanik“ gemäss Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. September 2023: „Basiert der Mietzins auf einem Referenzzinssatz von 1,25 Prozent, ergibt sich grundsätzlich für die Vermietenden gemäss Mietrecht ein Erhöhungsanspruch des Mietzinses im Umfang von 3 Prozent.“

Seit dem Stand von 3,5 Prozent im Jahr 2008 hätten Mieter(innen) bei der stufenweisen Senkung um jeweils 0,25 Prozent eine Mietpreissenkung von 3 Prozent verlangen können. Sollte dieses Verhältnis grundsätzlich gelten, wäre bis zum Tiefststand von 1,25 Prozent maximal eine Mietzinsreduktion von 27 Prozent möglich gewesen. Sicher wurden diese Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft, doch ist davon auszugehen, dass vor allem institutionelle Vermieter (Versicherungen, Pensionskassen etc.) freiwillig Mietzinse nach unten anpassten. Der allgemeine Anstieg der Mieten wurde dadurch gedämpft.

Die 15 Jahre seit der Einführung des Referenzzinssatzes waren eine Periode des starken Bevölkerungswachstums durch Zuwanderung und, damit einhergehend, der Verknappung von Wohnraum. Das Angebot an Wohnungen konnte der Nachfrage nicht genügend folgen, um den Preisdruck zu dämpfen. Ausgerechnet in einer solchen Zeit der Verknappung mussten nun Mietzinsen gegen die Marktkräfte gesenkt werden. Dies trug unter anderem auch dazu bei, dass in den Städten die bereits grosse Preisdiskrepanz zwischen privilegierten Bestandes- oder Altmieten und Neuvermietungen noch weiter zunahm.

Nachdem die Mieterseite über 15 Jahre in einer Zeit der Angebotsverknappung dank der Anbindung an den sinkenden Referenzzinssatz von gedämpften Mietzinsen profitiert hat, kommt jetzt bei der ersten leichten Erhöhung von 1,25 auf 1,50 Prozent sofort die Forderung nach staatlichen Eingriffen. Das marktwidrige Instrument des Referenzzinssatzes wird also nur akzeptiert, wenn dieser nach unten geht. Sobald die Richtung kehrt, soll die Politik eingreifen.

Der aktuelle politische Aktivismus „gegen den Markt“ ist nicht zuletzt eine eindrückliche Demonstration, wie untauglich der Referenzzinssatz in der praktischen Anwendung ist.

Abstimmungssonntag in der Musterdemokratie

Ein längerer Kurzkommentar

Sind nun in der Schweiz auch Schwule und Lesben eine Rasse? Die Vorlage lief ja bekanntlich unter dem Titel „Ausweitung der Rassismusstrafnorm“, und sie fand im Volk eine Mehrheit. Dabei haben wir bereits ein Diskriminierungsverbot in der Verfassung. Doch steter Tropfen höhlt den Stein, und das wissen unsere professionellen Moralisten aus dem linken politischen Lager natürlich, wenn sie ihre progressiven Projekte unermüdlich vorantreiben. Und sie wissen auch, dass der Widerstand gegen ein solches Anliegen riskant ist. Denn es droht sofort der Vorwurf der Homophobie sowie der einer rückständigen Gesinnung. Was eine fortschrittliche Gesinnung ist, bestimmen diese professionellen Moralisten, und die meisten Medien machen bei dieser Gehirnwäsche mit.

Bei der zweiten Vorlage ging es um eine linke Volksinitiative für „mehr bezahlbaren Wohnraum“, ausgerechnet in einer Zeit, da die Leerwohnungsziffern fast überall deutlich gestiegen sind. Es sollten flächendeckend schweizweit sogenannte gemeinnützige Wohnbauprojekte, also von Wohnbaugenossenschaften, gefördert werden, um in allen Gemeinden einen Mindestanteil von 10 Prozent gemeinnützig erstellter Wohnungen zu erreichen. Das Anliegen ist unter dem linken Lieblingsslogan „Wohnraum dem Markt entziehen“ zu klassifizieren. Die kontraproduktiven Wirkungen einer Politik der Vergenossenschaftlichung des Wohnungsmarktes bzw. staatlicher und gerichtlicher Interventionen, nicht selten in extremer Auslegung der „Kostenmiete“, können in grossen Städten wie Genf oder Zürich gut beobachtet werden.

Da die Initiative immerhin knapp über 40 Prozent JA-Stimmen erzielte, behauptete der SRF-Bundeshausredaktor am Radio, die Initiative sei für die Initianten trotz der Ablehnung doch ein Erfolg. Sie habe deutlich über das linke Wählerpotenzial von rund 30 Prozent hinaus Zustimmung erhalten. Leider hat der Journalist unseres Staatsradios noch zu wenig über Abstimmungsarithmetik nachgedacht. Es ist nämlich ziemlich sicher, dass die Initiative im Lager der Initianten, also bei Rot-Grün, viel mehr mobilisierte als bei den übrigen Parteien. Mit anderen Worten: Die höhere Stimmbeteiligung im linken Lager sorgte für das Ergebnis. Ich bin überzeugt, dass die VOTO-Analyse dies betätigen wird.

Des weiteren behauptete der SRF-Radiomann, es habe einen Stadt-Land-Graben gegeben. Auf dem Land, wo es genügend Wohnungen gebe, sei die Initiative abgelehnt worden. Dagegen habe zum Beispiel Basel-Stadt deutlich zugestimmt. Ja ist das denn ein Wunder, wenn doch alle grossen Städte politisch klar rot-grün ticken! Es gibt also primär einen Links-rechts-Graben, der sich dann auch in einen Stadt-Land-Graben übersetzt.

Unsoziale SNB-Frankenmanipulation – wie lange noch?

Seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von CHF 1.20 durch die Schweizerische Nationalbank SNB hat sich der Schweizer Franken auf einem Niveau zwischen 1.11 und 1.14 eingependelt. Allerdings geschah dies nicht ohne Interventionen der SNB, Einführung von Negativzinsen inklusive. Der Kurs wurde und wird also „gepflegt“. SNB-Präsident Thomas Jordan wiederholt in öffentlichen Auftritten rituell seine Begründung, der Franken sei immer noch latent überbewertet, und bei Verunsicherung der Märkte drohe jederzeit eine Flucht in den Franken. Diese Begründung überzeugt allein schon deswegen nicht, weil die SNB in ihrer bisherigen Praxis gegenüber dem Euro nicht „symmetrisch“ intervenierte. Als der Franken nach der Einführung des Euro mit Kursen im Bereich von deutlich über CHF 1.50 jahrelang stark unterbewertet war, was den Interessen der Schweizer Exportwirtschaft entgegenkam, blieb die SNB still sitzen. Daraus lässt sich unschwer die Vermutung ableiten, die SNB bediene mit ihrer Politik der Frankenschwächung eigentlich uneingestanden vor allem auch die Interessen der Exportwirtschaft. Dies in einer Volkswirtschaft, die seit Jahren massive Leistungsbilanzüberschüsse erzielt.

Die Kollateralschäden der SNB-Negativzinspolitik sind bekannt und schon vielerorts beschrieben worden. Die unsozialen Folgen verdienen aber besondere Aufmerksamkeit. Kleinsparer, die sich riskantere Anlagen mit positiven Renditen nicht leisten können, erleiden wegen der Teuerung Jahr für Jahr auf ihren Nullzins-Sparkonten reale Verluste. Weil die meisten Leute nominell denken (Geldillusion), ignorieren sie reale Verluste. Am anderen Ende des Einkommens- und Vermögensspektrums verdienen Anleger als Profiteure der Geldschwemmenpolitik der Zentralbanken und der resultierenden „asset price inflation“ Vermögenserträge aus Dividenden und Vermögenszuwächse. Wer also die zunehmende Ungleichheit anprangert, sollte die Verantwortlichkeit der Zentralbanken, SNB eingeschlossen, nicht übersehen.

Eine weitere unsoziale Folge beobachten wir auf dem Wohnungsmarkt. Zwar haben wir so niedrige Hypothekarzinsen wie noch nie, aber diese Medaille hat für potenzielle Wohnungskäufer sogar zwei Kehrseiten. Einerseits sind die Liegenschaftspreise in einer Gegenbewegung zu den Kreditzinsen generell beträchtlich gestiegen. Anderseits müssen die kreditgebenden Institute auf Geheiss der SNB äusserst restriktive Tragbarkeitsregeln anwenden. Sie benützen heute, da 10-jährige Hypotheken zu einem Zinssatz von 1 Prozent erhältlich sind, einen kalkulatorischen Zins von sage und schreibe 5 Prozent. Mit einem Jahreseinkommen von „bloss“ CHF 100’000 ist ein Wohnungskauf heute praktisch nur noch mit viel Eigenkapital möglich. Mit anderen Worten: Jüngere Leute, die noch wenig sparen und nicht erben konnten, sind vom Kauf einer Wohnung praktisch ausgeschlossen.

Stossend an diesen Zuständen ist schliesslich, dass die Pensionskassen als Folge der SNB-Negativzinspolitik die Zwangsersparnisse der Versicherten mangels sicherer Alternativen massiv in Immobilien investieren, wo noch eine langfristig akzeptable Rendite winkt. Zuerst schmälert man also durch das 2.Säule-Zwangssparen die privaten Sparmöglichkeiten der Leute. Dann bauen die Pensionskassen mit den Ersparnissen der obligatorisch Versicherten Wohnungen, welche dieselben Leute, denen man den Erwerb einer eigenen Wohnung praktisch verunmöglicht, danach von den Pensionskassen mieten können.

Tränendrüsen-Journalismus auf dem Ringier-Boulevard

„Kündigung vor Weihnachten“ lautete der fett gedruckte Titel der Meldung im „Blick am Abend“ vom 6. Dezember. Rund 40 Mieter hätten im Zürcher Seefeld, einem der beliebtesten und teuersten Wohngebiete der Stadt, die Kündigung erhalten. Die Wohnungen würden komplett saniert. Bei den alten Bewohnern mache sich Verzweiflung breit.

Was im Blick-Bericht natürlich fehlt, ist der Blick auf das Grundsätzliche. Das würde nämlich die vorweihnächtliche Gefühlsduselei in ein anderes Licht rücken. Natürlich ist eine Kündigung für Mieter, die seit über 30 Jahren in einem lieb gewonnenen Quartier mitten in der Stadt wohnen, eine grosse Enttäuschung. Es gilt aber auch Folgendes zu bedenken:

  1. Der Blick-Bericht sagt nichts aus darüber, wie lange zum voraus die Mieterschaft von der Eigentümerin, der Pensionskasse der Zürcher Kantonalbank ZKB, über den Umbau und die damit verbundenen Kündigungen informiert wurde. Bei einer solchen Eigentümerschaft ist es ziemlich wahrscheinlich, dass nicht bloss die vertraglichen Minimalfristen eingehalten worden sind, sondern dass die Sanierung den Mietern schon länger bekannt war.
  2. Das Mietzinsniveau wird nach der Sanierung dem quartierüblichen Niveau angepasst. Die im Blick-Bericht befragten älteren Mieter können sich dies nicht mehr leisten. Richtig ist aber auch: Sie haben über Jahrzehnte in einem der begehrtesten Wohnviertel der Stadt von Mietzinsen profitiert, die sich dank Mieterschutz (Kostenmiete) über die Zeit immer weiter vom markt- bzw. quartierüblichen Niveau entfernt haben. Einer der Mieter nannte für seine 5-Zimmer-Wohnung einen Monatszins von 1’950 Franken. Man kann leicht abschätzen, auf was für eine erkleckliche Summe man kommt, wenn man diese Art der „privaten Subventionierung“ privilegierter Mieter mal kurz überschlägt.
  3. Für den jahrelangen Verzicht auf quartierübliche Mieten dankt der Eigentümerin niemand. Im Blick-Bericht erscheint die ZKB-Pensionskasse eher als herzlose Vermieterin, die auf mehr Profit aus ist. Dass eine Pensionskasse ihren Versicherten und Rentnern verpflichtet ist, davon liest man kein Wort. Im heutigen Zinsumfeld der Nullzinsen sind Immobilienanlagen eine der wenigen Möglichkeiten, die notwendigen Minimalrenditen zu erwirtschaften, um bestehende und künftige Renten finanzieren zu können und um den gesetzlich vorgeschriebenen Deckungsgrad zu erreichen.
  4. Die Sanierung von alten Wohnliegenschaften ist eine unvermeidbare Pflicht der Eigentümer, nicht zuletzt, um den heutigen Vorschriften und Standards (Energieverbrauch, Hygiene, Komfort etc.) zu genügen. Es liegt auch im Interesse der Stadt und der Quartierumgebung, dass Liegenschaften in gutem Zustand erhalten werden.

Der Tränendrüsen-Journalismus des Ringier-Boulevards gibt einer verfehlten linken marktfeindlichen Mieterschutzpolitik Auftrieb und ist damit in der längeren Frist für die Mieter insgesamt kontraproduktiv.

 

Rot-grüner Dörfligeist in der Grossstadt

Für heute zur Abwechslung mal etwas aus der Rubrik „Lokales“.

Im rot-grün beherrschten Stadtzürcher Gemeinderat wurde jüngst ein Vorstoss der Bauzonenregulierung gutgeheissen, der den Bau eines neuen Kongresszentrums auf dem sogenannten Car-Parkplatz in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof verbietet. Seit vielen Jahren  –  schon fast so lange wie beim unsäglichen Polittheater um ein neues Fussballstadion  –  streitet man sich in Zürich um das Projekt Kongresszentrum. Ein grosszügiges Projekt mit wirklichem Grossstadtflair am Standort des alten Kongresshauses am See wurde vor einigen Jahren vom Stimmvolk versenkt. Seither wurden andere Standorte in die Debatte geworfen und umgehend wieder verworfen.

In der Diskussion des Vorstosses im Gemeinderat wurde von den Gegnern des Projekts Kongresszentrum Car-Parkplatz das Argument vorgebracht, Zürich brauche eigentlich gar keine neuen Kongress-Kapazitäten, viel wichtiger sei der Bau von „bezahlbarem“ Wohnraum, der dort möglich wäre. Man stelle sich das Ergebnis solch rot-grün-genossenschaftlichen Dörfligeists einmal plastisch vor. Mitten in Zürich, dem angeblichen Wirtschaftszentrum der Schweiz, erstellen von der Politik privilegierte Genossenschaften „bezahlbare“ Wohnungen an einem der teuersten Standorte der Stadt! Generell gilt gemäss ökonomischer Logik: Je teurer der Standort, desto höher die resultierende offene oder verdeckte Subventionierung des „bezahlbaren“ Wohnraums durch die Allgemeinheit für die paar Privilegierten, die das grosse Los gezogen haben und dort wohnen können. Und so etwas gilt dann in der rot-grünen Begriffswelt als „sozialer Wohnungsbau“!

Formularpflicht: Fünf mal mehr Anfechtungen im Kanton Zürich

Wohlwollend kommentiert heute der Zürcher „Tages-Anzeiger“ den „Erfolg“ der sogenannten Formularpflicht für Wohnungsvermieter. Die Anfechtungen des Anfangsmietzinses hätten sich im Kanton Zürich seit Einführung der Formularpflicht Anfang November 2013 verfünffacht. Für den unbefangenen Betrachter der Szene ist dies allerdings ein fragwürdiger Erfolg.

Worum geht es? Heute müssen Vermieter einem neuen Mieter per Formular den Mietzins bekanntgeben, der für den Vormieter gegolten hatte. Die zündende Idee der zahlreichen von links bis weit in sogenannt bürgerliche Kreise reichenden politischen Bewirtschafter der „Wohnungsnot“ dahinter: Solche Transparenz ermöglicht dem neuen Mieter, einen nach seiner Ansicht zu hohen Mietzins bei der zuständigen Schlichtungsstelle anzufechten  –  notabene den Mietzins aus dem Vertrag, den der Mieter zuvor unterzeichnet hatte. Da fragt man sich natürlich, wie sich dies auf die Zuteilung von Wohnraum auswirkt: Kommen jetzt vor allem die Unverfrorenen zum Zug, die schon zum voraus wissen, dass sie keine Hemmungen haben, vor der Schlichtungsbehörde einen vermeintlich zu hohen Mietzins anzufechten? Die Zahlen scheinen diese Vermutung zu stützen.

Von den Medien mit Meldungen über den Wohnungsmangel dauerversorgt, hatte das Zürcher Stimmvolk dieser weiteren Drehung an der Regulierungsschraube mit grosser Mehrheit zugestimmt. Kein Wunder, lernt man doch in unseren Staatsschulen in der obligatorischen Schulzeit nie etwas über die Vorteile des Preismechanismus zur Bewältigung von Knappheit. Aus politischem Opportunismus wurde die Formularpflicht zuvor auch schon in anderen Kantonen mit „Wohnungsmangel“ eingeführt. Nun droht auch die gesamtschweizerische Einführung. Damit will der Bundesrat dazu beitragen, die angeblichen mietzinssteigernden Folgen der hohen Zuwanderung abzuschwächen.

Solche Symbolpolitik ist Opium für das Volk, denn selbstverständlich ändert die Formularpflicht am weitgehend politisch verschuldeteten Wohnungsmangel nichts. Eher wird sie ihn noch verschärfen. Unter der Fuchtel einer immer strikter durchgesetzten Ideologie der Kostenmiete verschärft ein künstlich gedrücktes Mietzinsniveau nur den Nachfrageüberhang. Wer die Markt- und Preismechanismen willentlich ausser Kraft setzt, erntet noch mehr Marktverzerrung und noch stärkere Rufe nach neuen Regulierungen. Die Spirale dreht sich weiter, am Wohnungsmangel ändert sich nichts, aber man kann den Unmut der Leute über die bösen „Immobilienhaie“ weiter politisch bewirtschaften.

 

Nagelhaus-Mieter als Super-Pulimenos

Während sich Familie Pulimeno an der Rautistrasse in Zürich erst seit einigen Wochen über ihre subventionierte preisgünstige Stadtwohnung freuen kann (siehe Beitrag unten), wohnt Nagelhaus-Hauptaktivist Willi Horber seit über 40 Jahren im Nagelhaus an der Turbinenstrasse 12. Am liebsten möchte er dort wohl bis zu seinem Ableben bleiben. Geht aber nicht, denn die Rechtslage ist klar: Das Haus muss aufgrund gesetzlicher Vorgaben von Bund und Kanton abgerissen werden, um das ganze Quartier mit seinen Hunderten von Wohnungen zu erschliessen. Das Bundesgericht hat in letzter Instanz diesen Sommer einen fragwürdigen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts zugunsten des Nagelhauses korrigiert und das betreffende Urteil hart kritisiert.

Nun steht das Nagelhaus aber in einer Stadt, deren Behörden im Auftrag des Stimmvolks auf Teufel komm raus mit offenen und verdeckten Subventionierungen den genossenschaftlichen „gemeinnützigen“ Wohnbau fördern (Killer-Argument „soziale Durchmischung“) und gelegentlich selbst gegenüber der Hausbesetzerszene eine eher elastische Haltung einnehmen.

Kein Grund also, nach dem Bundesgerichtsurteil einfach aufzugeben, dachte sich wohl auch Willi Horber und organisierte mit Unterstützung genossenschaftlich-alternativer Kreise nochmals „Résistance“. Letzten Samstag versammelte sich nun eine bunte Schar von Leuten aus dieser Szene, allen voran Vertreter der Juso, vor dem Nagelhaus mit originellen Transparenten („Leere Luxuswohnungen? Abreissen!“) und forderten von Stadt und Kanton eine flexible Haltung, damit das Haus als „letztes Idyll im völlig toten Zürich West“ erhalten bleibe. Mit dieser Charakterisierung entlarven sich diese Leute selbst. Das baulich, wirtschaftlich und kulturell dynamischste Gebiet von Zürich ist für sie „völlig tot“. Dagegen verströmt ihre Idylle  –  das Nagelhaus  –  den Charme eines antikapitalistisch-genossenschaftlichen Dörflilebens unter ihresgleichen, aber bitte mit allen Vorzügen und Annehmlichkeiten der Stadt.

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„Blick am Abend“ berichtete am letzten Freitag als Propagandaverstärker vorausschauend über die am Samstag stattfindende Demo in der üblichen Tränendrüsenart des lokalen Boulevards. „Ausgerechnet diese Schmuckstücke sollen abgerissen werden“, klagt Ringier-Schreiber Gamp, wobei das Foto des Nagelhauses wie ein Dementi von Gamps begeistertem Urteil wirkt. Und Gamp weiter: Bewohner wie Horber sollen rausgeworfen werden, das habe das Bundesgericht entschieden. Das ist natürlich Unsinn. Das Bundesgericht hat einfach die Rechtslage klargestellt und die Hierarchie der öffentlichen und privaten Interessen wieder ins Lot gebracht.

Familie Pulimeno wird noch jahrzehntelang von der Allgemeinheit subventioniert an der Rautistrasse wohnen müssen, bis sie das Niveau der finanziellen Privilegierung von Willi Horber erreicht, wenn überhaupt. Die Differenz zwischen einem marktüblichen Mietzins im Gebiet des Nagelhauses und der Miete, die „Super-Pulimeno“ Horber bezahlt, summiert sich über die Jahre locker auf einen sechsstelligen Frankenbetrag. Man kann Horbers Privilegierung sowie jene der übrigen Mieter auch anders als in Franken ausdrücken. Würden die Räumlichkeiten im Nagelhaus zu den heutigen Mietbedingungen frei ausgeschrieben, gingen Hunderte, wenn nicht Tausende von Mietgesuchen ein.

Der entscheidende Unterschied zwischen der Rauti-Pulimenos und den Super-Pulimenos vom Nagelhaus: Bei letzteren handelt es sich um eine private vertragliche Privilegierung „auf Kosten“ eines wohlwollenden Vermieters  –  ein Arrangement, welches die Steuerzahler weder direkt, noch indirekt je belastet hat.

 

 

Grosse Freude bei den Pulimenos

Heute meldet „20 Minuten“, die Familie Pulimeno habe eine der 98 von der Stadt Zürich gebauten stylishen (!) Wohnungen an der Rautistrasse ergattert. Ergattert ist ein vollkommen passender Begriff, wenn die Nachfrage das Angebot um das mehr als 14-fache übersteigt. Denn über 1’400 Familien hatten sich um die subventionierten preisgünstigen Wohnungen beworben. Für die 5 1/2-Zimmer-Wohnung im obersten Stockwerk bezahlt die Familie inklusive Tiefgaragen-PP sage und schreibe die lächerliche Montatsmiete von CHF 2’300.

Bei anderen städtischen subventionierten Wohnbauprojekten ist das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ähnlich. Jedem Ökonomiestudenten im ersten Semester ist klar, was es bedeutet, Wohnungen so „dem Markt zu entziehen“ wie dies die Stadt im Auftrag der rot-grün-genossenschaftlich eingefärbten Mehrheit des Stadtzürcher Stimm- und Wahlvolkes tut und damit einen Parallelmarkt für „preisgünstigen“, im Jargon „bezahlbaren“ Wohnraum schafft.

Man wundert sich über die seltsame Auffassung von sozialer Gerechtigkeit, wenn die Zuteilung von so extrem knappem günstigem Wohnraum in den Händen von genossenschaftlichen oder städtischen Zuteilungsbeamten liegt und nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt je die Chance hat, eine solche Wohnung zu ergattern. Dieses ungerechte System mit privilegierten Glücklichen, die das grosse Los gezogen haben, ist natürlich nicht unbeschränkt nach oben skalierbar, ohne den Wohnungsmarkt gänzlich aus den Fugen zu werfen. Aus Untersuchungen ist aber bekannt, dass die Mehrheit der Leute administrative Zuteilungsverfahren bei Knappheit von Gütern dem Preissystem vorziehen. Offenbar leben die Leute von der eitlen Hoffnung, doch auch mal selbst zum Zug zu kommen. Ein besseres System, das Ökonomen bevorzugen würden, läge in der Versteigerung zumindest eines Teils der Wohnungen. Mit den höheren Mietpreisen könnte dann der andere Teil der Wohnungen querverbilligt werden.

Am besten wäre aber ein möglichst freier Wohnungsmarkt kombiniert mit Subjektunterstützung an ärmere Haushalte.

Mieterschutz à la façon de Zurich

Der Mieterverband Zürich will mit einer kantonalen Volksinitiative erzwingen, dass Neumieter einer Wohnung automatisch zu informieren sind, wieviel ein Vormieter bezahlt hat. Der Tages-Anzeiger machte dazu eine Online-Umfrage. Die Zeitung lieferte gleich je eine Begründung für das Ja oder das Nein mit: „Ja, das ist transparent und wirkt mietzinsdämpfend“, bzw. „Nein, das ist unsinnige Bürokratie“. So suggestiv formuliert man eine Umfrage wohl nur, wenn man zum vornherein politische Absichten hat  –  ein Verdacht, der beim Tages-Anzeiger, linken Anliegen stets wohlwollend gesinnt, nicht unbegründet ist. 1’536 Leser antworteten, die grosse Mehrheit für das Anliegen der Initiative. 

Dass eine solche gesetzlich erzwungene Transparenz mietzinsdämpfend wirke, wird von den Initianten behauptet, weil sie den Wohnungsmarkt in einem möglichst engen Regulierungskorsett halten wollen. Dazu gehört, dass Mietzinsaufschläge nur in einem engen Bereich im Vergleich zur Vormiete zugelassen sind. Die wahre Absicht hinter der Initiative ist ja auch nicht Transparenz (diese ist angesichts der vorhandenen statistischen Daten und der leicht verfügbaren Marktinformationen schon beträchtlich), sondern ein staatliches Verbot von Mietzinsaufschlägen zur Anpassung an die Marktverhältnisse.

Angesichts der emotionalisierten Debatte (Schlagwort „Wohnungsnot“) und mit Blick auf den dürftigen ökonomischen Bildungsstand der breiten Bevölkerung ist ein Erfolg dieser Volksinitiative zu befürchten. Die online-Umfrage des Tages-Anzeigers, auch wenn nicht repräsentativ, liefert einen Vorgeschmack auf den Ausgang der Abstimmung. Faktum ist allerdings, dass die Umsetzung einer solchen Initiative für den Wohnungsmarkt sogar kontraproduktive Folgen haben wird. Wenn tatsächlich zunächst eine dämpfende Wirkung auf die Mietzinsen einträte, würde man die Kluft zwischen regulierten geschützten Mieten und Marktmiete noch vergrössern. Dies hätte zur Folge, dass die Nachfrage nach Wohnraum in Gebieten mit „Wohnungsnot“ das Angebot noch stärker übersteigen würde als zuvor – mit dem Ergebnis, dass sich Vermieter in einer noch komfortableren Position befänden. Sie könnten die Ihnen passenden Mieter aus noch mehr Interessenten aussuchen als dies heute der Fall ist.

Ob dann die bezahlte Vormiete wirklich als Richtgrösse eine Rolle spielt, ist stark zu bezweifeln. Die Hoffnung auf eine dämpfenden Preiswirkung dürfte sich als Illusion erweisen. Überregulierung stiftet stets Anreize zur Umgehung. Wohin staatliche Mietzinskontrolle führt, kann man in vielen Städten Europas eins zu eins studieren: Die knappen Wohnungen erhalten nicht die sozial Schwächeren, sondern die Zahlungskräftigen. Diese sind auch in der Lage und bereit, beträchtliche „Schlüsselgelder“ zu bezahlen, die umso grösser ausfallen, je weiter sich die regulierten Mietzinsen von den Marktzinsen entfernt haben.

Der ökonomische Widersinn populistischer „Mieterschutz“-Argumente ist leicht zu entlarven. Das wohlfeile Klagen, es gebe zu wenig „zahlbaren Wohnraum“, suggeriert, Wohnungen seien generell zu teuer. Das Gegenteil trifft zu. Weil die meisten Wohnungen unter dem Regime der Kostenmiete besonders in den grösseren Städten weit unter dem Marktpreis vermietet werden (müssen), gibt es einen enormen Nachfrageüberhang. Nicht selten melden sich auf ein Inserat für ein durchschnittliches Objekt 30, 40 oder noch mehr Interessenten. Das beklagt man dann lautstark als „Wohnungsnot“. Dabei handelt es sich weder um ein Naturereignis von höherer Gewalt, noch sind es die bösen Vermieter, die an diesem Zustand schuldig sind. Es ist bloss die logische Folge eines staatlich überregulierten Marktes.

Entscheidet sich das Zürcher Stimmvolk beim Gut Wohnen statt für mehr Markt für immer mehr staatliche Regulierung, muss es weiterhin mit der „Wohnungsnot“ und all ihren schädlichen und unsozialen Folgen leben. Doch wer die ökonomischen Zusammenhänge nicht sieht oder diese verdrängt, dem ist das völlig egal. Genau wie den Initianten, die mit der selbstverschuldeten „Wohnungsnot“ weiterhin ihr politisches Süppchen kochen. Mit Mieterschutz aus Sicht des Allgemeininteresses aller Marktteilnehmer hat das nichts zu tun.