Mein kurzes Intermezzo mit SP-Bundesratskandidat Jon Pult

Vor den Eidgenössischen Wahlen im Herbst 2019, als Jon Pult für den Nationalrat kandidierte, hatte ich die Ehre, im bündnerischen Tiefencastel gegen Pult auf einem SP-Podium zum Thema Klimawandel anzutreten. Aufgrund verschiedener kritischer klimapolitischer Beiträge in den Medien hatte ich mir offenbar den Ruf eines Klimaskeptikers erworben. Ein Mann im Publikum äusserte in der anschliessenden Diskussion sogar den Verdacht, es könnte sich bei mir um einen Klimaleugner handeln. Wie dem auch sei, für eine kontroverse Veranstaltung mit Kandidat Pult war ich ein grundsätzlich geeigneter Antipode.

Im Verlauf der Podiumsdiskussion fiel mir auf, dass Pult auf jede Frage, zu jedem Thema fliessend und ohne anzustossen eine geschmeidig, mit unerschütterlicher Überzeugung vorgetragene Meinung zum Besten gab. Die Äusserungen klangen oft wie auswendig gelernte Formulierungen aus einem ausführlicheren Parteiprogramm. Nachdem ich meinen Part als Kontrahent gespielt hatte, wagte ich gegen Ende des Podiums schliesslich eine wenig riskante Wahlprognose. Ich prophezeite Pult eine sichere Wahl zum Nationalrat. Seine rhetorische Gabe, auf alles und jedes eine fertig formulierte Antwort oder Meinung zu haben, prädestiniere ihn zum erfolgreichen Politiker.

Politische Schnellschüsse gegen steigende Mieten

Der unsinnige Referenzzinssatz ist nicht tot zu kriegen

Es herrscht aktuell hektische Aufregung um drohende Mietzinserhöhungen wegen der erstmaligen Erhöhung des sogenannten Referenzzinssatzes seit seiner Einführung im Jahr 2008.

Auf „statista“ wird der Referenzzinssatz so erklärt:
„Für Mietzinsanpassungen aufgrund von Änderungen des Hypothekarzinssatzes gilt seit dem 10. September 2008 für die ganze Schweiz ein einheitlicher Referenzzinssatz, der vierteljährlich veröffentlicht wird. Er stützt sich auf den hypothekarischen Durchschnittszinssatz der Banken und ersetzt den in den Kantonen früher maßgebenden Zinssatz für variable Hypotheken…. Der Referenzzinssatz betrug bei seiner Einführung im September 2008 3,5 Prozent und ist seitdem kontinuierlich gefallen, da auch die Zinsen gefallen sind. Seit März 2020 lag er auf seinem bisherigen Tiefststand von 1,25 Prozent. Die Steigerung auf 1,5 Prozent im Juni 2023 war die erste seit seiner Initiierung… Beim Fallen des Referenzzinssatzes können Mieter eine tiefere Miete verlangen, beim seinem Steigen können Vermieter die Miete anheben – sofern im Mietvertrag der jeweils aktuelle Zinssatz gilt. Das bedeutet: Bei Anpassungen des Referenzzinssatzes können die Mieten erhöht werden – aber nur, wenn auch frühere Senkungen weitergegeben wurden.“ 

So sieht die Entwicklung seit 2008 aus:

Quelle: Webseite Livit AG (https://www.livit.ch/de/referenzzinssatz)

Wie stets in solchen Fällen wird das Problem der finanziellen Tragbarkeit von Mietzinserhöhungen „pauschalisiert“, wie wenn diese Entwicklung alle betreffen würde. Schon gibt es politische Vorstösse zur generellen Deckelung von Mietzinserhöhungen nach dem „Prinzip Giesskanne“. Der Bundesrat hat bereits mögliche konkrete Massnahmen angekündigt. Vermieter sollen Kostensteigerungen und die Teuerung nur noch begrenzter als bisher auf die Mieter überwälzen dürfen. Sicher wird aus dem gegenwärtigen politischen Aktivismus schliesslich irgendeine Form der sozialen Abfederung resultieren. Man bewegt sich damit opportunistisch immer mehr in Richtung der politischen Forderungen, das Wohnungswesen“ dem Markt zu entziehen“.

Doch wie sieht die Situation aus ökonomischer Sicht aus? Dazu zuerst die „Mechanik“ gemäss Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. September 2023: „Basiert der Mietzins auf einem Referenzzinssatz von 1,25 Prozent, ergibt sich grundsätzlich für die Vermietenden gemäss Mietrecht ein Erhöhungsanspruch des Mietzinses im Umfang von 3 Prozent.“

Seit dem Stand von 3,5 Prozent im Jahr 2008 hätten Mieter(innen) bei der stufenweisen Senkung um jeweils 0,25 Prozent eine Mietpreissenkung von 3 Prozent verlangen können. Sollte dieses Verhältnis grundsätzlich gelten, wäre bis zum Tiefststand von 1,25 Prozent maximal eine Mietzinsreduktion von 27 Prozent möglich gewesen. Sicher wurden diese Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft, doch ist davon auszugehen, dass vor allem institutionelle Vermieter (Versicherungen, Pensionskassen etc.) freiwillig Mietzinse nach unten anpassten. Der allgemeine Anstieg der Mieten wurde dadurch gedämpft.

Die 15 Jahre seit der Einführung des Referenzzinssatzes waren eine Periode des starken Bevölkerungswachstums durch Zuwanderung und, damit einhergehend, der Verknappung von Wohnraum. Das Angebot an Wohnungen konnte der Nachfrage nicht genügend folgen, um den Preisdruck zu dämpfen. Ausgerechnet in einer solchen Zeit der Verknappung mussten nun Mietzinsen gegen die Marktkräfte gesenkt werden. Dies trug unter anderem auch dazu bei, dass in den Städten die bereits grosse Preisdiskrepanz zwischen privilegierten Bestandes- oder Altmieten und Neuvermietungen noch weiter zunahm.

Nachdem die Mieterseite über 15 Jahre in einer Zeit der Angebotsverknappung dank der Anbindung an den sinkenden Referenzzinssatz von gedämpften Mietzinsen profitiert hat, kommt jetzt bei der ersten leichten Erhöhung von 1,25 auf 1,50 Prozent sofort die Forderung nach staatlichen Eingriffen. Das marktwidrige Instrument des Referenzzinssatzes wird also nur akzeptiert, wenn dieser nach unten geht. Sobald die Richtung kehrt, soll die Politik eingreifen.

Der aktuelle politische Aktivismus „gegen den Markt“ ist nicht zuletzt eine eindrückliche Demonstration, wie untauglich der Referenzzinssatz in der praktischen Anwendung ist.

„Es gibt keine automatische grüne Wirtschaftsrevolution“

„Der Sachverständigenrat sieht schwarz für die Zukunft der deutschen Wirtschaft“ hiess es kürzlich in Gabor Steingarts Morning Briefing. Die Überschrift über diesem Beitrag nahm ich auch von dort. Ich zitiere hier nur das Wesentliche:

„Die Dekarbonisierung ist eine Jahrhundertaufgabe: Die grüne Transformation der Wirtschaft erfordert aber genau dafür gigantische Investitionen. Der Sachverständigenrat rechnet selbst in einem Szenario mit wenig ambitionierter Klimapolitik bis zum Jahr 2045 mit einem realen Investitionsvolumen für diese Transformation von bis zu 607 Milliarden Euro.

Dieses Geld braucht man, um den bislang mit fossilen Energieträgern betriebenen energieintensiven Kapitalstock zu ersetzen. Aber durch den Austausch der Energieträger entsteht noch keineswegs eine höhere Wertschöpfung, also effizientere oder bessere oder günstigere Produkte, womit dieser Transformationsprozess keineswegs automatisch zur Stärkung des Wirtschaftswachstums beiträgt.“

So viel zu den grünen Netto-null-Träumereien in Deutschland und hierzulande.

Subtiler Klimaalarmismus auf Radio SRF

Dieser Text erschien unter dem Titel „Panikmache in Endlosschleife“ in der Weltwoche Nr. 46/23 vom 16. November 2023

Radio SRF bemüht sich redlich, in Sachen Klimawandel das bisherige Alarmierungsniveau möglichst aufrecht zu erhalten. Unter dem Titel „Klimawandel: Die Kosten laufen aus dem Ruder“ informierte der SRF-Wissenschaftsjournalist Klaus Ammann über den neusten Bericht des UNO-Umweltweltprogramms (UNEP). Gemäss den Autoren dieses Berichts sind die geschätzten notwendigen Kosten der Anpassung an den Klimawandel in jüngerer Zeit stark gestiegen. Der Bericht nennt Aufwendungen von jährlich 200 bis 400 Milliarden Dollar, Tendenz steigend. Heute werde aber nur ein kleiner Bruchteil davon tatsächlich zur Verfügung gestellt, mahnte UNEP-Direktorin Inger Andersen.

Adressaten dieser Botschaft sind natürlich die reichen westlichen Länder. Im UNEP-Bericht wird erklärt, wie Kosten und Schäden konzeptionell geschätzt werden. Dort heisst es, trotz unterschiedlicher möglicher Konzepte sei Gerechtigkeit ein wichtiges Thema. Eine Gerechtigkeitsperspektive mache darauf aufmerksam, dass Verlust und Schaden nicht allein das Ergebnis von Klimagefahren seien, sondern auch durch unterschiedliche Verletzlichkeit beeinflusst würden. Diese sei oft durch gesellschaftspolitische Prozesse verursacht, darunter Rassismus und eine Geschichte des Kolonialismus und der Ausbeutung.

Durch die Brille des Politökonomen sieht man den UNEP-Bericht kritischer als Radio SRF. Das beginnt damit, dass man die Herkunft und Positionen der einleitend aufgeführten „authors“ und „reviewers“ genauer anschaut. Erkennbar ist eine Blase von gleich getakteten Personen, UNO-typisch viele aus oder mit Beziehung zu Entwicklungsländern – ein Urteil, das keine Aussage über fachliche Kompetenz darstellt. Zudem ist das UNEP selbst ein politischer Akteur, der seiner Bestimmung gerecht werden will. Das wissen auch die Autoren einer solchen Studie.

Riesiges Umverteilungsprogramm

Das Hauptanliegen des UNEP-Berichts zielt auf ein riesiges finanzielles Umverteilungsprogramm zugunsten armer Länder auf Kosten der reichen westlichen Staaten. Die Entwicklungsländer seien darauf angewiesen, dass die wohlhabenderen Länder sie unterstützten, heisst es in der SRF-Sendung. So ist es auch nur logisch, dass dort keine kritischen Stimmen, sondern nur die üblichen Entwicklungs-NGO zu Wort kommen. Eine Beraterin für Klimaanpassung beim Hilfswerk Helvetas sagt: “Wir sehen in den Ländern, in denen wir tätig sind, dass die Menschen den Klimaereignissen schutzlos ausgeliefert sind. Nehmen wir das Beispiel einer Schneiderin in Bangladesch: Sie hat eine Nähmaschine auf Kredit gekauft und arbeitet mit dieser. Eines Tages kommt eine grosse Flut und zerstört ihr Haus und auch ihr Arbeitsgerät, die Nähmaschine. So hat sie nicht nur keine Existenzgrundlage mehr, sondern sie sitzt auch noch auf Schulden.“

Mit Bangladesh ist das „Framing“ für das breite Publikum gesetzt: Bangladesh, ist das nicht das Land, wo diese Tropenstürme und Überschwemmungen immer wieder so viel Unheil anrichten? Dann appelliert die Geschichte der bedauernswerten Schneiderin, einem wahrscheinlich fiktiven Einzelschicksal, an die Betroffenheit von uns Verschonten. Die Helvetas-Beraterin kann damit rechnen, dass in der hiesigen Bevölkerung das grosse Bild aus verlässlichen Daten über Stürme und Überflutungen in Bangladesh nicht bekannt ist. Gemäss Statista gibt es bei der Anzahl der von Naturkatastrophen betroffenen Menschen in den Jahren 2000 bis 2020 zwar keinen klaren Trend. Dank Massnahmen der Anpassung sind jedoch in Bangladesh die Opferzahlen über die Jahrzehnte gesunken, und dies trotz hohem Bevölkerungswachstum und einer inzwischen extremen Dichte der Bevölkerung. Bangladesh hat auf einer Fläche, die nur dreieinhalbmal so gross ist wie die Schweiz, über 170 Millionen Einwohner, also zwanzig mal die Schweiz.

Gescheiterte Entwicklungshilfe als abschreckendes Muster

Wenn nun Radio SRF einfach die UNEP-Sicht plus Ansichten einer Helvetas-Beraterin vermittelt, ohne eine Einordnung in einen grösseren Rahmen zu liefern, ist der Verdacht auf eine bestimmte politisch-ideologische Motivation naheliegend. Der grössere Rahmen wäre bei einem solchen Umverteilungsprogramm auch naheliegend. Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Angus Deaton hat über die traditionelle Entwicklungshilfe gesagt, diese Hilfe habe Afrika nicht wohlhabender, sondern ärmer gemacht.

Der Grund dafür ist längst bekannt. Es sind die fehlenden ausgebildeten wohlstandsfördernden Institutionen: funktionierender Rechtsstaat mit geschützten privaten Eigentumsrechten, Vertragsfreiheit, demokratische Machtteilung gegen kleptomanische Eliten, Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, Schutz vor staatlicher Willkür durch eine korruptionsfreie staatliche Verwaltung mit klar begrenzten Machtbefugnissen. Es ist nicht einzusehen, weshalb das von der UNEP geforderte, im Ausmass völlig unrealistische Umverteilungsprogramm unter unveränderten institutionellen Verhältnissen in den Empfängerländern nicht dasselbe ernüchternde Schicksal erleiden sollte wie die bisherige westliche Entwicklungshilfe.