„Energiewende“ – mal anders gedeutet

Die jüngst vom Parlament durchgewinkte Energiestrategie mit einem Planungshorizont bis 2050 (Schlagwort „Energiewende“ mit dem Kernpunkt AKW-Ausstieg) ist ein unerhört überhebliches Projekt. Erstens gaulkelt es der Schweizer Bevölkerung eine politische und volkswirtschaftliche Machbarkeit vor, die angesichts der langfristigen unvorhersehbaren ökonomischen und technologischen Entwicklungen, der sich die Schweiz nicht entziehen kann, einfach nicht gegeben ist. Und zweitens masst sich diese Strategie an, mit heutigen unumkehrbaren Weichenstellungen künftigen Generationen ein energiepolitisches Zwangskorsett zu verpassen. Dazu werden in planwirtschaftlicher Manier „neue erneuerbare Technologien“ (Wind und Photovoltaik) massiv gefördert, dagegen eine praktisch CO2-freie Technologie (Kernkraft) verboten. Dabei sind deren Fortschritte und unmittelbar bevorstehenden Durchbrüche (4. Generation  –  Flüssigsalzreaktoren) auch hierzulande bekannt, und es gibt am Paul-Scherrer-Institut der ETHZ sogar ein entsprechendes Forschungsvorhaben („grüner Atomreaktor“). Nur darf die PSI-Kommunikationsstelle das nicht laut sagen, denn selbst die wissenschaftlich renommierten ETHs verhalten sich opportunistisch. Für sie als staatliche Institutionen sind gewisse politisch umstrittene Themen mehr oder weniger tabu. Oder, noch fragwürdiger: Man liefert die Bestätigung „der Wissenschaft“ für Anliegen einer bestimmten politischen Agenda, so etwa für die 2000-Watt-Gesellschaft oder eben die „Energiewende“.

Diese „Energiewende“ müsste eigentlich „Fukushima-Wende“ heissen. Innerhalb weniger Wochen wechselten dank dünnen Mehrheitsverhältnissen massgebend gewordene Politiker bzw. Parteien ins AKW-Ausstiegs-Lager  –  und dies mit Berufung auf eine veränderte Risikoeinschätzung. Das ist natürlich weitestgehend Unfug. „Fukushima“ hatte vor allem konkret gezeigt, dass AKWs in einem erdbeben- und tsunamigefährdeten Land nicht direkt am Meer gebaut werden sollten. Zudem erhielt man mit dem Unglück auch Informationen über den mangelhaften Sicherheitsstandard der betroffenen Reaktoren. Aus diesem „worst case“ wäre also auch für schweizerische Verhältnisse viel Nützliches zu lernen gewesen. Stattdessen beschloss ein nicht nach Konkordanz zusammengesetzter Bundesrat mit einfachem Mehr den „Atomausstieg“.

Eine entscheidende Rolle spielten dabei die wahltaktischen Geplänkel um Bundesratssitze. Die im Abstieg befindliche CVP brauchte ein damals gerade populäres Thema, um wieder einmal zu punkten. Im Hintergrund spielte lange Zeit das Anliegen eine Rolle, der FDP den zweiten Bundesratssitz abzujagen. Als dies immer unwahrscheinlicher wurde, wandte man sich der Widmer-Schlumpf-Kleinpartei BDP zu, deren Interessen ähnlich gelagert waren. Sie wollte und will um jeden Preis den Bundesratssitz von Widmer-Schlumpf verteidigen. Dazu braucht sie die CVP. Um Unterstützung von links, sowohl für Widmer-Schlumpf, als auch für die „Energiewende“ brauchte man sich keine Sorgen zu machen.

Man kann also ohne Skrupel folgern, dass die „Energiewende“ und der „Atomausstieg“ sehr viel mit beinahe tagespolitischen wahltaktischen Interessen von CVP und BDP zu tun hatten. Besonders störend an dieser Konstellation ist, dass die Mehrheit im Bundesrat unter Konkordanzbedingungen (ohne Widmer-Schlumpf, dafür mit einem zweiten SVP-Bundesrat) natürlich anders ausgesehen hätte. Nur wegen den fragilen Mehrheitsverhältnissen in der Landesregierung erhielten CVP und BDP mit einem Wähleranteil von zusammen rund 15 Prozent überhaupt so viel Gewicht. Es ist schlicht inakzeptabel, dass ein derart schwerwiegender Eingriff in das wirtschaftliche Wohlergehen der Schweiz von so kurzfristigen Interessen bestimmt sein soll.

Frohe Weihnachten!

Vielleicht haben noch nicht alle die jüngste Mediennachricht von der Bühne des eidgenössischen agrarischen Subventionstheaters mitbekommen. Deshalb hier in Kürze: Die IG Suisse Christbaum (so etwas gibt es tatsächlich) verlangt die Wiedereinführuing der Direktzahlungen für Christbaumkulturen. Die Beiträge wurden im Agrarprogramm 2014-17 gestrichen, selbstverständlich zur Schonung der Betroffenen erst nach einer Übergangsfrist mit ermässigten Beiträgen. Der Bund betrachte die Beiträge als nicht nötig für die nationale Versorgungssicherheit, stand in der NZZ zu lesen. Stimmt, Christbäume kann man ja nicht essen.

Selbstverständlich sind Schweizer Christbäume, wie alle Agrarproukte, massiv teurer als importierte aus europäischen Ländern. Mit besserer Qualität hat das natürlich nichts zu tun, Christbäume sind eine Art Commodity. Trotzdem soll nach der Forderung der IG Suisse Christbaum die staatliche Stützung der einheimischen Kulturen weitergeführt werden. Christbaum-Kulturen liessen sich rasch wieder für die Produktion von Nahrungsmitteln verwenden, sollte die Versorgungslage einmal kritisch werden. Um Argumente, die in einer konsum-chauvinistischen, agrarpolitisch schlecht informierten Bevölkerung gut ankommen, ist man in Bauernkreisen nie verlegen. Der frühere Bauernpräsident, Nationalrat und Fast-Bundesrat Hansjörg Walter sonderte einmal in einem Interview folgenden ökonomischen Schwachsinn ab: „Alles was wir an Nahrungsmitteln importieren, fehlt an einem anderen Ort.“

Formularpflicht: Fünf mal mehr Anfechtungen im Kanton Zürich

Wohlwollend kommentiert heute der Zürcher „Tages-Anzeiger“ den „Erfolg“ der sogenannten Formularpflicht für Wohnungsvermieter. Die Anfechtungen des Anfangsmietzinses hätten sich im Kanton Zürich seit Einführung der Formularpflicht Anfang November 2013 verfünffacht. Für den unbefangenen Betrachter der Szene ist dies allerdings ein fragwürdiger Erfolg.

Worum geht es? Heute müssen Vermieter einem neuen Mieter per Formular den Mietzins bekanntgeben, der für den Vormieter gegolten hatte. Die zündende Idee der zahlreichen von links bis weit in sogenannt bürgerliche Kreise reichenden politischen Bewirtschafter der „Wohnungsnot“ dahinter: Solche Transparenz ermöglicht dem neuen Mieter, einen nach seiner Ansicht zu hohen Mietzins bei der zuständigen Schlichtungsstelle anzufechten  –  notabene den Mietzins aus dem Vertrag, den der Mieter zuvor unterzeichnet hatte. Da fragt man sich natürlich, wie sich dies auf die Zuteilung von Wohnraum auswirkt: Kommen jetzt vor allem die Unverfrorenen zum Zug, die schon zum voraus wissen, dass sie keine Hemmungen haben, vor der Schlichtungsbehörde einen vermeintlich zu hohen Mietzins anzufechten? Die Zahlen scheinen diese Vermutung zu stützen.

Von den Medien mit Meldungen über den Wohnungsmangel dauerversorgt, hatte das Zürcher Stimmvolk dieser weiteren Drehung an der Regulierungsschraube mit grosser Mehrheit zugestimmt. Kein Wunder, lernt man doch in unseren Staatsschulen in der obligatorischen Schulzeit nie etwas über die Vorteile des Preismechanismus zur Bewältigung von Knappheit. Aus politischem Opportunismus wurde die Formularpflicht zuvor auch schon in anderen Kantonen mit „Wohnungsmangel“ eingeführt. Nun droht auch die gesamtschweizerische Einführung. Damit will der Bundesrat dazu beitragen, die angeblichen mietzinssteigernden Folgen der hohen Zuwanderung abzuschwächen.

Solche Symbolpolitik ist Opium für das Volk, denn selbstverständlich ändert die Formularpflicht am weitgehend politisch verschuldeteten Wohnungsmangel nichts. Eher wird sie ihn noch verschärfen. Unter der Fuchtel einer immer strikter durchgesetzten Ideologie der Kostenmiete verschärft ein künstlich gedrücktes Mietzinsniveau nur den Nachfrageüberhang. Wer die Markt- und Preismechanismen willentlich ausser Kraft setzt, erntet noch mehr Marktverzerrung und noch stärkere Rufe nach neuen Regulierungen. Die Spirale dreht sich weiter, am Wohnungsmangel ändert sich nichts, aber man kann den Unmut der Leute über die bösen „Immobilienhaie“ weiter politisch bewirtschaften.

 

850’000 Franken für ausstiegswillige Bauern

Unter dem Druck der Agrarlobby erhöhte das Parlament die Position „Umschulungsbeitrage für ausstiegswillige Bauern“ von CHF 150’000 (gemäss Vorschlag des Bundesrats) auf CHF 850’000. Sparministerin Widmer-Schlumpf war gemäss NZZ mit ihrem Hinweis auf die Wirkung dieser Ausstiegshilfe machtlos: In den letzten 10 Jahren hätten bloss etwa zwei Dutzend Bauern diese Beiträge in Anspruch genommen. Die Logik der Agrarlobby und des Parlaments erscheint zwingend: Wenn ein Anreiz nicht wirkt, muss man ihn nicht abschwächen, sondern verstärken. Mit Logik kommt man allerdings in der Agrarpolitik nicht weit, denn im unsäglichen Gewirr von Regulierungen und Anreizen sind Widersprüche und Absurditäten ganz normal.

Überall erklingt das Klagelied vom „Bauernsterben“. Damit lässt sich gut Politik machen; auch die Agrarpropaganda nützt dies aus, um im Publikum Sympathie zu gewinnen. Weshalb aber will man dann einen staatlichen finanziellen Anreiz setzen, um Bauern zum Ausstieg zu bewegen? Offenbar verläuft das „Bauernsterben“ halt doch zu langsam, also muss man es beschleunigen. So ist es in der Tat, aber in Politik und Verwaltung wagt niemand, die Tatsachen klar auszusprechen: Das üppige Subventionswesen bremst den Strukturwandel und die Entwicklung hin zu grösseren und wettbewerbsfähigeren Betrieben.

Wenn die Umschulungsbeiträge Bauern bisher kaum zum Ausstieg bewegen konnten, kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen: Erstens ist das bäuerliche Dasein in der Schweiz, trotz rituellen Klagen der Verbandsfunktionäre über die unbefriedigende Einkommenssituation, auch finanziell ganz angenehm, mal abgesehen von den sonstigen Vorzügen einer bäuerlichen Existenz. Zweitens sind Umschulungsbeiträge auch in der Höhe von insgesamt CHF 850’000 pro Jahr natürlich für eine spürbare Beschleunigung des Strukturwandels praktisch wirkungslos. Viel eher sind Mitnahmeeffekte zu vermuten: Die paar Bauern, die ohnehin aussteigen wollen, nehmen das staatliche Angebot gerne an. Wollte man Wirkung erzielen, müsste ein Teil der milliardenschweren Direktzahlungen zu grosszügigen, aber einmaligen Ausstiegsbeiträgen umgestaltet werden.

Leider geht der Trend auf Kosten der gesamten Volkswirtschaft in die andere Richtung. Die vereinigte Agrarlobby, zu der aufgrund der jüngsten Abstimmungen in National- und Ständerat gegen zwei Drittel des Parlaments zu zählen sind, lässt nichts unversucht, um den überfälligen Strukturwandel abzubremsen. Damit wird eine Landwirtschaft geschützt, die nicht nur für Steuerzahler und Konsumentinnen enorm kostspielig, sondern mit ihrer Intensivbewirtschaftung, entgegen der Agrarpropgaganda, auch sehr umweltbelastend ist.