Lohngleichheit: Tabuisierte Output-Perspektive

Ich erlaube mir einleitend zu diesem Thema ein Zitat aus meinem eigenen Buch „Wie viel Markt verträgt die Schweiz?“ (Seite 102):

„Die Gleichstellungsbürokratie beim Bund sowie in den Kantonen und Gemeinden ist Partei und verbreitet interessengefärbte Informationen zur Beeinflussung der Öffentlichkeit. So ist es kein Wunder, dass dort die wissenschaftlich fundierte Kritik an den fragwürdigen statistischen Auswertungen und Interpretationen von Lohndaten, welche Lohndiskriminierungen beweisen sollen, nicht zur Kenntnis genommen wird. Das Grundproblem besteht darin, dass die Gleichstellungsaktivistinnen an eine objektive Arbeitsplatzbewertung glauben, die sich in gerechten Marktlöhnen ohne Geschlechterdiskriminierung spiegeln müsste. Es gibt in der Gleichstellungsindustrie genügend gut honorierte Experten, die diese Sichtweise mit passenden Gutachten bestätigen. Typisch ist an diesem Ansatz der einseitige Fokus auf Inputkriterien, insbesondere auf die Ausbildung, die im Profil einer Arbeitsstelle verlangt werden. Genau deswegen kritisierte Thomas Meier, Spezialist für Arbeitsplatzbewertung, im Januar 2015 in einem Beitrag der NZZ das Arbeitsplatzbewertungstool Logib des Bundes. Dieses sei ungeeignet, Output bzw. Leistung zu messen und sei deshalb in Bezug auf unterschiedliche Leistungen an gleichen Arbeitsstellen selbst diskriminierend. Dass Märkte nach Leistung differenzieren, und dies schlimmstenfalls auch nach Geschlecht, gehört aber nicht in das Bild einer gerechten Wirtschaft, das die Gleichstellungsbüros und ihre zugewandten Branchen vertreten.“

Das Problem der fehlenden Output-Sicht ist insbesondere auch für die Diskussion um Frauenquoten auf der obersten Leitungsebene relevant. Wer die Untervertretung von Frauen einfach als Diskriminierung bezeichnet, macht sich die Sache zu einfach. Dazu nachstehend schematisch vereinfacht dargestellte Empirie aus langjährigen Beobachtungen in den USA. Der Intelligenz-Quotient IQ ist sowohl bei Frauen als auch bei Männern normalverteilt (Glockenkurve). Das Spektrum ist aber bei Männern breiter. Das sieht dann so aus (für schärferes Bild die Grafik anklicken):

(Quelle: Grafik aus einem YouTube-Referat von Psychologie-Professor Jonathan Haidt)

Im Mittel erreichen Frauen und Männer den gleichen IQ-Wert. Aber an den Polen gibt es mehr Männer als Frauen, am Pol links mehr Männer als Frauen mit sehr tiefem IQ. Dasselbe gilt aber auch am anderen Ende: Es gibt mehr Männer als Frauen mit besonders hohem IQ. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Verhältnis der Anzahl Männer zu Frauen bei Nobelpreisen oder Schach-Grossmeistern, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei obersten Führungspositionen. Nur wagt sich kaum jemand, das deutlich auszusprechen. Der Vorwurf des „Gender-Rassismus“ lauert gleich um die Ecke. Doch die Tabuisierung von empirisch gestützen Erkenntnissen behindert den freien Meinungsaustausch, auf den wir in westlichen Demokratien so stolz sind.

„Post-truth“ in der Musterdemokratie

Unlängst hat sich der frühere CIA-Direktor Hayden in der «New York Times» über das Phänomen «post-truth» aus Trump’scher Quelle geäussert: «In a ‚post-truth‘ world, facts are less influential than emotion and belief.» Dafür nennt er mehrere Beispiele von glaubwürdig widerlegten Behauptungen des amerikanischen Präsidenten. Problematischer sind in der Politik allerdings verdeckte Formen von «post-truth». Auch in der Musterdemokratie Schweiz kommt es zur Irreführung der öffentlichen Meinung durch falsche Information von höchsten staatlichen Stellen, vor allem wenn es in Volksabstimmungen um Prestigeprojekte von Regierungsmitgliedern geht. Ein Beispiel der jüngsten Zeit ist das Energiegesetz von Bundesrätin Doris Leuthard zum Auftakt ihrer «Energiewende».

In den Erläuterungen des Bundesrats zur Abstimmung wird gesagt, mit dem Gesetz «können die Abhängigkeit vom Ausland reduziert und das Klima geschont werden». Der Bundesrat warnt, ein Nein zur Vorlage würde «zu mehr Stromimporten aus der EU und damit zu einer erhöhten Abhängigkeit vom Ausland führen». Solche Propaganda trifft im Publikum auf viel Sympathie, ist doch aus Umfragen wie der «Energie-Enquête 2016» bekannt, dass Stromimporte die unpopulärste Variante sind, in Zukunft die Versorgungssicherheit zu gewährleisten – sogar unpopulärer als die von den Meinungsmachern des Mainstreams verteufelte Kernenergie. Wie verhält es sich nun mit der Auslandsabhängigkeit und den Stromimporten aus der EU?

Was Gegner des Energiegesetzes schon vor der Abstimmung gesagt hatten, wurde in einer vom Bundesamt für Energie in Auftrag gegebenen Studie der ETH Zürich und der Universität Basel zur Versorgungssicherheit im Oktober 2017 schwarz auf weiss bestätigt, wenn auch wie in Watte verpackt: «Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass auch in Zukunft die Versorgungssicherheit der Schweiz meistens als nicht kritisch zu betrachten ist, solange die Schweiz im europäischen Strommarkt integriert bleibt.» Schon das Wörtchen «meistens» ist bei der Stromversorgung in einer modernen Volkswirtschaft nicht sonderlich beruhigend.

Noch mehr gibt die Bedingung der Integration in den europäischen Strommarkt zu denken, dies aus folgenden Gründen: Erstens ist damit das bundesrätliche Propagandaargument der reduzierten Auslandsabhängigkeit bereits stark relativiert. Es wird in der Studie klar gemacht, dass die Energiewende, die mit dem Energiegesetz eingeleitet werden sollte, auf eine Strominportstrategie hinausläuft. Zweitens ist mit der EU noch kein Stromabkommen ausgehandelt, weil zwei noch zu überspringende Hürden für die schweizerische direkte Demokratie sehr hoch sind: Einerseits muss der schweizerische Strommarkt vollständig liberalisiert werden, was referendumsgefährdet ist. Anderseits ist mit grosser Wahrscheinlichkeit ein institutionelles Rahmenabkommen zu schlucken, weil die EU ein solches als Vorbedingung für ein Stromabkommen sieht. Auch hier bestehen grosse Referendumsrisiken. Drittens ist selbst mit einem Stromabkommen mit der EU noch nicht gewährleistet, dass nach Abschaltung aller KKW in Deutschland und der teilweisen Stilllegung in Frankreich noch genügend Strom aus dem EU-Stromnetz verfügbar sein wird, um jederzeit die benötigten Importmengen beziehen zu können.

All dies war schon vor der Abstimmung über das Energiegesetz im Mai 2017 bekannt. Den Leuten hat man von offizieller Seite mithilfe unkritischer Medien das Gegenteil suggeriert und Vieles unterschlagen, was für eine fundierte Meinungsbildung relevant gewesen wäre. Weshalb wurde die oben genannte Studie, die Stromimporte als zentral für die künftige Versorgungssicherheit ausweist, erst fünf Monate nach der Abstimmung veröffentlicht? Auch die unbequeme Wahrheit, dass – unter selbst verursachtem Handlungszwang – unpopuläre Gaskraftwerke trotz Gefährdung der CO2-Reduktionsziele wohl die naheliegendste Ersatzlösung für unsichere Stromimporte sind, hat man dem Publikum bisher vorenthalten. Wir sind in der Schweiz schon längst im «Post-truth»-Zeitalter angekommen. Nur macht sich unsere verdeckte Form von «fake news» à la Energiegesetz-Propaganda den Heiligenschein der deliberativen Musterdemokratie mit ihrem «mündigen Stimmvolk» zunutze.

(Dieser Beitrag erschien in leicht redigierter Form in der NZZ vom 1. Juni 2018)

Unternehmenssteuerreform: „Das kann man dem Stimmvolk nicht erklären.“

Die Vorlage einer Unternehmenssteuerreform (USTR III) wurde letztes Jahr vom Volk verworfen. 74 Prozent der in der VOTO-Nachbefragung befragten Stimmenden gaben an, die Vorlage sei schwierig zu verstehen gewesen. Man kann das ruhig so interpretieren, dass die überwiegende Mehrheit der Stimmenden die Steuerreform in ihren Einzelheiten nicht verstanden hatte, trotzdem stimmte, und zwar meist mit Nein. Entlarvend für das elitäre Urteil über die mangelnde politische Kompetenz des Stimmvolks behauptete das Referendumskomitee in seiner Abstimmungspropaganda sogar, 99 Prozent der Leute würden die Vorlage mit all den technischen Begriffen nicht verstehen. So war es nur folgerichtig, dass man den Leuten bei ihrer Meinungsbildung mit Schlagworten wie „Steuertricks“, „Milliardenausfälle“, „Steuerreform für die Konzerne“ und „Steuerbschiss“ nachhalf und damit auch Erfolg hatte (siehe auch Blogbeitrag unten).

Jetzt werkelt man in den Eidgenössischen Räten an einer neuen Vorlage herum, diesmal als Paket in „kreativer“ Kombination mit einer zusätzlichen AHV-Finanzierung. Heute vernahm man am Radio, verschiedene Kantone hätten gegen eine „Lex Zürich“ Einwände erhoben. Im jüngsten Entwurf soll nur der Kanton Zürich die sogenannte zinsbereinigte Gewinnsteuer einführen dürfen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, zu was für waghalsigen Konstruktionen uns die stets drohendenen Referendumsrisiken und die föderalistischen Interessenverflechtungen nötigen, dann liegt er hier vor.

Im Radiobericht wurde der Ausdruck „zinsbereinigte Gewinnsteuer“ nicht ein einziges Mal verwendet, obwohl es genau darum ging. Schon in der USTR III-Vorlage hatte man vorsichtshalber den steuerlich wirksamen Zinsabzug auf überschüssiges Eigenkapital aus der Vorlage gestrichen. Dies geschah mit der umwerfend überzeugenden Begründung, die man aus verschiedenen Quellen hören oder lesen konnte: Die zinsbereinigte Gewinnsteuer ist dem Stimmvolk nicht zu erklären.

Da fragt man sich natürlich, was alles dem Stimmvolk bei anderen komplexen Vorlagen auch nicht erklärt werden kann!