„The coronavirus … is a virus with public relations“

Zur Logik des politischen Überschiessens in Zeiten der Krise

Was Dr. Yoram Lass, ein israelischer Arzt und früherer Generaldirektor des Ministeriums für Gesundheit mit dem Zitat im Titel ausdrücken wollte: Die alle Nachrichten und sozialen Medien dominierende Coronakrise ist in unserer neuen Welt der Kommunikation auch, wenn nicht sogar primär ein Medienphänomen. Und es gibt eine ganze Reihe von Akteuren und Interessengruppen, die von der Epidemie profitieren. Dazu gehören, natürlich ohne es zu wollen, auch die politischen Behörden, deren Popularität in die Höhe schnellt. Plötzlich wird der italienische Ministerpräsident Conte in seinem gebeutelten Land zum Helden. Wie Bundeskanzlerin Merkel in Deutschland.

Dr. Peter Goetzsche, Professor für Design und Analyse klinischer Forschung an der Universität Kopenhagen brachte die Anreizsituation für die Politik in einem Blog-Post treffend auf den Punkt: „Our main problem is that no one will ever get in trouble for measures that are too draconian. They will only get in trouble if they do too little. So, our politicians and those working with public health do much more than they should do.“ Im Ökonomenjargon könnte man auch sagen, die Politik handle mit einer extrem hohen Gegenwartspräferenz. Zur Vermeidung von potenziell sichtbaren, gezählten und namentlich bekannten Todesfällen jetzt und heute nimmt die Politik all die namenlosen Sterbefälle sowie die weiteren Opfer in Kauf, welche der rigorose gesellschaftliche Shutdown zweifelsfrei schon jetzt, aber auch in näherer und fernerer Zukunft hinterlassen wird. Dabei richtet sich die Politik fast überall, quasi asymmetrisch, nur nach den vor Hunderttausenden von Todesfällen warnenden alarmistischen Epidemiologen. Dass es über die Gefährlichkeit der Seuche und die angemessenen Massnahmen auch viele mässigende Stimmen von prominenten Experten gibt, bleibt dabei auf der Strecke.

So können Regierungen, denen in jüngerer Vergangenheit nicht mehr viel Zählbares gelungen ist, plötzlich Führungsstärke markieren. Wenn dann die Zustimmungsraten zur Politik der Regierungen in die Höhe schnellen, gilt dies als Beweis, dass deren Politik richtig ist. Doch die Katze beisst sich in der Schwanz: Die absurd einschneidenden Massnahmen der Politik, verstärkt durch die Mechanismen der heutigen Medien, konditionieren zuerst die öffentliche Meinung so, dass rabiate Einschränkungen der persönlichen Freiheit als alternativlos hingenommen werden. Und dann haben die Behörden die überwiegende Mehrheit der Leute natürlich hinter sich.

Und weil gefühlte 90 Prozent der Leute die Schulzeit als ökonomische Analphabeten verlassen haben und nur nominell in Geld denken, glauben sie auch an die versprochenen segensreichen Wirkungen der staatlichen x-Milliarden- oder gar Billionen-„Hilfsprogramme“, die paradoxerweise gerade wegen dem politisch verordneten Shutdown angeblich unumgänglich sind. Über die aufgetürmten Schuldenberge, welche wir den heutigen Jungen und den nachfolgenden Generationen hinterlassen, machen sich die „Boomer“ an den Hebeln der Macht keine Sorgen.

Der weise Molière

„Un sot savant est sot plus qu’un sot ignorant.“

Es ist schon bewundernswert, wie treffend frühere Genies wie der französische Dramatiker, Schauspieler und Theaterdirektor Jean-Baptiste Poquelin, alias Molière (1622-1673) luzide Einsichten in zeitlose Bonmots gegossen haben! Dabei konnte sich Molière bloss auf seine durch persönliche Erfahrung gestützte Intuition berufen. Statistische Daten und Umfragen gab es damals noch nicht. Heute ist das anders.

Hans Roslings Studenten
Der 2017 verstorbene Hans Rosling, Professor für internationale Gesundheit am Karolinska Institutet in Stockholm, trat als Aufklärer mit dem Anspruch auf „let my dataset change your mindset.“ Zu Beginn eines Vortrags auf YouTube schildert Rosling einen Vortest, den er mit seinen Erst-Semester-Studenten gemacht hatte. Er wollte herausfinden, ob er dieser künftigen geistigen Elite überhaupt noch etwas beibringen könne. Die Studenten mussten bei fünf Länderpaaren jeweils das Land mit der höheren Kindersterblichkeit angeben. Die Länderpaare waren so gewählt, dass eines der beiden Länder mindestens die doppelte Sterblichkeit hatte, um statistische Unschärfe auszuschalten. Hier das Ergebnis:

Mit bloss rund 1,8 richtigen Antworten von 5 möglichen lieferten Roslings Studenten ein überaus dürftiges Durchschnittsergebnis. Ein Rudel Schimpansen würde im Durchschnitt 2,5 richtige Antworten liefern. Seine Studenten schienen also „dümmer“ zu sein als Schimpansen. Daraus folgerte Rosling, dass sie durchaus noch etwas zusätzliche Bildung brauchten. Doch was ihm als Lehrender erst später plötzlich wie eine Erleuchtung aufging, war dies: „The problem for me is not ignorance, but preconceived ideas.“

Anders ausgedrückt: Rosling hatte es nicht mit Schimpansen zu tun, sondern mit vorurteilsbeladenen Studenten. Wenn ausgerechnet Studenten – sogar in einem Test, der thematisch ihrem gewählten Studienfach nahe steht – das Resultat von Schimpansen nicht erreichen, muss man sich fragen, ob nicht gerade unter Menschen, die sich für überdurchschnittlich informiert halten, also unter Intellektuellen, zu gewissen Themen besonders starke Vorurteile, herrührend aus unverrückbaren Welt-, Gesellschafts- und Menschenbildern, herumgereicht werden.

Vorurteile schlimmer als Ignoranz
Der Mensch ist das einzige „Tier“, das Vorurteile entwickelt. Vorurteile widerspiegeln durch Verzerrung der Perspektive oft eine zu pessimistische Weltsicht, so wie sie uns von alarmistisch gepolten Medien vermittelt wird. In der moralisch aufgerüsteten Politik von heute ist der „mindset“ wieder wichtiger als der „dataset“, und gegen fest gefügte „mindsets“ helfen auch Sachinformationen wenig.

Man hüte sich davor, zu glauben, gebildete Menschen seien besonders gut informiert. Rosling hat in zahlreichen Wissenstests nachgewiesen, dass selbst Angehörige der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Elite schlechter abschneiden als ein Rudel Schimpansen. Der prominente US-amerikanische empirisch argumentierende Moralphilosoph Jonathan Haidt sagt, intelligente bzw. gebildete Menschen, die sich selbst für besonders gut informiert hielten, seien bloss geschickter in der Begründung ihrer Vorurteile als andere. Die Verlagerung einer Debatte von der Sach- auf die Gesinnungsebene gehört zu den bevorzugten Argumentationsmustern der Intelligenzia. Bei der Moralisierung vieler Gesellschaftsfragen spielen höhere Bildungsinstitutionen eine wichtige Rolle.

So ist es auch nicht überraschend, dass die Stimmenden mit Hochschulabschluss dem Energiegesetz als Einstieg in die auf Illusionen gründende schweizerische „Energiewende“ im Mai 2017 mit dem höchsten Anteil an Ja-Stimmen (70 Prozent) aller Bildungsschichten zugestimmt hatten. Das wichtigste Motiv der Zustimmung war gemäss VOTO-Analyse der „Atomausstieg“, verschärft um ein Verbot des Baus neuer AKW. Die einseitige links-ideologische Prägung der zahlenmässig gewichtigen Geistes- und Sozialwissenschaften sowie gewisser anderer Fachrichtungen (Medizin/Pharmazie, Biologie) trug stark zu diesem Ergebnis bei.

In unserer Gesellschaft wird gerne die Sphäre der Politik, wo jede Meinung gleich viel gilt (eine Person, eine Stimme), mit der Sphäre des Wissens vermischt. In der Wissenssphäre gilt das demokratische Prinzip zum Glück eben gerade nicht. Doch diese Einsicht scheint in unserer meinungsmachenden Elite noch nicht überall angekommen zu sein. Vielleicht ist das dem direktdemokratischen „mindset“ geschuldet, weil wir über so viele Dinge als Gleichberechtigte abstimmen können.

Schon Charles-Maurice de Talleyrand (1754-1838), französischer Staatsmann, Diplomat, notorischer Zyniker und Grossmeister treffender Bonmots, beklagte: „En politique, ce qui est cru devient plus important que ce qui est vrai.“ Viel hat sich seither offenbar nicht geändert.

Trudeau entschuldigt sich

In der online- Ausgabe der NZZ vom 19. September wird der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau zur jüngsten Affäre um sein dunkel geschminktes Gesicht mit folgendem Satz zitiert: „Es war etwas, von dem ich damals nicht dachte, dass es rassistisch wäre, aber jetzt erkenne ich, dass es etwas Rassistisches war.“ Genau wie der vor fast 20 Jahren, als das den Medien zugespielte Foto geschossen wurde, noch nicht 30-jährige Privatschullehrer Trudeau dachten auch die meisten anderen Leute damals nicht, dass der Auftritt Trudeaus an einem Kostümball „Arabische Nächte“ der Schule als dunkelhäutiger Aladin rassistisch sei.

Der Vorfall zeigt vor allem zwei Dinge: Erstens, wie sehr sich die militanten Krieger für politische Korrektheit in ihrem gnadenlosen Kampf für eine gerechte Welt von „identity“ und „diversity“ im öffentlichen Diskurs durchgesetzt haben. Und zweitens kriegen wir bestätigt, zu was für Kniefällen beschuldigte Politiker bereit sind, wenn es darum geht, ihre Karriere zu retten. Trudeau, in der internationalen Politik als führender Opportunist bekannt, sagte gemäss NZZ gegenüber den Medien: „Ich hätte das nicht tun sollen. Ich hätte es besser wissen sollen, aber das habe ich nicht. Es tut mir wirklich leid.“

Die rückwirkende Anwendung der neuen linksradikalen Moral auf frühere Ereignisse wird wegen dem hohen Diffamierungspotenzial in Politik und Medien immer beliebter, ist aber ähnlich fragwürdig wie die rechtsstaatlich geächtete Rückwirkung neuer Gesetze.

Einen schärferen Kommentar erlaubt sich der libanesisch-kanadische Evolutionspsychologe und Podcaster Gad Saad auf You Tube: https://www.youtube.com/watch?v=g1StXrRJbD4

In freier Assoziation zum geschilderten Trudeau-Vorfall noch dies: Die nordamerikanischen Hochschulen sind in Sachen Identitätspolitik und „diversity“ bekanntlich an vorderster Front aktiv. Vor allem auch die renommierten privaten wie Stanford oder Harvard. Bei den Anmeldungen zur Aufnahme an Harvard gab es traditionell eine Übervertretung von asiatisch-stämmigen US-Applikanten im Vergleich zur ethnischen Zusammensetzung der amerikanischen Bevölkerung. Also beschloss Harvard, dies zu korrigieren, indem asiatisch-stämmige Amerikaner durch strengere Aufnahmekriterien bzw. Nichtzulassung herausgefiltert wurden. Es ist natürlich absurd, eine (angebliche) Diskriminierung durch Schaffung einer neuen Diskriminierung beseitigen zu wollen. Doch das Diktat höherer Moral ist unerbittlich.

Polarforscherinnen – gibt es das?

Jedes Jahr am ersten Samstag im September gibt es in Zürich die Lange Nacht der Museen. Die Programmierung und die Vermarktung liegen in den Händen der staatlichen und staatsnahen Kulturbürokratie. Da kann man garantiert sicher sein, dass die Informationstexte durchwegs in einer genderkorrekten Sprache daherkommen. Da gibt es Besucher*innen und Kurator*innen und viele weitere Sternchen-Menschengruppen. Hier ein Muster aus der online-Information über das Programm:

Die männlichen Weltraumentdecker müssen durch die weiblichen Polarforscherinnen aufgewogen und neutralisiert werden. Umgekehrt wäre es nach der neuen missionarisch betriebenen Zwangsumformung der deutschen Sprache auch gegangen. Weltraumentdeckerinnen und Polarforscher. Hauptsache immer schön ausgewogen.

Wenn diese Sprachideologen bzw. -ideologinnen (solche sind es ja hauptsächlich) das generische Maskulinum durch die ausgewogene Verwendung der biologischen Geschlechter ersetzen wollen, dann müssten sie logischerweise auch nachforschen, ob es je Polarforscherinnen gegeben hat, bevor sie den Begriff verwenden. Ich vermute, es würde ihnen schwer fallen, auch nur eine Polarforscherin zu finden, die in Eis und Schnee ihre Spuren hinterlassen hat wie all die Männer, die als Polarforscher in die Geschichte eingegangen sind. Wer ein gewisses Geschichtsbewusstsein hat, der zuckt unwillkürlich zusammen, wenn er von Polarforscherinnen oder Weltraumentdeckerinnen hört oder liest.

Aber Logik war noch nie gefragt, wenn es in erster Linie um Ideologie und Macht über die Beherrschung der Sprache ging.

Sprachverhunzung „gehighlightet“!

Zur Abwechslung wieder mal etwas nicht direkt Ökonomisches. Aber doch mit einem Bezug zur Geschäftswelt.

Vom Online-Händler digitec (durch Übernahme eine Migros-Tochter) erhielt ich eben eine Push-Werbung für ein neues Samsung Smartphone. Dort heisst es „Ebenso gehighlightet ist die intelligente Kamera des 6.4″ grossen Natels…“ Für einigermassen sprachsensible Menschen sind auch die Anlagen für den „car wash“ an Migrol-Tankstellen immer wieder ein grosses Ärgernis.

Auch die Marketing-Verantwortlichen im genossenschaftlich organisierten Migros-Imperium können sich offenbar dem heutigen unsäglichen Werbe-Slang mit seinen verfehlten Anglizismen nicht entziehen. Sie tragen so dazu bei, unsere deutsche Sprache schleichend immer mehr zu verhunzen.