Fliegen wie früher?

Spekulationen über Corona-Effekte für Flugreisen

In einer der Sonntagszeitungen spekulierte ein Journalist über die wahrscheinlichen Folgen der COVID19-Krise auf die Fliegerei. So einfach wie halt in den Medien immer wieder mal über ökonomische Phänomene geschrieben wird, meinte der Autor des Beitrags, wenn die Flugzeuge künftig viel weniger dicht mit Sitzreihen belegt werden könnten, dann hätten vielleicht nur noch halb so viele Personen Platz. Das würde heissen, dass sich die Flugtarife wohl ungefähr verdoppeln müssten. Weitere Überlegungen über die möglichen Anpassungsprozesse aller Art fehlten.

Die erste logische Frage, die sich sofort stellt, betrifft die Reaktion der Nachfrage auf den Versuch von Fluggesellschaften, ihre Preise massiv zu verteuern. Der Effekt auf die Nachfrage nach Geschäftsflügen wäre wohl dank tieferer Preiselastizität weniger ausgeprägt als bei Ferienreisenden. Selbstverständlich könnten sich bei verdoppelten Preisen viele Leute Ferienreisen mit Flug nicht mehr leisten. Denkbar wären dann Preissenkungen bei nicht mehr ausgelasteten Hotels, die auf Flugreisende angewiesen sind, um Kombiangebote genügend attraktiv zu halten. Auch die Flughafengebühren dürften bei weniger Verkehr sinken.

Die zweite Frage stellt sich auf der Angebotsseite: Sind doppelte bzw. massiv höhere Preise durchsetzbar? Angesichts der bereits bestehenden und absehbar stark wachsenden Überkapazitäten im internationalen Flugreisegeschäft bezweifle ich stark, dass unter den Anbietern eine Art konkludentes Verhalten über die Preisgestaltung erzielt werden kann. Gerade haben wir als Muster einen gescheiterten Versuch der Ölpreisstützung erlebt. Viel wahrscheinlicher ist ein ruinöser Wettbewerb mit zunehmender Beanspruchung von Staatsgeldern für die „nationalen Fluggesellschaften“. Wie sehr die weltweiten Strukturen der Branche politisiert sind, zeigt das endlose Theater um die Rettung der maroden Alitalia. Trotz Subventionsverbot in der EU wurde die Alitalia seit Jahren mit inzwischen rund 10 Mrd. Euro Staatshilfe über Wasser gehalten. Und zu guter letzt wird Alitalia nun vom Staat übernommen, um die Arbeitsplätze zu retten und eine nationale Fluglinie um jeden Preis auf Kosten eines bereits massiv überschuldeten Staates zu erhalten.

Fliegen wie früher – zu höheren Preisen und mit viel mehr Platz – bedeutete allerdings eine massive Aufwertung der Reisequalität. In einem heutigen 11-stündigen Swiss-Langstreckenflug, zum Beispiel nach oder von Tokio, sollte man, in der Economy-Klasse eingeklemmt, sehr gut aufpassen, dass einem nichts zu Boden fällt. Es ist in den engen Sitzreihen beinahe unmöglich, das Ding wieder aufzuheben.

Ob dieser klaustrophobisch gewordenen Fliegerei erinnert sich der ältere Flugreisende an frühere paradiesische Zustände. In den 1970er-Jahren untersuchte ich als Mitarbeiter von Swissair die Streckenwirtschaftlichkeit von Europaflügen. Die damaligen Tarife (eine Mischung zwischen IATA-Kartell-Tarifen und Absegnung durch das geradezu Swissair-hörige Eidg. Luftamt) waren so hoch, dass eine DC9 mit 110 Sitzen für einen Flug nach Salzburg nur zu einem Viertel ausgelastet sein musste, um die variablen Kosten zu decken. Auf meinen regelmässigen Geschäftsflügen nach Salzburg zu Beginn der 1980er-Jahre war der Flieger bei weitem nie voll, und man konnte sich seinen Sitzplatz praktisch jedes Mal aussuchen. Aber dieser Kurzstreckenflug kostete ab Zürich rund 700 Franken – damalige Franken, versteht sich.

Die Massen-Billigfliegerei hat inzwischen die Erwartungen des Publikums so konditioniert, dass eine Rückkehr zu früheren Flugtarifen als unsozial und inakzeptabel verurteilt würde. Dabei könnte man dann auf eine CO2-Besteuerung verzichten. Allerdings ist eine Verteuerung von Flugreisen mit dem Argument des Klimaschutzes im breiten Publikum wohl am ehesten durchsetzbar.

„Distorted perceptions of risk“

Lieber Bundesrat: Die Leute werden nach Aufhebung des Shutdowns keine Gastbetriebe stürmen, um nachzuholen, was sie verpasst haben!

Wuhan, 14. April 2020: Vergebliches Warten auf Gäste (Bildquelle: Bloomberg Businessweek)

Im liberal-libertären Ökonomen-Blog EconLog schrieb der regelmässige Blogger Scott Sumner unter dem Titel „Distorted perceptions of risk“ über die verzerrte Risikowahrnehmung im Verlauf der COVID19-Epidemie. Er zitiert zunächst ohne Quellenangabe eine verhaltensökonomische Studie, die gezeigt haben soll, dass die meisten Menschen ungefähr gleich auf Risikofaktoren von 10%, 1% und 0,1% Eintretenswahrscheinlichkeit reagieren.

Dann meint Sumner, wir als Individuen hätten zunächst auf die Epidemie zu wenig reagiert (die Politik bekanntlich auch). In einer zweiten Phase dagegen sei es dann zu einer Überreaktion der Leute gekommen, in erster Linie aus Eigeninteresse (sicher beeinflusst durch Berichte aus Politik und Medien). Aus sozialer Perspektive sei diese Überreaktion positiv zu werten, weil unvorsichtiges Verhalten mit negativen Externalitäten verbunden sei.

Sumner wirft dann die Frage auf, wie viel staatliche Verbote und politische Einschränkung der individuellen Freiheiten wirklich notwendig seien, wenn sich doch die Menschen aus Eigeninteresse selbst schützen wollen und „social distancing“ betreiben, ohne dass ihnen der Staat dies unter Androhung von Strafe befiehlt. Weil uns ja Wuhan in Sachen Corona-Virus immer einen Schritt voraus ist, lohnt sich ein Blick auf die dortigen Umstände im Zuge der schrittweisen Rückkehr zu einer neuen Normalität. Dazu zitiert Sumner den fetten Titel eines Berichts auf Bloomberg Businessweek: Wuhan’s 11 Million People Are Free to Dine Out. But They Aren’t.

Falsche und echte Profiteure der Corona-Krise

Die Bauern
Schon kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie in der Schweiz las man in der SVP-nahen Zeitschrift „Die Weltwoche“, wenn die Grenzen geschlossen würden und jedes Land nur noch für sich selber schaue, sollten wir froh sein um unsere Bauern, die unsere Ernährung sicherstellen. Was intuitiv einleuchten mag, ist trotzdem falsch. Von Februar bis April wächst hier nicht viel auf den Feldern. Und die Lager aus den Ernten des Vorjahres dürften kaum länger ausreichen. Das ist aber gar nicht der wesentliche Punkt. In den Läden des Detailhandels kann jedermann leicht die Herkunft all der frischen Nahrungsmittel (Gemüse, Früchte) überprüfen. Vieles kommt wie seit eh und je aus dem südeuropäischen Ausland oder aus Übersee. Die Schiffs-, Bahn-, Lastwagen- und Lufttransporte funktionieren offenbar immer noch genügend. Das Hauptproblem ist in südeuropäischen Ländern nun zunehmend das Fehlen der Hunderttausende von ausländischen billigen Erntehelfern, die sich, etwa in Italien, zum Teil schwarz im Land aufhalten und arbeiten, jetzt aber „immobilisiert“ sind.

Solche ausländischen Probleme ändern aber rein gar nichts an der schweizerischen Grundsituation. Da die Schweiz, in Kalorien ausgedrückt, rund 45 Prozent der Nahrungsmittel einführen muss, weil die beschränkte landwirtschaftliche Nutzfläche der Schweiz für eine wachsende Bevölkerung trotz intensivster Bewirtschaftung gar nicht mehr hergibt, ist jeder Gedanke an mehr agrarische Autonomie ein Hirngespinst. Entscheidend für die sichere Versorgung der schweizerischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln im Krisenfall sind eine nach Herkunft diversifizierte Beschaffung sowie eine hohe Zahlungsfähigkeit, die nur eine erfolgreiche Integration in die internationalen Waren- und Dienstleistungsmärkte garantieren kann. Aus dieser Risikoperspektive müssen auch Projekte von Freihandelsabkommen mit typischen Agrarexportländern (Mercosur, USA) beurteilt werden.

Die SRG
Der Bundesrat hatte vor dem Referendum vom Juni 2015 über das umstrittene Radio- und Fernsehgesetz RTVG aus Sorge vor einer Niederlage für die SRG einen Plafond von 1,2 Mrd. Franken pro Jahr aus der auf Firmen ausgedehnten Empfangsgebühr (Haushalts- bzw. Unternehmensabgabe) festgelegt. Unter dem Eindruck des Zittersieges mit dem Zufallsergebnis mit 50,08% JA-Stimmen beschloss der Bundesrat 2017, dass überschüssiges Geld zu einer Senkung der Empfangsgebühren führen müsse.

Doch schon Anfang dieses Jahres, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, forderten Vertreter von Mitte-Links-Parteien wieder mehr Geld für die SRG, weil die Werbeeinnahmen rückläufig seien. Die SRG sei sehr wichtig für die Medienvielfalt und den Service Public. Weil mit der Haushalts- und Unternehmensabgabe mehr Geld als erwartet eingenommen werde, könne man den Plafond gut anheben. Nun hat der Bundesrat in einer Aktion der Neuverteilung von „überschüssigen“ Mitteln aus den Abgaben der Haushalte und der Unternehmen kurzerhand beschlossen, der SRG 50 Millionen zusätzlich zukommen zu lassen. Er benützt offenbar eine Corona-getriebene SRG-Sympathiewelle in der Bevölkerung, um frühere Versprechen einfach zu brechen.

Der Bundesrat und unsere SRG-freundlichen Volksvertreter müssten einmal die VOTO-Analyse zur No-Billag-Initiative lesen. Rund die Hälfte der Initiativ-Gegner (!) gab an, dass die SRG zu gross und zu teuer geworden sei und künftig ihr Angebot reduzieren solle. Doch ungeachtet dessen wird die Übermacht der SRG mit allen Mitteln verteidigt. Anderseits kann man sich dann mit staatlicher Förderung der privaten Medien in Szene setzen, die bekanntlich auch durch den Moloch SRG in Bedrängnis geraten ist.

Jetzt, da der Staat und die Politik unser Leben bestimmen, gebärden sich die SRF-Kanäle praktisch ausschliesslich als Sprachrohr der politischen Behörden. Die Bezeichnung „Staatsmedien“ war kaum je so berechtigt.

Die Forschung
In der wissenschaftlichen Forschung kann man dagegen auf einen positiven Effekt aus den Erfahrungen mit der Corona-Krise hoffen – auf die Entzauberung der „peer-review“-Forschung. Zwei Schwachstellen werden zu Recht immer wieder angeprangert. Wir haben erstens ein Insider-Outsider-Problem. „Peer-review“-Insider versuchen, kritische Forschung, die keinen Peer Review-Prozess durchlaufen hat, zu marginalisieren. Ausgeprägt ist dies in der Klimaforschung der Fall, wo die IPCC-nahen Forscher eine Art Kartell der „peer-review“-Community gegen kritische Kollegen bilden. Zweitens bietet der „peer review“-Prozess Gutachtern auch die Möglichkeit, Konkurrenten mit einem abwertenden Gutachten zu schaden.

Der hektische multidisziplinäre Forschungsaktivismus zur Bewältigung der Pandemie erlaubt unter dem grossen Druck, möglichst rasch Ergebnisse zu liefern, kein Vorgehen nach den etablierten Standards. Statt auf dem Umweg über „peer reviews“ wurden und werden Forschungsarbeiten in einem „open access“-Verfahren einfach ins Netz gestellt und so einer breit aufgestellten Kritik auch von (angeblichen) Nicht-Experten ausgesetzt. Und siehe da – es funktioniert! Man kann nur hoffen, dass diese positive Corona-Erfahrung in der wissenschaftlichen Forschung das „peer review“-Dogma generell aufweichen wird.

Von einem anderen Virus infiziert

Demonstratives Degendering an amerikanischen Hochschulen

In einem Coursera-Kurs über Spieltheorie der Stanford University und der University of British Columbia werden zu Beginn verschiedene Grundarten von strategischen Spielen erklärt.

Dort bin ich auf folgende Textpassage zum Spiel „Battle of the Sexes“ gestossen (Payoff-Matrix unten links mit den roten Kreisen):

Imagine a a couple and they want to go to a movie and they are considering two movies. One of them, a a very violent movie Battle of the Titans, and the other, a very relaxed movie about flower growing, call this B and F. The wife, of course, would prefer to go to Battle of the Titans, and the the husband would prefer to watch flower growing…..

Man beachte in dieser erzwungenen Umkehrung der Gender-Stereotypen das Detail „of course“. Die Frau will natürlich den gewaltgeladenen Film sehen, während der Gatte den Film über das Blumenzüchten vorzieht. Die Umkehrung allein genügt nicht, man stellt sie auch noch als das Normale oder Natürliche dar. Und genau mit einer solchen gesteigerten Umkehrung wirkt das ganze „virtue signalling“ einfach nur noch lächerlich. Der Opportunismus in Sachen „political correctness“ kennt gerade an amerikanischen Hochschulen kaum noch Grenzen. Man kann nur hoffen, dass sich dieser eindeutig nicht-chinesische, sondern nordamerikanische Virus nicht weiter über die ganze westliche Welt ausbreitet. Denn gegen diese infektiöse Krankheit gibt es keinen Impfstoff.

Mit den Waffen der Statistik?

Zu den Versuchen, eine optimale Anti-COVID19-Politik zu „berechnen“

Die Politik erwartet von den Experten, vor allem aus den Fachkreisen von Emidemiologie und Ökonomie, datengestützte Schätzungen über das optimale Vorgehen gegen die Pandemie. Es geht um das Abwägen zwischen den schädlichen Folgen der Corona-Seuche und den Opfern und Kosten des gesellschaftlichen Shutdowns.

Unsichere Annahmen – stark abweichende Ergebnisse
Wer sich in den letzten Wochen über Testergebnisse, Infektionsraten und Mortalität in verschiedenen Ländern zu informieren suchte, dürfte eher verwirrt als aufgeklärt sein. Einerseits liegt dies an der grossen Zahl von journalistisch aufbereiteten Berichten aus verschiedensten Quellen. Anderseits liest man von stark abweichenden Ergebnissen aus fundierten Studien mit modellierten Krankheitsverläufen. Der bekannte „Undercover Economist“ Tim Harford hat als regelmässiger Kolumnist in der Financial Times dazu interessantes Material geliefert, auf das ich mich nachstehend teilweise stütze.

Eine neue Studie der Universität Oxford gelangt zu fast unglaubhaft beruhigenden Ergebnissen, dies jedoch aufgrund sehr optimistischer Annahmen über den Verlauf von COVID19. Die Autoren nehmen an, dass die meisten Infektionen so mild verlaufen, dass sie behördlich nicht erfasst und vielleicht von den Erkrankten gar nicht bemerkt wurden. Die Annahme einer hohen Dunkelziffer bedeutet, dass ein Grossteil einer Bevölkerung nach einigen Woche bereits infiziert und inzwischen bereits wieder geheilt und wahrscheinlich gegen Corona-Viren immunisiert ist. Aufgrund dieser „Eisberg-Theorie“ kommt man statistisch auf eine sehr niedrige Mortalitätsrate, weil die Grundgesamtheit unter Einschluss einer hohen geschätzten Dunkelziffer sehr gross ist. Dies würde erlauben, rigorose Massnahmen gegen die Ausbreitung von COVID19 relativ rasch wieder aufzuheben.

Nun gibt es natürlich Studien, die bei weitem nicht so optimistische Annahmen treffen. Experten des Imperial College in London, die ebenfalls Krankheitsverläufe statistisch modellierten, warnten, dass es ohne aggressive politisch verordnete Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens in Grossbritannien eine halbe Million COVID19-Sterbefälle geben könnte.

Auf der Website „Marginal Revolution“ findet sich schliesslich ein Eintrag des US-amerikanischen Ökonomen Tyler Cowen, der die Schlussfolgerung einer Studie des American Enterprise Institute – AEI paper by Anna Scherbina – zitiert, ohne sich damit zu identifizieren. Geschätzt wird darin die optimale Länge einer strikten COVID19-Verhinderungspolitik aufgrund von drei unterschiedlichen Annahmen über die Infektionsrate. Die Ergebnisse für die USA sind eher ernüchternd, so dass man hoffen muss, die Realität werde die Studie widerlegen:

We investigate the optimal duration of the COVID-19 suppression policy. We find that absent extensive suppression measures, the economic cost of the virus will total over $9 trillion, which represents 43% of annual GDP. The optimal duration of the suppression policy crucially depends on the policy’s effectiveness in reducing the rate of the virus transmission. We use three different assumptions for the suppression policy effectiveness, measured by the R0 that it can achieve (R0 indicates the number of people an infected person infects on average at the start of the outbreak). Using the assumption that the suppression policy can achieve R0 = 1, we assess that it should be kept in place between 30 and 34 weeks. If suppression can achieve a lower R0 = 0.7, the policy should be in place between 11 and 12 weeks. Finally, for the most optimistic assumption that the suppression policy can achieve an even lower R0 of 0.5, we estimate that it should last between seven and eight weeks. We further show that stopping the suppression policy before six weeks does not produce any meaningful improvements in the pandemic outcome.

Neben den Annahmen über die Dunkelziffer haben somit auch die zugrunde gelegten Infektionsraten einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl eines optimalen trade-offs politischen Handelns. Was meines Wissens auch noch mit Unsicherheit behaftet ist, sind die Daten über Sterbefälle durch Corona-Infektion. Unter den fast ausschliesslich alten tödlichen Opfern gab es bekanntlich auch viele, die nicht an, sondern mit einer COVID19-Infektion starben und in den COVID19-Sterbefällen mitgezählt wurden.

Testaktivismus: Föderalismus als Handicap
So steht also die Politik vor der undankbaren Aufgabe, aus all diesen unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Expertenmeinungen die richtigen Massnahmen zu beschliessen und glaubhaft zu vermitteln. Um die Datenlage zugunsten der Politik zu verbesssern, schlug deshalb der prominente Verhaltensökonom Ernst Fehr (Universität Zürich) in einem Video-Interview mit der NZZ wiederholte Tests in einer landesweiten Stichprobe von rund 5’000 Personen vor. Daraus liessen sich Unsicherheiten über die Zahl der bereits Infizierten bzw. Genesenen (inkl. Dunkelziffer), über Infektionsraten und Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie über die Mortalität reduzieren, und der Politik stünde eine bessere Datengrundlage für ein optimales Vorgehen zur Verfügung. Dieser Ansatz führt automatisch zum Kampfruf „testen, testen, testen!“, eine Politik, die Südkorea offenbar erfolgreich umgesetzt hat.

Das föderalistisch fragmentierte schweizerische Gesundheitswesen scheint für diesen speziellen Fall für einmal nicht besonders gut gerüstet zu sein. So las man am 3. April auf NZZ online:

In der ganzen Schweiz werden viele neue Testzentren eingerichtet. Vorgegangen wird allerdings uneinheitlich. Im Kanton Bern können sich in einem Drive-in-Testzentrum auf dem BEA-Expo-Gelände alle testen lassen, die den Verdacht hegen, angesteckt worden zu sein. Dafür reicht eine Bestätigung nach dem Ausfüllen eines Online-Fragebogens. Im Kanton Waadt, der schweizweit am meisten Infizierte aufweist, wird nur getestet, wer vom Arzt überwiesen wird. Der Kanton Genf hat vier Testzentren eingerichtet und ein mobiles Team aufgebaut, das Tests im Notfall auch bei Patienten zu Hause durchführen kann. Jan Fehr, Infektionsspezialist der Universität Zürich, warnt jedoch davor, dass jeder Kanton nun für sich agiert: «Wir brauchen keinen Flickenteppich, wir müssen orchestriert vorgehen.»