So mega cool sind die Zürcher!

Grosse Plakat-Energiewende-Werbung der städtischen Dienstabteilung ewz, dem kommunalen Monopol-Stromversorger im rot-grünen Zürich. Und zwar an den besten und teuersten Standorten von Zürich, zum Beispiel im Hauptbahnhof. Zum Öffnen und Vergrössern auf das Bild clicken. Es lohnt sich, weil sich die prickelnde Atmosphäre nur im Detail so richtig erfassen lässt:

Diese fünf typischen ProtagonistInnen (!) der prickelnden Zürcher Energiewendeparty  –  ein repräsentativer Querschnitt durch die Stadtzürcher Bevölkerung  –  sind mit dem e-Bike gekommen und stossen jetzt unter Solarstrom-Licht mit Bio-Prosecco auf die sorgenfreie 2000-Watt-Energiezukunft an! Ein 100-Prozent staatlicher, durch und durch politisierter Monopolist ohne Marktrisiken mimt mit dieser unappetitlichen, auf jugendlich-trendig machenden Werbung ein privates, im Wettbewerb stehendes Unternehmen. Erstaunlich, wie apathisch das Publikum solche kostspieligen Zumutungen einfach so hinnimmt.

In Zürich gibt es in dieser neuen Energiewelt jetzt auch ein neues Phänomen auf dem Gebiet der Theorie der Interessengruppen: Als Gegenstück zum bekannten Forschungsgebiet des „rent-seeking“ durch Interessengruppen beim Staat macht das ewz auf aktives „rent-giving“ bei Hauseigentümern. Solche riesigen Posters montiert das ewz auf Zürcher Hausfassaden:

Der Unterschied zum „rent-seeking“ besteht darin, dass die Initiative vom staatlichen Akteur ausgeht. Man erinnert die Hausdachbesitzer daran, dass sie beim Staat Geld abholen können, das für sie bereit liegt. Nebenbemerkung: Dem Besitzer des Hybrid-BMW im Vordergrund erlässt man die kantonalen Strassengebühren, obwohl keineswegs erwiesen ist, dass die Ökobilanz solcher Fahrzeuge besser ist als die eines modernen Diesel-PW. So weit kommt es, wenn sich rot-grüne Ideen als Moralindroge im Publikum durchsetzen und sich die Politik opportunistisch nach den Stimmungen im Volk richtet.

Was mich persönlich betrifft, hoffe ich nun, dass sowohl das Phänomen wie auch der Begriff des „rent-giving“ künftig strikt mit dem Namen des Entdeckers verbunden werden, also mit mir.

Wann kommt olympisches Vierer-Rodeln?

Haben Sie den früheren SRG-Generaldirektor Roger de Weck, den unermüdlichen Service-Public-Prediger, auch mal über die „Ökonomisierung der Gesellschaft“ klagen hören? Ich schon, und nicht nur einmal. Paradox: Es gibt wohl kaum ein besseres Beispiel für diese Ökonomisierung als das von de Weck so penetrant idealisierte öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die gegenwärtig laufenden Olympischen Winterspiele in Südkorea bieten bestes Anschauungsmaterial. Dass inzwischen jeder Sieger, jede Siegerin oder jeder Coach, wenn im TV-Interview, sein Material (Skis, Mütze, Jacke etc.) penetrant in die Kamera rückt, daran hat man sich bereits gewöhnt, so lächerlich es auch für einen unbefangenen Betrachter wirkt. Im Ziel angekommen, reissen sich Skirennfahrer einen Ski vom Fuss und halten die grosse Markenaufschrift gegen die Kamera. Vor Jahrzehnten gab es genau darüber noch eine politische Kontroverse: Soll ein öffentlich-rechtliches Medium für Private Werbung betreiben? Dürfen solche Markenaufschriften überhaupt ins Bild? Diese Debatte mutet im Rückblick geradezu steinzeitlich an, aber nicht unbedingt im negativen Sinne.

Heute ist es besonders im Falle der Schweiz bzw. der SRG so, dass es ohne die mittlerweile geradezu exzessive Belästigung des Publikums mit Werbung gar nicht mehr ginge. Da eine Erhöhung der Zwangsgebühren unpopulär ist, holt man sich (zusätzliche) Mittel halt aus Werbung. Sukzessive werden die Maximierungsmassnahmen dem Zuschauer aufgedrängt: Unterbrecherwerbung, Werbung noch unmittelbar vor Beginn der Tagesschau, seit einiger Zeit auch zwischen Tagesschau und Wetterbericht (Meteo). Penetranter könnte sich ein Privatsender nicht aufführen. Zudem dürfte der Anteil Sport an der gesamten Sendezeit auf SRF-Kanälen wohl kaum in einem anderen Land erreicht werden. Wenn SRF2 nicht genügt, weil gleichzeitig zwei verschiedene Sportanlässe laufen, nimmt man sich halt SRF3, dies in Strapazierung des Sendeauftrags. Protest aus dem Publikum ist nicht zu erwarten, denn Sport ist populär, und da die Einschaltquoten stimmen, sind die Werbefenster für das angebliche Service-Public-Fernsehen bei Sportübertragungen besonders einträglich.

Zurück zur Winter-Olympiade. Warum führt wohl Deutschland die Medaillen-Rangliste an? Die Antwort ist einfach: Hat alles nur mit der von de Weck beklagten Ökonomisierung zu tun. Deutschland ist im Weltvergleich einer der wichtigsten Märkte für alle möglichen Konsumartikel, nicht nur aus dem Sport. Das erklärt ganz simpel, weshalb das Programm der Winterspiele sukzessive mit neuen Sportarten aufgeblasen wurde, die in Deutschland populär sind, bzw. in denen die Deutschen brillieren, speziell Biathlon und Rodeln. Und überall wird weiter expandiert, zu den Einzelwettkämpfen kommen inzwischen überall auch noch Mannschaftswettbewerbe. Wenn es in diesem Stil weitergeht, haben wir auch bald noch Sie- und Er-Rennen wie bereits im Curling. Oder Vierer-Rodeln, wo selbstverständlich auch die Deutschen Gold gewinnen…

Olympische Spiele sind der Inbegriff einer Ökonomisierung der Gesellschaft. Unsere vom Staat eingerichteten öffentlich-rechtlichen Medien mit ihrem Service-Public-Anspruch machen diese ganze fragwürdige Entwicklung nicht nur mit, sondern fördern sie mit ihrem vollkommen unkritischen Verhältnis zum kommerzialisierten Spitzensport sogar aktiv. Und dem eingelullten Publikum sind solche Paradoxien offenbar wurst, zumindest einer Mehrheit, wie wir anhand der bevorstehenden „No Billag“-Abstimmung bald sehen werden.