Verstecktes in der linken Agenda der „roten Linien“

In der aufgeregten schweizerischen Debatte um das Rahmenabkommen mit der EU kommt das lauteste Getöse von den Parteien und Organisationen des rechten und des linken Pols. Dabei ist die Haltung der SVP vollkommen konsistent mit ihrer bekannten und seit ewig geltenden Ablehnung einer stärkeren Annäherung an die EU. Dieser klaren Positionierung im Zuge der EWR-Abstimmung von 1992 verdankt die Partei ja auch ihren sagenhaften Aufstieg zur klar wählerstärksten Partei.

Weniger konsequent sieht es auf der linken Seite des politischen Spektrums aus. Die SP führt den EU-Beitritt immer noch in ihrem Parteiprogramm. Nun haben aber die SP und die Gewerkschaften eine Aufweichung von „Lohnschutz“ und „8-Tage-Regel“ zu roten Linien erklärt. Sie lehnen das Rahmenabkommen mit der EU ab, wenn an diesem „Lohnschutz“ nur im geringsten gerüttelt werden sollte. Man könnte dies als deutlichen Hinweis verstehen, dass es sich beim angestrebten EU-Beitritt im Parteiprogramam der SP nur noch um ein leeres Lippenbekenntnis handelt, um gegen die „Abschotter von rechts“ Offenheit zu markieren.

Es gibt aber in der Agenda der Linken auch noch versteckte Motive gegen das Rahmenabkommen. Bekanntlich stehen seit Jahren linke Referendumsdrohnungen gegen eine vollständige Öffnung des Strommarkts im Raum. Das ist auch der Grund, weshalb die Marktöffnung für Haushalte und KMU immer wieder verschoben wurde. Der Bundesrat hatte den Mut nicht, ein Referendum zu riskieren. Die Marktöffnung ist auch bei vielen kommunalen und regionalen Monopol-Versorgern nicht populär, weil der Wettbewerb dort natürlich zu einer strukturellen Bereinigung inklusive Personalabbau führen würde. Die bequeme Verrechnung der gelieferten Leistungen zu „Kosten plus“ würde wegfallen und damit auch die Mittel für fragwürdige Marketingkampagnen für „höhere“ Ziele nach dem Gusto von links-grün. Diese Gemeindewerke sind in den grossen Städten weitgehend in linker Hand und wirken als verlängerter Arm der kommunalen rot-grünen Politik. Zum Beispiel ist das ewz der Stadt Zürich als städtische Dienstabteilung organisiert.

Diese für sie paradiesischen Verhältnisse will die Linke natürlich möglichst nicht aus der Hand geben. Mit einem Rahmenabkommen mit der EU müsste die Schweiz mit grösster Wahrscheinlichkeit auch den Strommarkt vollständig liberalisieren. Die Marktöffnung ist aber auch Voraussetzung für ein Stromabkommen mit der EU. Und erst ein solches Stromabkommen sichert die Integration der Schweiz in den europäischen Strommarkt. Scheitert diese, weil das Rahmenabkommen scheitert, steht die Zukunft der stromimportabhängigen „Energiewende“ noch um Lichtjahre weiter in den Sternen als jetzt schon. Denn die „Energiewende“ kann aufgrund einer Studie der ETH und der Universität Basel zur künftigen Versorgungssicherheit sogar mit optimistischen Annahmen nur gelingen, wenn die Schweiz in den europäischen Strommarkt integriert ist. Die Linke gefährdet somit mit ihren stur verteidigten roten Linien und den versteckten Motiven gegen ein Rahmenabkommen ihre eigenes Grossprojekt „Energiewende“. Mehr Inkonsistenz ist wohl kaum mehr möglich.

 

Was wollen die Chinesen hinter dem Mond?

Die sensationellen Bilder vom chinesischen Roboter auf der Rückseite des Mondes haben im Westen einen mittleren Schock ausgelöst. Ob er für die wohlfahrtsstaatlichen Demokratien heilsam sein wird, ist aus politisch-institutionellen Gründen zu bezweifeln.

Was China seit der von Deng vor 40 Jahren angestossenen Systemreform praktiziert, hat Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman (bevor er vom Ökonomen zum Journalisten mutierte) in einem Aufsatz über den wirtschaftlichen Aufstieg der ostasiatischen „Tigerstaaten“ in einer einfachen Formel ausgedrückt: „deferred gratification“, auf Deutsch „aufgeschobene Belohnung“. Auch China betreibt ganz ausgeprägt „deferred gratification“. Die chinesische Bevölkerung verzichtet, ob freiwillig oder erzwungen, auf einen Teil der erarbeiteten Früchte, sodass die Volkswirtschaft dauernd hohe Sparüberschüsse produziert. Diese ermöglichen es dem Reich der Mitte und seinen Unternehmen, gleichzeitig im Inland in atemberaubendem Tempo die Infrastruktur auszubauen, im Ausland Investitionen zu tätigen, massiv aufzurüsten und in der Raumfahrt die finanziell klammen Grossmächte USA und Russland in absehbarer Zeit zu überholen.

Natürlich wachsen auch in China die Bäume nicht in den Himmel. In einer staatlich gelenkten Volkswirtschaft kommt es zwingend zu Verzerrungen, Fehlanreizen, Verschwendungen und entsprechenden Verlusten. Diese Relativierung chinesischer Erfolge ändert allerdings nichts an der Feststellung, dass unsere wohlfahrtsstaatlichen Demokratien unter Fehlanreizen für Politiker leiden. Für diese lohnt es sich, der Bevölkerung immer mehr soziale Wohltaten zu versprechen, was in vielen Ländern in eine permanente Schuldenwirtschaft mündete. In den wenigen Staaten, wo noch Überschüsse anfallen, werden diese vornehmlich wieder zum Ausbau des Sozialstaats verwendet, siehe Deutschland. Mit einem Wahlprogramm unter dem Motto „deferred gratification“ wäre in westlichen Demokratien kein Blumentopf zu gewinnen.