Zuchtziegenböcke in die Bundesverfassung?

Schon mal von der „Hornkuh-Initiative“ gehört? Kein Witz, sowas gibt es tatsächlich! Ein agrarisches Initiativkomitee unter der Führung der IG Hornkuh möchte in die Bundesverfassung schreiben, dass der Bund dafür sorgt, „dass Halterinnen und Halter von Kühen, Zuchtstieren, Ziegen und Zuchtziegenböcken finanziell unterstützt werden, solange die ausgewachsenen Tiere Hörner tragen.“ Das Initiativkomitee setzt sich ein „für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere“. 151’788 Personen unterzeichneten die Initiative, und 120’859 Unterschriften sind inzwischen von den Gemeinden als gültig bescheinigt worden. Die initiativ- und referendumspolitische Schlagkraft der organisierten Agrarinteressen ist damit erneut eindrücklich bewiesen.

Man mag mit den Motiven der IG Hornkuh sympathisieren, doch könnte die Initiative auch wieder Stoff für die agrarpolitische Satire liefern. Hier sollen aber an diesem Beispiel bloss die institutionellen Mechanismen erhellt werden, die zu einer latenten Übernutzung der direkten Volksrechte und einer Überlastung der politischen Agenda mit sekundären und tertiären Anliegen führen. Gehören horntragende Zuchtziegenböcke wirklich in ein Grundgesetz? Natürlich nicht, da es jedoch kein Gesetzesreferendum gibt und da der direkte Weg über das Parlament (Änderung des Landwirtschaftsgesetzes) keinen Erfolg verspricht, bleibt nur der Umweg über eine Verfassungsinitiative. Die Erfolgsaussichten in einer Volksabstimmung sind unsicher, aber gerade daraus entsteht der von den Initianten beabsichtigte Druck auf Regierung und Parlament, ihrem Anliegen auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe entgegenzukommen.

Man kann nur hoffen, dass die allenfalls auf diesem Weg erkämpften  „wirtschaftlich lohnenden Anreize“ zugunsten von horntragenden Nutztieren gemäss Art. 104BV das Agrarbudget nicht zusätzlich belasten, sondern aus dem inneragrarischen Gezerre um die Mittelverteilung gewonnen werden.

Alpiq: Monopolträume der neuen „Strombarone“

Die enormen Wert- und Ertragseinbussen der Schweizer Stromkonzerne gehen vorwiegend auf das Konto des deutschen Alleingangs namens „Energiewende“. Natürlich hätte man durch eine rechtzeitige weitergehende Privatisierung der grossen Stromunternehmen vermeiden können, dass diese Milliardenverluste nun vor allem den Steuerzahler treffen, entweder durch Sanierungszwänge und/oder ausfallende Dividenden. Doch hält eine Mehrheit der Leute Strom offenbar für eine „natürliche“ Sache des Staates, während die öffentlichen Hände die über Jahrzehnte schön sprudelnden Dividenden gerne dankend entgegennahmen. Zudem boten die Führungsgremien der Stromkonzerne für altgediente Politiker stets gut honorierte Pöstchen ohne Belastung durch irgendwelche unternehmerischen Risiken.

Alpiq will nun unter dem Druck der massiv gesunkenen Strompreise als Verzweiflungsakt die Beteiligungen an Wasserkraftwerken veräussern. Gewisse Kantone und Gemeinde-EWs treten als Interessenten auf, weil sie sich unternehmerisch im Monopol-Schlaraffenland der noch nicht liberalisierten Kleinkunden/Haushalte bewegen können. Da die lokalen Monopol-Gemeindewerke den Haushalten den Strom zu Gestehungskosten verrechnen dürfen, bezahlen Kleinkunden seit dem Absturz der Grosshandelspreise auf dem europäischen Strommarkt absurd überhöhte Strompreise. Darüber ereifern sich die Leute nur deshalb nicht, weil sie sich an stabile Strompreise gewöhnt haben und weil unter Nicht-Ökonomen (was die meisten Leute sind) die Ansicht dominiert, ein gerechter Preis sei ein kostendeckender Preis. Mit Knappheitspreisen freier Märkte können viele nichts anfangen, oder sie halten sie für unfair, wenn sie mehr als kostendeckend sind. Beim Strom haben wir aber schon seit längerem den umgekehrten Fall: Die Preise am freien Markt liegen weit unter den Preisen der regionalen und lokalen staatlichen Monopolanbieter für Kleinkunden, und man rechnet damit, das dies noch längere Zeit so bleiben wird.

Offenbar rechnet man in den Kreisen potenzieller Käufer damit, dass es bis zur Aufhebung des Monopols für Haushalte/Kleinkunden immer noch sehr lange Jahre dauern wird. Bekanntlich hinkt die Schweiz bei der Liberalisierung des Strommarktes der EU weit hinterher. Der erste Liberalisierungsanlauf mit dem Elektrizitätsmarkt-Gesetz scheiterte krachend im Jahr 2002 (!) im Referendum der Linken. Aus Angst vor einem erneuten Schiffbruch vor dem Volk schob man die Öffnung des Strommarktes für Kleinkunden immer wieder hinaus. Ausgerechnet unsere linken staatsgläubigen EU-Freunde sorgen mit ihren Referendumsdrohungen und ihrem Widerstand gegen eine EU-konforme Liberalisierung des Strommarktes für die Verzögerung. Eines ihrer Argumente: Die Schweiz sei ja nicht EU-Mitglied, also könne sie auch bei der Ordnung des Strommarktes ihren eigenen Weg gehen. Für Leute mit einer Neigung zu einem EU-Beitritt der Schweiz wahrlich eine tolle Begründung! Man möchte zwar beitreten, aber natürlich mit allen möglichen Ausnahmen und „flankierenden Massnahmen“. „Une Suisse nous suffit“, sagte der französische Präsident Mitterand bei den Verhandlungen über den EU-Beitritt Österreichs, als die Österreicher Sonderregelungen für die Landwirtschaft und den alpenquerenden Schwerverkehr wollten, was natürlich abgelehnt wurde.

Durch den Transfer der Alpiq-Beteiligungen in wieder rein staatliche Hände von Kantonen und Gemeinden könnte es für die Strommarkt-Öffnung noch schwieriger werden, weil die neuen Eigentümer auf die hohen Monopolpreise angewiesen sind, damit die Rechnung aufgeht. Damit würde das Risiko steigen, dass mitten in einem freien europäischen Strommarkt mit einer funktionierenden Strombörse eine Insel der glückseligen Anhänger einer staatlichen Stromversorgungswirtschaft bestehen bleibt, quasi als zu bestaunendes Relikt aus der guten alten Zeit.

SP-Wermuths Wohltaten: Gratis-ÖV

Nach dem üblichen Muster linker Politik fordert der Wortführer der SP Aargau, „Polit-Star“ Cédric Wermuth, im Kanton Aargau den Gratis-ÖV, finanziert durch Steuergelder „von den Reichen“, von Unternehmen und aus der Strassenkasse (Bericht im „Blick am Abend“ vom 7. März 2016). Dies ist nur eine der zündenden Ideen aus dem langen Forderungs-Katalog der SP, mit dem man hofft, bei den bevorstehenden Wahlen zu punkten. Mit dem Geld der Anderen Umwelt- und Umverteilungspolitik zu machen, gehört seit eh und je zur Strategie linker Parteien. Deren Kader und Anhänger führen sich als eine Art Intermediäre der Umverteilung auf  –  zwischen denen oben und den unteren Schichten oder zwischen Strassenbenützern und ÖV-Kunden. Nicht selten gehören sie selbst zu den Profiteuren solcher Umverteilung, zum Beispiel als überzeugte hochsubventionierte ÖV-Nutzer (mittlerer Kostendeckungsgrad durch Billet-Preise unter 50 Prozent). Oder in der Wohnbaupolitik rot-grün regierter Städte mit deren Subventionspolitik für „bezahlbaren Wohnraum“, etwa zugunsten von genossenschaftlichen Wohnprojekten. „Sich von den Anderen die Wohnung subventionieren lassen, ist nicht sozial“, hiess es dazu kurz und bündig in der NZZ.

Ganz abgesehen von diesen seltsamen Auffassungen von sozialer Gerechtigkeit wäre ein Verzicht auf Preise für die Nutzung des ÖV im Lichte des bereits kläglichen Kostendeckungsgrades ein Schritt in die genau falsche Richtung. Kostenwahrheit im Verkehr muss auch für den ÖV gelten. Und mit 0-Preisen auch noch zu suggerieren, der ÖV sei ökologisch in jedem Falle die bessere Lösung als der motorisierte Individualverkehr, verdrängt schlicht und einfach die dynamischen Wirkung eines Gratis-Angebots im ÖV. Mobilität soll nicht noch mehr angeheizt werden, sondern im Verkehrssystem (inklusive Strassen) müsste möglichst strikt das Verursacherprinzip durchgesetzt werden, indem sich die relativen Knappheiten der Nutzung der Verkehrsträger in den Preisen spiegeln. Mit der milliardenschweren Subventionierung von Mobilität haben wir in den letzten Jahrzehnten die Zersiedelung des Landes bereits so weit vorangetrieben, dass eine föderalistisch geschwächte Raumplanung nur noch versuchen kann, die schlimmsten Auswüchse zu verhindern. Das Gebot der Stunde ist nicht der Gratis-ÖV, sondern ganz im Gegenteil die Annäherung an Verursacherprinzip und Kostenwahrheit.