Frau Zünd kommuniziert, solange es ihr passt

Marianne Zünd ist Leiterin Abteilung Medien und Politik und Mitglied der Geschäftsleitung im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, Bundesamt für Energie BFE.

Mit Frau Zünd zettelte ich jüngst einen persönlichen kleinen Mailaustausch an, der so ablief:

Sehr geehrte Frau Zünd

Könnten Sie die folgende Fragen an jemanden weiterleiten, der sie beantworten würde? Besten Dank.

Ich habe für mein Reihenhaus die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage mit Batterie angeschaut. Rein wirtschaftlich rechnet sich die Investition aufgrund heutiger Strompreise und meines Verbrauchs nicht. Das ist einigermassen erstaunlich.  Wieso sollte ich diese Investition tätigen, wenn sie sich nicht bezahlt macht? Ich vermute, die Preise für die Installation einer solchen Anlage seien in der Schweiz – wie halt so üblich – exorbitant hoch, mit typischen Schweizer Margen.

Und jetzt meine zentrale Frage: Ist es nicht so, dass die staatlichen Fördermittel, die private PV-Investoren erhalten, ökonomisch gesehen, gar nicht beim Käufer verbleiben, sondern angesichts der spezifischen Preiselastizitäten überwiegend bei den Anbietern landen, weil diese dann einfach ihre Preise entsprechend erhöhen können?

Freundliche Grüsse
Hans Rentsch

Frau Zünd (lic.phil.nat.) antwortete freundlicherweise umgehend am Tag danach gleich selbst, und zwar wie folgt:

Sehr geehrter Herr Rentsch

Bei kleinen Anlagen gibt es tatsächlich Mitnahmeeffekte. Demnächst werden wir dazu übrigens eine Evaluation publizieren. Den Mitnahmeeffekten wirkt der Bund aber entgegen, indem die Vergütungssätze regelmässig abgesenkt werden und dadurch auch die Preise sinken sollten. In den letzten Jahren ist das recht gut gelungen. Siehe Seite 27 in diesem Bericht Photovoltaikmarkt: Preisbeobachtungsstudie 2020.

Dass sich die Anlagen lohnen und das aktuelle Förderinstrumentarium funktioniert, zeigt der boomende Markt und die Tatsache, dass Ende 2021 in nur 3 Ländern Europas (Deutschland, Niederlande, Belgien) pro Kopf mehr PV installiert wurde als in der Schweiz.

Freundliche Grüsse
Marianne Zünd

Dies bewog mich zu folgender Reaktion:

Sehr geehrte Frau Zünd

Es geht mir nicht um Mitnahmeeffekte, sondern um die Frage, bei wem Fördermittel für eine PV-Investition letztlich landen – bei den Käufern oder letztlich bei den Anbietern, da diese gerade in einem Nachfrageboom ihre Preise locker erhöhen können.  Was nach Anreiz für Käufer angepriesen wird, wäre dann eine unbeabsichtigte „Förderung“ der Installateure.

Es geht mir nicht um Mitnahmeeffekte, sondern um die Frage, bei wem Fördermittel für eine PV-Investition letztlich landen – bei den Käufern oder letztlich bei den Anbietern, da diese gerade in einem Nachfrageboom ihre Preise locker erhöhen können.  Was nach Anreiz für Käufer angepriesen wird, wäre dann eine unbeabsichtigte „Förderung“ der Installateure.

Freundliche Grüsse
Hans Rentsch

Seitdem herrscht Funkstille.

Billige Kostenargumente gegen die Kernenergie

Zwei Lager, drei Argumente
Die AKW-Gegnerschaft besteht zu einem beträchtlichen Teil aus zwei unterscheidbaren Gruppen. Auf der einen Seite gibt es die vielen oberflächlich Informierten, die sich ihre Meinungen mithilfe von Schlagworten in den Medien oder Parolen „ihrer“ Partei bilden, ohne sich mit dem notwendigen Opfer an knapper Zeit genau über die Fakten und Zusammenhänge zu informieren. Die andere Gruppe besteht aus Leuten, die mit ihrer Opposition gegen die Kernenergie ihr Selbstbild als Progressive im Kampf gegen die Ewiggestrigen pflegen. Die zweite Gruppe bewirtschaftet die diffuse Abneigung der ersten gegen „Atomstrom“ und liefert dieser mit Unterstützung geneigter Medien in ritueller Wiederholung die drei eingängigsten Schlagworte: Erstens: AKW sind gefährlich, siehe Tschernobyl und Fukushima. Zweitens: Das Entsorungsproblem für den „Atommüll“ ist nicht gelöst. Drittens: AKW sind viel zu teuer, kein Investor wird deshalb heute ein AKW bauen.

Mit den drei Argumenten hat sich Martin Schlumpf jüngst in seinen Nebelspalter-Beiträgen eingehend beschäftigt und diese weitestgehend widerlegt, stets mit Daten aus offiziellen Quellen. Schlumpf hat unter Verwendung von Analysen des BFE gezeigt, dass bei Einbezug aller Kosten zur Herstellung einer vergleichbaren Versorgungssicherheit Strom aus erneuerbaren Energien deutlich teurer ist als „Atomstrom“. Ergänzend dazu ist zu begründen, weshalb kein privatwirtschaftlich rechnender Investor bereit ist, in ein neues AKW zu investieren. Von den Gegnern der Kernenergie werden auch die grossen schweizerischen Stromproduzenten als mögliche privatwirtschaftlich operierende Investoren betrachtet, obwohl diese weitgehend in staatlichem Besitz sind.

Die „Energiewende“ macht Versorgungssicherheit zu einem öffentlichen Gut
Aus ökonomischer Sicht ist die ungenügende Wirtschaftlichkeit eines neuen AKW-Projekts leicht zu erklären. Die diversen europäischen Energiewenden und der damit verbundene hoch subventionierte Ausbau von volatiler Wind- und Solarenergie mit Priorität der Einspeisung ins Netz verzerren den Strommarkt zulasten der zuverlässigen Stromproduktion aus Wasserkraft und AKW. Die Strompreise werden primär von den niedrigen Grenzkosten von unregelmässig produzierenden PV- und Windkraftanlagen bestimmt. Eine langfristige Investitionsrechnung ist auf einer solchen Grundlage nicht mehr möglich.

Zudem wird mit dem geplanten massiven Ausbau von Wind- und Solarenergie und deren Bevorzugung im System der Stromversorgung wegen unzuverlässig anfallender Produktion die Versorgungssicherheit immer deutlicher zu einem öffentlichen Gut. Einerseits dient Versorgungssicherheit als Garantie für die jederzeitige Verfügbarkeit von Strom zur gewünschten Zeit allen Nutzern einer Infrastruktur, ohne dass jemand davon ausgeschlossen werden kann. Anderseits gilt auch das zweite Merkmal öffentlicher Güter: Es besteht keine Rivalität der Nutzung. Wenn mein Nachbar von der Versorgungssicherheit einer zuverlässigen Strominfrastruktur profitiert, schmälert dies meinen Nutzen am System nicht.

Die besondere Natur öffentlicher Güter führt zu einer Unterversorgung durch den Markt, weil privatwirtschaftliche Investoren für ihren Beitrag an die Versorgungssicherheit nicht entschädigt werden. Wenn sich der Bau von AKW privatwirtschaftlich nicht rechnet, weil der Beitrag zur Versorgungssicherheit am Markt nicht entschädigt wird, ist es Aufgabe des Staates, Ressourcen zu mobilisieren, um die Versorgungssicherheit ohne Ausschluss einer bestimmten Technologie zu gewährleisten. Wenn nun Verfahren zur Realisierung von Solar- und Windanlagen beschleunigt werden sollen, müsste dies analog für den Bau neuer AKW gelten.

Dieser Beitrag erschien am 23. Februar 2022 im Nebelspalter online.

Auf kurzem Weg in die energie- und klimapolitische Sackgasse

Im Jahr 2008 reichen die Betreiber der schweizerischen Kernkraftwerke (KKW) Rahmenbewilligungsgesuche für den Bau von drei neuen Kernkraftwerken ein. Am 11. März 2011 kommt es in Japan zu einem gewaltigen Erdbeben mit einem verheerenden Tsunami und der Reaktorkatastrophe im KKW Fukushima Dai-ichi. Unmittelbar nach dem Unfall beschliesst das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), die laufenden Verfahren für die Bewilligungsgesuche der neuen KKW zu sistieren. Danach geht alles unschweizerisch schnell, bevor auch nur eine erste Analyse des japanischen KKW-Unfalls vorliegt.

Eine weibliche Viererbande beschliesst den Atomausstieg
Am 25. Mai 2011 fällt der Bundesrat mit der Mehrheit der vier Bundesrätinnen Leuthard, Sommaruga, Calmy Rey und Widmer-Schlumpf einen Richtungsentscheid für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie. In der Wintersession 2011 beauftragt das Parlament den Bundesrat mit der Erarbeitung einer umfassenden Energiestrategie. Diese soll eine vom Ausland möglichst unabhängige Stromversorgung ohne Kernenergie sicherstellen. Am 18. April 2012 stellt der Bundesrat in einer Medienmitteilung fest, dass der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie technisch und wirtschaftlich machbar ist. Das UVEK wird mit der Erarbeitung eines ersten Massnahmenpakets beauftragt.

Am 4. September 2013 verabschiedet der Bundesrat seine Botschaft zum neuen Energiegesetz als Teil des ersten Massnahmenpakets zur „Energiestrategie 2050“. Am 30. September 2016 nehmen National- und Ständerat nach Abschluss der dritten Beratung das neue Energiegesetz in der Schlussabstimmung an. Im Anhang zum Gesetz findet sich das Verbot zum Bau von neuen KKW. Am 31. Januar 2017 meldet die Bundeskanzlei, dass das Referendum gegen das neue Energiegesetz zustande gekommen ist. Am 21. Mai 2017 nimmt das Stimmvolk das neue Energiegesetz mit 58.2 Prozent der Stimmen an. Am 1. Januar 2018 tritt das Gesetz als erstes Massnahmenpaket der „Energiestrategie 2050“ in Kraft.

Am 26. Mai 2021 entscheidet der Bundesrat, die Verhandlungen mit der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen (InstA) zu beenden. Damit ist ein Stromabkommen mit der EU zur Sicherung von Stromimporten vom Tisch. Anfang 2022 spricht Energieministerin Simonetta Sommaruga zum ersten Mal von der Notwendigkeit, Strommangellagen mit neu und rasch zu bauenden Gaskraftwerken zu überbrücken.

Man stelle sich vor, Sommarugas UVEK-Vorgängerin Doris Leuthard hätte vor der Abstimmung über das Energiegesetz die Möglichkeit erwähnt, dass in wenigen Jahren Gaskraftwerke gebaut werden müssten! Die Abstimmung wäre kaum zum Triumph geworden, den Leuthard so sehr angestrebt hatte, um sich Ende 2018 als strahlende Siegerin in den bundesrätlichen Ruhestand verabschieden zu können.

Ohne Plan B gilt das Prinzip Hoffnung
Der Erfolg der „Energiewende“ wurde in den offiziellen Verlautbarungen zum Energiegesetz von vier Bedingungen abhängig gemacht:

  • von einem massiven Ausbau von Solar- und Windstromanlagen sowie von Wasserkraft
  • von Energieeinsparungen durch Effizienzsteigerungen
  • von Stromimporten aufgrund eines Stromabkommens mit der EU
  • von technologischen Quantensprüngen, insbesondere in der Speichertechnologie, um wegfallende Bandenergie aus KKW ohne Einbusse an Versorgungssicherheit durch volatilen Strom aus Solar- und Windanlagen zu substituieren.

Alle vier dieser wackeligen Annahmen müssten für das Gelingen der „Energiewende“ eintreffen. Es sind kumulative Bedingungen, und jede einzelne beruhte von Beginn weg auf dem Prinzip Hoffnung. Der erwartete massive Ausbau der Erneuerbaren erwies sich schon bald als illusorisch. Bei der Wasserkraft kannte man längst die beschränkten Ausbaureserven; zudem hätte der jahrzehntelange Konflikt mit Umweltschutzorganisationen um die Erhöhung der Grimsel-Staumauer Warnung genug sein können. Und selbst mit höherer Effizienz kann von Einsparungen beim Stromverbrauch keine Rede sein, wenn man gleichzeitig auf die möglichst weitgehende Elektrifizierung der Mobilität und der Gebäude setzt.

Bezüglich Stromimporten waren die offiziellen Botschaften widersprüchlich. Einerseits wurde vor dem Referendum über das Energiegesetz behauptet, dank der geplanten Massnahmen könne die Schweiz ihre Abhängigkeit von Stromimporten senken. Anderseits kam bald nach der Abstimmung eine vermutlich bewusst zurückgehaltene BFE-Studie heraus, welche die entscheidende Rolle von Stromimporten und eines Stromabkommens mit der EU unterstrich. Man musste aber nüchtern damit rechnen, dass es ohne institutionelles Rahmenabkommen auch kein Stromabkommen geben würde.

Ohne Stromabkommen verschärft sich die Herausforderung der notorischen Winterstromlücke. Die Abschaltung der KKW wird das Problem potenzieren. Die Speicherkapazität der Pumpspeicheranlagen ist viel zu gering für den saisonalen Ausgleich. Wirtschaftlich umsetzbare technologische Quantensprünge in der Speicherung zur Glättung der unregelmässig anfallenden Stromproduktion aus Sonne und Wind sind bei weitem noch nicht in Sicht. Laufende technische Entwicklungen auf diesem Gebiet entpuppen sich bald einmal als Scheinlösungen, sobald man die notwendigen Grössenordnungen und die Kosten ins Kalkül einbezieht.

Wer eine solche auf Sand gebaute „Energiestrategie“ entwirft, sollte zumindest einen Plan B haben. Aber das hätte den unerwünschten Eindruck erwecken können, man glaube selbst nicht an den Erfolg der „Energiewende“. Wenn jetzt die UVEK-Vorsteherin der Bevölkerung zähneknirschend unpopuläre Gaskraftwerke schmackhaft machen muss, für deren rechtzeitige Inbetriebnahme noch gewaltige Schwierigkeiten zu meistern sind, ist dies das Eingeständnis, dass die „Energiewende“ gescheitert ist. Wenn an den Steckdosen in Wirtschaft und Haushalten „netto null Strom“ droht, rückt „netto null CO2“ in den Hintergrund.