Leuthards „Nudging“ für Heimferien

Es war Bundesrätin Doris Leuthards Popularität bestimmt nicht abträglich, dass sie sich im Bundesratsjet nach Abu Dhabi fliegen liess, um sich mit den „Solar Impulse“-Piloten Piccard und Borschberg medienwirksam ablichten zu lassen. Die „Weltwoche“ berechnete für den Flug von Leuthard einen CO2-Ausstoss von 80 Tonnen und schrieb dazu, Leuthards eigenes Bundesamt für Zivilluftfahrt empfehle gegen Emissionen „Reduktion der persönlichen Reisedistanzen“ und „Verzicht auf mittlere bis lange Reisen.“

Seitens der schweizerischen Tourismusbranche sind bisher keine Proteste gegen die amtliche Schubserei zu korrektem Reiseverhalten bekannt. Dabei gäbe es dafür durchaus gute Gründe, stammen doch wachsende Anteile des Gästeaufkommens im Schweizerland aus fernen Ländern mit einer stetig grösser werdenden Schicht von Menschen, die sich  –  im Gegensatz zu vielen Europäern (und Schweizern)  –  auch Ferien in der teuren Schweiz leisten können und wollen. Würden sie sich aber nach den moralingetränkten klimapolitisch korrekten Ratschlägen aus Leuthards Bundesamt für Zivilluftfahrt richten, wäre der schweizerische Tourismus die leidtragende Branche. Das ist nur ein weiteres Muster für das längst bekannte Faktum, dass sich klimapolitische Korrektheit unweigerlich in Widersprüchen verheddert, weil dogmatisches politisches Wollen komplexe Zusammenhänge der realen Welt missachtet.

GVO auf dem Teller – pfui!

Von der Migros erhielt ich kürzlich eine Einladung zur 8. Konsumententagung „Neue Impulse für einen nachhaltigen Konsum“ mit Bundesrätin Doris Leuthard. Die Referentenliste ist nachhaltig einseitig. So darf beispielsweise der Präsident von Bio Suisse die selbst gestellte Frage „Kann Bio eine wachsende Weltbevölkerung ernähren?“ selbst beantworten.

Dass GVO-Produkte selbstverständlich „nicht nachhaltig“ sind, versteht sich im GVO-Moratoriumsland Schweiz von selbst. Der grünen Propaganda ist es längst gelungen, die Grüne Gentechnik als „nicht nachhaltig“ zu verunglimpfen. Nachhaltigkeit nach deren Argumentation ist mit GVO unvereinbar. Die Mehrheit der Bevölkerung hat diese wissenschaftlich unhaltbare Sicht längst verinnerlicht. Über Nachhaltigkeit, Bio und Grüne Gentechnik zirkulieren in der Öffentlichkeit geradezu abergläubische Ansichten. Der religiöse Charakter der typischen Einstellungen äussert sich besonders in der Weigerung, sich mit wissenschaftlichen Argumenten auseinanderzusetzen. Wer politische oder wirtschaftliche Mehrheiten gewinnen will, kann dieses Faktum nicht missachten. Die Migros-Veranstaltung widerspiegelt den kommerziellen Opportunismus der Grossverteiler. COOP ist in der Anti-GVO-Haltung noch militanter als die Migros.

Die Rolle der Medien im Kommunikationszirkel zwischen den Hauptakteuren (politische Interessengruppen, NGO, Wirtschaft/Grossverteiler, Medien, Publikum) ist zwiespältig. Kritische Beiträge finden sich höchstens in Qualitätsmedien mit geringer Leserschaft. Die meisten Medien schwimmen mit dem Mainstream, besonders die zur politischen Ausgewogenheit verpflichteten SRG- Kanäle. Die Wissenschaft hat kaum Chancen, in diesen Zirkel der sich selbst verstärkenden Vorurteile einzubrechen. Das NFP59 zur Grünen Gentechnik verpuffte politisch wirkungslos. Man verschleuderte CHF 13 Mio., bloss um Zeit zu gewinnen. Die wirklich kritischen Stimmen werden in den Schweizer Medien meistens nur am Rande publiziert. Der kürzliche massive Protest von 110 Nobelpreisträgern gegen die weltweiten militanten Aktionen von Greenpeace gegen die Grüne Gentechnik, speziell gegen den „Golden Rice“ zur Bekämpfung von Vitamin A-Mangel in armen Ländern, erhielt in den hiesigen Medien kaum die verdiente Aufmerksamkeit.

Ein generelles Problem ist in diesem Zusammenhang auch die latent drohende Politisierung der Forschung. Diese Feststellung betrifft nicht nur die Grüne Gentechnik, sondern ganz penetrant auch die Energie- und der Klimaforschung. Das läuft so: Die Politik gibt, auch aufgrund von faktenwidrigen Lageeinschätzungen, Ziele, Programme und Rahmenbedingungen vor, und dann gibt es zur Rechtfertigung Forschungsbedarf und staatlich finanzierte Forschungsaufträge. An den Hochschulen bis hinauf zu den ETH wird dann „geforscht“, wie man mit Bio die schweizerische Umwelt schonen oder die Welt ernähren kann, oder wie die „Energiestrategie 2050“ erfolgreich umgesetzt werden kann oder wie die 2000-Watt-Gesellschaft zu schaffen ist. Dabei wäre es Aufgabe einer möglichst politikfreien Forschung, solche politischen Programme kritisch zu beurteilen. Bei uns machen das eher die wenigen unabhängigen Think Tanks wie die etablierte Stiftung Avenir Suisse oder das erst kürzlich gegründete Carnot-Cournot-Netzwerk.

Eine politisierte Wissenschaft, die thematisch die Nähe zu Schwerpunktprojekten der politischen Agenda sucht, trägt dazu bei, Vorurteile in der Bevölkerung zu verstärken. Meine Perspektive auf die Problematik einer politisierten Forschung im Zusammenspiel mit der Formierung der öffentlichen Meinungen ist in Professor Hans Roslings Ausspruch in Kürzestform zusammengefasst: „The problem ist not ignorance, but preconceived ideas.“ Wie man dagegen ankommt, ist mir noch nicht klar, vor allem in einem Land, wo man sich mit Vorliebe auf den „Volkswillen“ (oder die Wünsche der Kunden) beruft, um etwas zu rechtfertigen,was nüchtern sachlich eigentlich nicht zu vertreten ist.