Trudeau entschuldigt sich

In der online- Ausgabe der NZZ vom 19. September wird der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau zur jüngsten Affäre um sein dunkel geschminktes Gesicht mit folgendem Satz zitiert: „Es war etwas, von dem ich damals nicht dachte, dass es rassistisch wäre, aber jetzt erkenne ich, dass es etwas Rassistisches war.“ Genau wie der vor fast 20 Jahren, als das den Medien zugespielte Foto geschossen wurde, noch nicht 30-jährige Privatschullehrer Trudeau dachten auch die meisten anderen Leute damals nicht, dass der Auftritt Trudeaus an einem Kostümball „Arabische Nächte“ der Schule als dunkelhäutiger Aladin rassistisch sei.

Der Vorfall zeigt vor allem zwei Dinge: Erstens, wie sehr sich die militanten Krieger für politische Korrektheit in ihrem gnadenlosen Kampf für eine gerechte Welt von „identity“ und „diversity“ im öffentlichen Diskurs durchgesetzt haben. Und zweitens kriegen wir bestätigt, zu was für Kniefällen beschuldigte Politiker bereit sind, wenn es darum geht, ihre Karriere zu retten. Trudeau, in der internationalen Politik als führender Opportunist bekannt, sagte gemäss NZZ gegenüber den Medien: „Ich hätte das nicht tun sollen. Ich hätte es besser wissen sollen, aber das habe ich nicht. Es tut mir wirklich leid.“

Die rückwirkende Anwendung der neuen linksradikalen Moral auf frühere Ereignisse wird wegen dem hohen Diffamierungspotenzial in Politik und Medien immer beliebter, ist aber ähnlich fragwürdig wie die rechtsstaatlich geächtete Rückwirkung neuer Gesetze.

Einen schärferen Kommentar erlaubt sich der libanesisch-kanadische Evolutionspsychologe und Podcaster Gad Saad auf You Tube: https://www.youtube.com/watch?v=g1StXrRJbD4

In freier Assoziation zum geschilderten Trudeau-Vorfall noch dies: Die nordamerikanischen Hochschulen sind in Sachen Identitätspolitik und „diversity“ bekanntlich an vorderster Front aktiv. Vor allem auch die renommierten privaten wie Stanford oder Harvard. Bei den Anmeldungen zur Aufnahme an Harvard gab es traditionell eine Übervertretung von asiatisch-stämmigen US-Applikanten im Vergleich zur ethnischen Zusammensetzung der amerikanischen Bevölkerung. Also beschloss Harvard, dies zu korrigieren, indem asiatisch-stämmige Amerikaner durch strengere Aufnahmekriterien bzw. Nichtzulassung herausgefiltert wurden. Es ist natürlich absurd, eine (angebliche) Diskriminierung durch Schaffung einer neuen Diskriminierung beseitigen zu wollen. Doch das Diktat höherer Moral ist unerbittlich.

Polarforscherinnen – gibt es das?

Jedes Jahr am ersten Samstag im September gibt es in Zürich die Lange Nacht der Museen. Die Programmierung und die Vermarktung liegen in den Händen der staatlichen und staatsnahen Kulturbürokratie. Da kann man garantiert sicher sein, dass die Informationstexte durchwegs in einer genderkorrekten Sprache daherkommen. Da gibt es Besucher*innen und Kurator*innen und viele weitere Sternchen-Menschengruppen. Hier ein Muster aus der online-Information über das Programm:

Die männlichen Weltraumentdecker müssen durch die weiblichen Polarforscherinnen aufgewogen und neutralisiert werden. Umgekehrt wäre es nach der neuen missionarisch betriebenen Zwangsumformung der deutschen Sprache auch gegangen. Weltraumentdeckerinnen und Polarforscher. Hauptsache immer schön ausgewogen.

Wenn diese Sprachideologen bzw. -ideologinnen (solche sind es ja hauptsächlich) das generische Maskulinum durch die ausgewogene Verwendung der biologischen Geschlechter ersetzen wollen, dann müssten sie logischerweise auch nachforschen, ob es je Polarforscherinnen gegeben hat, bevor sie den Begriff verwenden. Ich vermute, es würde ihnen schwer fallen, auch nur eine Polarforscherin zu finden, die in Eis und Schnee ihre Spuren hinterlassen hat wie all die Männer, die als Polarforscher in die Geschichte eingegangen sind. Wer ein gewisses Geschichtsbewusstsein hat, der zuckt unwillkürlich zusammen, wenn er von Polarforscherinnen oder Weltraumentdeckerinnen hört oder liest.

Aber Logik war noch nie gefragt, wenn es in erster Linie um Ideologie und Macht über die Beherrschung der Sprache ging.

Netto null – das neue grüne Glaubensbekenntnis

Die Gletscher-Initiative ist der grösste Etikettenschwindel der schweizerischen Abstimmungsgeschichte. Den Leuten wird suggeriert, wir Schweizer hätten es in der Hand, das Abschmelzen unserer Alpengletscher zu verhindern. Denn wer liest schon den Initiativtext? Netto null CO2 ist zum neuen grünen Glaubensbekenntnis geworden, dem nun alle Parteien mit Ausnahme der SVP huldigen. Auch der Bundesrat hat nachgezogen. Die Differenzen liegen nur noch beim Zieltermin: 2030 (Klimajugend), 2040 (BDP) oder 2050 (Bundesrat). Der mehr oder weniger rasche Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ist beschlossene Sache.

Professor Thomas Stocker (Universität Bern) zeigte in einem Referat an einer kürzlichen NZZ-Konferenz, was nötig wäre, um das 1.5°C-Ziel zu erreichen, das vom Weltklimarat (IPCC) vorgegeben und von der UNO-Staaatengemeinschaft zumindest deklamatorisch mitgetragen wird. Das noch verbleibende CO2-Budget müsste gemäss IPCC in den nächsten 13 Jahren auf Null gebracht werden, was einer jährlichen Reduktionsrate von 7.5 Prozent entspricht. Unser CO2-Ausstoss, der immer noch ungebrochen weiter wächst, müsste also ab sofort dramatisch gebremst werden!

Doch was geschieht derweil effektiv in der grossen weiten Welt? Die bisherige internationale Klimapolitik hat kaum Wirkung gezeigt. Nach dem BP Statistical Review 2019 ist der Gesamtenergieverbrauch der Welt von 1992 bis 2018 um 69 Prozent angestiegen. Der fossile Anteil blieb längere Zeit bei 87 Prozent konstant. Erst seit 2012 fiel er langsam auf 85 Prozent. Noch immer werden also mehr als vier Fünftel unseres Energiebedarfs durch fossile Quellen gedeckt. Auch der jährliche Mehrverbrauch ist zum überwiegenden Teil fossil.

Und doch gibt es erste Anzeichen einer noch schwachen Wende: Seit 1992 ist der Anteil Öl am Gesamtenergiemix um knapp sieben Prozent gesunken und durch rund vier Prozent Erneuerbare und drei Prozent Gas ersetzt worden. Gleichwohl darf man die Proportionen nicht aus den Augen verlieren. Ungeachtet von fantastischen Ausbauraten von Wind- und Solarenergie in den letzten Jahren machen sämtliche erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) erst vier Prozent des Gesamtverbrauchs aus.

Zudem hat der Zuwachs an CO2-Emissionen zum überwiegenden Teil im Raum Asien/Pazifik stattgefunden, zu mehr als der Hälfte in China. Alle Reduktionen, die Europa realisiert hat, sind durch China und Indien mehrfach wettgemacht worden. Und die Gewichte werden sich weiter verlagern: Indien wird China in absehbarer Zukunft als energiehungrigstes Land überholen, getrieben von weiterem Bevölkerungswachstum und einem noch bescheidenen Pro-Kopf-Energieverbrauch.

All diese energiepolitischen Veränderungen hat die Internationale Energieagentur (IEA) ihrem Outlook 2019 zugrunde gelegt. Im Szenario «New Policies» geht sie zudem davon aus, dass alle Länder bis 2040 ihre Versprechungen, die sie im Pariser Klimaabkommen abgegeben haben, vollständig erfüllen werden. Das Resultat ist ernüchternd: Der Energieverbrauch steigt um weitere 25 Prozent und auch der CO2-Ausstoss verharrt auf einem leichten Aufwärtspfad. Eine unüberbrückbare Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit tut sich hier auf: laut IPCC sollten wir das CO2 jährlich um über 7 Prozent senken, die besten Berechnungen aufgrund optimistischer Annahmen zeigen ein weiteres geringes Wachstum.

„Wenn wir alle zusammen unseren Lebensstil ändern, können wir den Klimawandel stoppen.“ Das sagte die NR-Kandidatin Selina Walgis von den Jungen Grünen im Gespräch mit der NZZ. Diesem Satz werden viele Leute heutzutage sicher zustimmen, weil die Zustimmung nichts kostet, aber ein gutes Gefühl vermittelt. Doch wie möchte die junge grüne Hoffnungsträgerin drei Vierteln der Menschheit unseren geänderten Lebensstil schmackhaft machen? Durch gutes Zureden oder doch eher durch eine autoritäre Weltregierung? Man kann nur hoffen, dass sich auch die Wahlberechtigten solche Fragen stellen, bevor sie den Wahlzettel ausfüllen.

Dieser Text von Martin Schlumpf und Hans Rentsch erschien minim redigiert in der Weltwoche Nr. 36.19

Politisch gesteuerte Forschung

Kurzbericht von der Scientifica an der ETHZ und der Universität Zürich

Sehr aufwendig und gut gestaltete wissenschaftliche Publikumsmesse der beiden Zürcher Hochschulen. Grosser Besucherandrang, viele Familien mit Kindern jeden Alters.

Ich habe eine Podiumsdiskussion über CRISPR in der roten Gentechnologie besucht. Einer aus dem Publikum fragte, ob eine zu strenge ethische Beurteilung in der Schweiz nicht den Fortschritt in der Forschung behindere und man sich so einen Rückstand auf das Ausland einhandle. Ich sagte darauf, diese Frage sei bei CRISPR in der grünen Gentechnologie mindestens so berechtigt. Da habe wegen des GVO-Moratoriums ein Teil der Forschung schon das Weite gesucht. Symbolisch sei die Übernahme von Syngenta durch einen chinesischen Chemiekonzern. Und es sei auffallend, dass die grüne Gentechnologie an dieser Scientifica nicht vorkomme. Die Antwort des Podiums war ausweichend unbrauchbar.

Der Eindruck der politischen oder auch politisch korrekten Lenkung der Forschung an unseren Staatshochschulen wurde dadurch noch verstärkt, dass auch am Stand der Agrarwissenschaften die grüne Gentechnik oder irgend eine Erwähnung von GVO völlig fehlten. Dasselbe in den verteilten Unterlagen. Der einleitende Abschnitt in der Broschüre „Studium der Agrarwissenschaften“ der ETHZ klingt zum Teil wie NGO-Propaganda:

Im Energie-/Klimabereich fehlte erwartungsgemäss jegliche Erwähnung der Kernenergie. Ich besuchte dann noch das Podium mit dem ungefähren Titel „How to capture 300 Gtons of CO2“, wo es um CO2-Bindung in Bäumen und Pflanzen ging (conservation plus restoration). Die 300 Gtons sind gemäss einem professoralen Podianten die genaue IPCC-Berechnung des Restbudgets, das uns noch zur Verfügung steht, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten. Thema war auch die Bindung von CO2 im Boden auf agrarisch genutzten Böden. Da die Podianten einen grossen Bogen um den Beitrag der grünen Gentechnologie machten und einer aus dem Publikum Trump und Bolsonaro als die bösen Buben traktierte, sagte ich, es sei natürlich leicht, im Publikum durch Kritik an der Politik von Trump und Bolsonaro Sympathie zu gewinnen. Aber es gebe auch demokratische Mehrheiten, die eine schlechte Politik machen können. Zum Beispiel das schweizerische Stimmvolk, das mehrheitlich ein Verbot von GVO-Methoden befürwortet. Dabei spiele sicher gerade die GVO-basierte Landwirtschaft für die CO2-Bindung in Agrarböden eine wichtige Rolle (z.B. Vermeidung des Pflügens, höhere Erträge pro ha). Die Reaktion des Podianten begann mit dem Satz, das sei eine riskante Frage. Und der Rest war nur noch ausweichendes Gefasel.

Fazit: Unsere Staatshochschulen sind politisch korrekt ideologisch gesteuert. Das sieht man auch an den Forschungsthemen, die sie meiden.